Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Havrix-Impfung gegen Hepatitis-A. akute demyelinisierende Enzephalomyelitis als mögliche Impfschädigung. ursächlicher Zusammenhang mit der Schutzimpfung. hinreichende Wahrscheinlichkeit. Antikörperreaktion auf andere Virusinfektion. mögliche alternative Ursache. sozialgerichtliches Verfahren. Anhörung eines bestimmten Arztes nach § 109 SGG. keine ergänzende Befragung. Fragerecht nur bei Beweisaufnahmeterminen
Leitsatz (amtlich)
Die Verursachung einer Erkrankung an ADEM muss hinreichend wahrscheinlich auf die erfolgte Hepatitis A-Impfung zurückgeführt werden können. Bei unklarer Verursachung bzw alternativer Verursachung durch eine andere Virusinfektion - hier: Zytomegalie - ist der Zusammenhang nicht hinreichend wahrscheinlich.
Orientierungssatz
1. Das Recht nach § 116 S 2 SGG, dem Gutachter sachdienliche Fragen zu stellen, besteht nicht in der mündlichen Verhandlung, wenn diese kein Beweisaufnahmetermin und kein Gutachter geladen oder zugegen ist.
2. Eine ergänzende Befragung des nach § 109 SGG beauftragten Gutachters ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 15. Mai 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung und Entschädigung eines Impfschadens nach einer Hepatitis A-Impfung am 26.11.2007.
Der 1974 geborene Kläger beantragte am 18.11.2010 beim Beklagten Beschädigtenversorgung nach dem Infektionsschutzgesetz. Er habe am 26.11.2007 von seiner Hausärztin Frau Dipl.-Med. D... in Z... eine im Freistaat Sachsen öffentlich empfohlene Hepatitis-A-Auffrischungsimpfung mit dem Impfstoff „Havrix“ erhalten. In der Folge sei er an ADEM, das heißt einer akut-entzündlichen Erkrankung des Nervensystems, erkrankt. Er leide noch immer an starken gesundheitlichen Einschränkungen.
Der Beklagte zog Krankenhausberichte der Y...-Klinik vom 08.012008 und des Städtischen Klinikums A.-N. vom 22.02.2008 bei. Als Diagnosen wurden danach bei ihm eine akute demyelisierende Enzephalomyelitis mit spinalem Schwerpunkt, klinisch maximale Symptomausprägung in Form einer Hirnstammfunktionsstörung, eine komplette Querschnittslähmung ab Th7, eine neurogene Blasenentleerungsstörung, ein Zustand nach Anlegen eines suprapubischen Blasenkatheters sowie eine neurogene Mastdarmentleerungsstörung erhoben. Grundsätzlich sei sowohl ein infektgetriggerter Prozess bei im Vorfeld geschildertem Infekt der oberen Atemwege als auch ein atypischer Impfverlauf nach Hepatitis-A-Impfung (Auffrischung am 26.11.2007) denkbar. Der Beklagte zog des Weiteren den Reha-Entlassungsbericht der Klinik X... vom 06. Mai 2008, sowie Behandlungsberichte der radiologischen Praxis W... über ein MRT der HWS vom 20.06.2008 sowie einen MRT-Spinal-Befund vom 18.09.2009 und einen MRT-Kopf-Hals-Befund von diesem Tag. Einen Befundbericht der Gemeinschaftspraxis Humangenetik, einen Befundbericht der Uniklinik V... vom 09.09.2009, worin ein Immundefekt ausgeschlossen wurde, sowie weitere Behandlungsberichte der Uniklinik V... und Poliklinik für Neurologie, Prof. U... vom 18.09.2009 zur erektilen Dysfunktion sowie Kinderwunsch und der Uniklinik V... für Urologie vom 20.03.2010 bei.
Auf Anfrage des Beklagten nahm das T...-Institut am 24.03.2011 Stellung. Entsprechend der vorliegenden Befunde bleibe es unklar, ob eine Infektion Auslöser für die ADEM gewesen sei, oder ob eine unspezifische, überschießende immunpathologische Reaktion auf die Hepatitis-A-Impfung als Ursache für die Erkrankung anzunehmen sei. Von ADEM in zeitlichem Zusammenhang mit Impfungen würde vereinzelt berichtet. Ein plausibler zeitlicher Zusammenhang liege vor, wenn die Symptomatik innerhalb von 14 Tagen nach der Impfung beginne, spätestens aber nach vier Wochen klinisch auffällig sei. Da der zeitliche Zusammenhang vorliegend eher unwahrscheinlich sei und durchaus die Möglichkeit einer koinzidenten Infektion vorgelegen haben könne, werde der ursächliche Zusammenhang zwischen der Havrix-Impfung und der ADEM-Erkrankung durch das T...-Institut als unwahrscheinlich bezeichnet.
Die Versorgungsärztin Dr. S... lehnte in ihrer Stellungnahme vom 13.05.2011 einen plausiblen ursächlichen Zusammenhang ab.
Mit Bescheid vom 28.06.2011 lehnte der Beklagte den Antrag auf Beschädigtenversorgung ab. Die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) lägen nicht vor. Der Kläger sei Anfang Januar 2008 an einer akuten demyelisierenden Enzephalomyelitis (ADEM) erkrankt und mache diese als Folge der am 26.11.2007 verabreichten Hepatitis-A-Impfung geltend. Bei einer ADEM-Erkrankung handele es sich um eine Erkrankung des Zentralnervensystems, die häufig nach einer Infektion auftrete. Es sei bekannt, dass Impfungen das Risiko in sich bürgen, auch entzündliche Veränder...