rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Familienleistungen nach dem polnischen Gesetz über staatliche Beihilfen zur Kindererziehung vom 11.2.2016 (sog. 500+) auf das deutsche Kindergeld. Mitteilung der polnischen Behörde ROPS über die Auszahlung von sog. „500+” als neue Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
Leitsatz (redaktionell)
1. Familienleistungen nach dem polnischen Gesetz über staatliche Beihilfen zur Kindererziehung vom 11.2.2016 (sog. 500+) sind unter Berücksichtigung des Unionsrechts nicht den Leistungen nach dem bayerischen Landeserziehungsgeldgesetz (BayLErzGG) oder dem Elterngeld, sondern dem deutschen Kindergeld vergleichbar und deswegen auf das in Deutschland gezahlte Kindergeld anzurechnen.
2. Hat die deutsche Familienkasse für die Kinder eines von seinem Arbeitgeber nach Deutschland entsandten polnischen Arbeitnehmers ungekürzt, in voller Höhe Kindergeld festgesetzt und erfährt sie erst nachträglich durch eine Mitteilung der polnische Behörde ROPS, dass an den Arbeitnehmer in Polen für den gleichen Zeitraum monatlich Familienleistungen nach dem polnischen Gesetz über staatliche Beihilfen zur Kindererziehung vom 11.2.2016 (sog. 500+) gezahlt worden sind, darf die bestandskräftige Kindergeldfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden und die Anrechnung des sog. 500+ (siehe 1.) vorgenommen werden.
3. Die vom Kläger gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts. Urteil v. 24.1.2018, 5 K 1711/17 (Kg) eingelegte Revision wurde vom BFH, Urteil v. 25.7.2019, III R 34/18 als unbegründet zurückgewiesen.
Normenkette
EStG § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 31 Sätze 1, 3, § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1; EGV 883/2004 Art. 1 Buchst. z; EWGV 1408/71 Art. 4 Abs. 1 Buchst. h, Art. 1 Buchst. u Ziff. i; AO § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 155 Abs. 4
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob die an den Kläger gezahlte polnische Familienleistung „500+” auf das in Deutschland gezahlte Kindergeld anzurechnen ist.
Der Kläger ist Pole und Vater der am 28. Oktober 2000 geborenen … (Name des 1. Kindes) und der am 1. Dezember 2004 geborenen … (Name des 2. Kindes), die mit ihm in der gemeinsamen Familienwohnung in Polen leben. Er wurde von seinem polnischen Arbeitgeber im streitigen Zeitraum nach Deutschland entsandt und hatte hier einen Wohnsitz. Mit Bescheid vom 23. Juni 2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger Kindergeld ab September 2015 für beide Kinder in voller Höhe. Am 18. September 2017 teilte die polnische Behörde ROPS der Beklagten mit, dass an den Kläger für den Streitzeitraum monatlich 500 PLN (sog. 500+) gezahlt wurde. Mit Bescheid vom 9. Oktober 2017 änderte die Beklagte den vorangegangenen Bescheid gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 EStG und rechnete für April 2016 bis September 2017 polnische Familienleistungen in Höhe von monatlich 500 PLN, insgesamt EUR 2.122,38, auf das für (Name des 2. Kindes) … gezahlte Kindergeld an und forderte diesen Betrag zurück. Den dagegen eingelegten Einspruch wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 2017 zurück.
Der Kläger bringt vor, bei der Zahlung in Höhe von monatlich 500 PLN handele es sich nicht um Kindergeld, sondern um Erziehungsgeld, das neben dem polnischen Kindergeld gewährt werde. Das polnische Erziehungsgeld setze voraus, dass ein Elternteil tatsächlich die Betreuung des Kindes wahrnehme. Dies sei nicht Voraussetzung für das deutsche Kindergeld, sondern die polnischen Leistungen seien vielmehr mit dem Betreuungsgeld oder bayerischen Landeserziehungsgeld vergleichbar. Durch das polnische Erziehungsgeld sollten die Kosten der Kindererziehung und die Kosten für die häusliche Betreuung des Kindes abgedeckt werden. Zudem hätten die Voraussetzungen für die Änderung nicht vorgelegen, da das Gesetz über das polnische Erziehungsgeld „500 +” bereits zum 1. April 2016 und damit vor Erlass des Bescheides am 23. Juni 2016 in Kraft getreten sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 9. Oktober 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 2017 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bringt vor, die polnischen Leistungen seien anzurechnen, da es sich dabei um dem Kindergeld vergleichbare Leistungen handele.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorbereitenden Schriftsätze, die zu Gericht gereichten Behördenakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2018 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Beklagte hat zu Recht die polnische Familienleistung „500 +”) auf das Kindergeld angerechnet.
Der Kläger hat dem Grunde nach gemäß §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG Anspruch auf Kindergeld. Auf dieses Kindergeld sind die im Streitzeitraum gezahlten monatlich 500 PLN anzurechnen.
Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unter Beachtung der Anforderungen des Primärrechts der Union auf dem Gebiet der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Urteil des Gericht...