Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. Vermögenseinsatz. private Rentenversicherung. Verwertbarkeit innerhalb eines angemessenen Zeitraums. grundsätzlich Maßgeblichkeit eines Zeitraums von 12 Kalendermonaten. bei Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses Maßgeblichkeit eines längeren Zeitraums von bis zu 25 Jahren. Vorliegen eines Härtefalls

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vermögen muss innerhalb angemessener Zeit verwertet werden können. Ansonsten verfügt der Vermögensinhaber nicht über "bereite Mittel".

2. Bezieht der Betroffene Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt, ist für die Prüfung, ob bereite Mittel vorhanden sind, grundsätzlich auf den 12-monatigen Bewilligungszeitraum abzustellen. Im Einzelfall ist ein deutlich längerer Zeitabschnitt zugrunde zu legen.

3. Hat der Betroffene mit einem privaten Versicherungsunternehmen einen Verwertungsausschluss über seine Kapitallebensversicherung vereinbart, sind jedenfalls 15 Jahre noch als für die Verwertung angemessener Zeitraum anzusehen. Nach den Umständen des Falles kann ein Zeitraum bis zu 25 Jahren in Betracht zu ziehen sein.

4. Die Verwertung einer Kapitallebensversicherung bedeutet für den Betroffenen regelmäßig keine Härte.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 02.09.2021; Aktenzeichen B 8 SO 4/20 R)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 30. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für September 2011 und Oktober 2011 als Zuschuss.

Der …. 1960 geborene Kläger ist anerkannter Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 60 aufgrund einer seelischen Erkrankung (paranoide Schizophrenie). Er hat sein Studium an der Hochschule der Bildenden Künste in C.... als Diplom-Gemälderestaurator abgeschlossen, in seinem Beruf aber nie gearbeitet. Nach eigenem Bekunden ist er seit 1988 arbeitslos. Den vorgelegten Zeugnissen ist zu entnehmen, dass der Kläger die fachliche Hauptprüfung bereits im Juni 1985 abgelegt hatte. Die Diplomprüfung schloss er erst im April 2001 ab. Diese Zeitspanne sei auch auf die Erkrankung des Klägers zurückzuführen (Bericht des L.... Krankenhauses D…. vom 19. September 2013).

Von der damaligen "Arbeitsgemeinschaft C...." bezog er Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bis zum 31. Januar 2011. Die Bewilligungsentscheidung wurde zum 1. Februar 2011 aufgehoben, da dem Kläger seither eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland gewährt wird. Weil der monatliche Zahlbetrag von 94,07 Euro (Februar 2011) nicht ausreichte, beantragte der Kläger bei der Beklagten am 6. Januar 2011, ihm Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren. Er informierte die Beklagte darüber, zum 1. Juni 1991 eine private Rentenversicherung bei der "F…. Lebensversicherung AG" in M.... abgeschlossen zu haben (Rentenversicherungs-Nr.: ….). Die Versicherung unterliegt bis zum 1. Juni 2025 dem am 27. Juni 2006 von dem Unternehmen bestätigten Verwertungsausschluss nach §§ 165 Abs. 3 Satz 1 a.F. bzw. 168 Abs. 3 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und ist seit dem Jahr 2006 beitragsfrei gestellt. Als Kapitalabfindung sind sodann 18.044,38 Euro vorgesehen. Zudem beteiligte sich der Kläger beim Prämiensparen bei der OstL.... Sparkasse C.... über 25 Euro monatlich (Konto-Nr.: …………..). Mit Bescheid vom 20. Januar 2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für Februar 2011 unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zur Vorlage des Kontoauszugs des Sparbuchs des Klägers sowie der Mitteilung des aktuellen Rückkaufwerts der privaten Rentenversicherung.

Am 17. Februar 2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er ab dem 1. März 2011 in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) beschäftigt sei. Die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland beabsichtige, ihm Übergangsgeld zu gewähren. Die zuständige Sachbearbeiterin erläuterte, dass der Bewilligungsbescheid zum genannten Zeitpunkt sicher noch nicht erstellt sei. Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger auch für März 2011 Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt unter dem Vorbehalt der Rückforderung und meldete gegenüber dem Rentenversicherungsträger einen Erstattungsanspruch an.

Mit Bescheid vom 1. März 2011 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Übernahme der Kosten des Eingangsverfahrens in einer WfbM für die Zeit vom 1. März 2011 bis zum 31. Mai 2011. Während des Eingangsverfahrens gewährte sie dem Kläger Übergangsgeld in Höhe von 3,50 Euro täglich (Bescheid vom 17. März 2011). Die Beklagte gewährte dem Kläger sodann auch für April 2011 Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt unter dem Vorbehalt der Rückforderung und erinnerte den Kläger daran, den aktuellen Rück...

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