Leitsatz (amtlich)

Eine Vertragsstrafenklausel in einem Kfz-Versicherungsvertrag, wonach bei unterlassener Mitteilung eines Merkmals zur Beitragsberechnung (hier: Jahreskilometerleistung) der Versicherungsnehmer zur Zahlung einer zusätzlichen Jahresprämie verpflichtet wird, ist gem. § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, wenn der Versicherer nicht gleichzeitig auf seine gesetzlichen Rechte wegen Gefahrerhöhung verzichtet.

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 305c Abs. 2; VVG n.F. § 32; VVG a.F. § 34a

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 16.01.2013; Aktenzeichen 18 O 111/12)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Stuttgart - 18 O 111/12 - vom 16.1.2013 teilweise abgeändert und neu gefasst:

Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 3.692 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.12.2011 zu bezahlen.

Im Übrigen werden die Klage und die Widerklage abgewiesen.

2. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug tragen die Klägerin 18 % und die Beklagte 82 %. Von den Kosten des Rechtsstreits im zweiten Rechtszug tragen die Klägerin 8 % und die Beklagte 92 %.

4. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages jeweils abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungsstreitwert: 30.101,58 EUR

 

Gründe

I. Die Berufung der Beklagten wendet sich gegen ein Urteil des LG Stuttgart, mit dem sie zur Zahlung einer erhöhten Jahresprämie und einer Vertragsstrafe i.H.v. einer Jahresprämie, insgesamt 2.501,58 EUR nebst Zinsen, verurteilt wurde und ihrer Widerklage nur i.H.v. 3.692 EUR nebst Zinsen stattgegeben und diese i.H.v. 27.600 EUR abgewiesen wurde.

Die Parteien streiten über die Zahlung eines rückständigen Versicherungsbeitrags und einer Vertragsstrafe i.H.v. einer Jahresprämie wegen zu viel gefahrener Kilometer in der Kfz-Versicherung sowie über die Entschädigung aus der Vollkaskoversicherung aufgrund eines Verkehrsunfalls am 24.1.2008 in der Nähe von Rom.

Die Beklagte hat bei der Klägerin für das ehemals geleaste Kraftfahrzeug BMW 730d, amtliches Kennzeichen S-, u.a. eine Kaskoversicherung unter der Versicherungsscheinnummer mit Versicherungsbeginn am 11.8.2005 abgeschlossen (Anlage K 1, Bl. 12 ff.). Bestandteil dieses Vertrags sind die "Allgemeinen Bedingungen der V. Versicherung AG für die Kraftfahrtversicherung (AKB)" (Anlage K 6, Bl. 84 ff.) und die "Tarifbestimmungen der V. Versicherung AG für die Kraftfahrtversicherung (TB-KR)" (Anlage K 6, Bl. 84 ff., 94 ff.). Zu Beginn des Versicherungsvertrags wies das bei der Klägerin versicherte Kraftfahrzeug einen Kilometerstand von 20.000 km auf und beide Parteien vereinbarten eine maximale Jahresfahrleistung von 9.000 km (Anlage K 1: Versicherungsschein, Bl. 12 ff., 14).

Die TB-KR lauten unter Ziff. 6 "Anwendung und Änderung von Gefahrenmerkmalen" auszugsweise wie folgt (Anlage K 6, Bl. 84 ff., 96):

"(2a) Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers

Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, dem Versicherer unverzüglich zu melden, wenn sich während der Laufzeit des Vertrages für die Beitragsberechnung relevante Umstände, die bei Antragstellung anzugeben und im Versicherungsschein unter der Rubrik "Die Beitragsberechnung für Ihre Kfz-Versicherung beruht auf folgenden Angaben, die wir von Ihnen erhalten haben" aufgeführt sind, ändern.

Im Übrigen gelten die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) zur Gefahrerhöhung (§§ 16 bis 30 VVG).

(2b) Unrichtige oder unterlassene Angaben

Hat der Versicherungsnehmer während der Laufzeit des Vertrages schuldhaft unrichtige Angaben gemacht oder die Anzeigepflicht gem. Abs. 2a schuldhaft verletzt und hat der Versicherer deswegen einen zu niedrigen Beitrag berechnet, ist der Versicherer berechtigt, ab Beginn der Versicherungsperiode, in der die Änderung erfolgte, den Beitrag neu zu berechnen und nachzuerheben.

Daneben ist der Versicherer berechtigt, statt seiner gesetzlichen Rechte auf Rücktritt oder Kündigung eine Vertragsstrafe in Höhe des neuberechneten Jahresbeitrages zu verlangen.

..."

Die AKB lauten unter "C Fahrzeugversicherung" zur Ersatzleistung auszugsweise wie folgt (Anlage K 6, Bl. 84 ff., 89):

"§ 13 Ersatzleistung

...

(5) Bei Beschädigung des Fahrzeuges ersetzt der Versicherer bis zu dem nach den Abs. 1 bis 3 sich ergebenden Betrag die erforderlichen Kosten der Wiederherstellung. Für Personenkraftwagen (ausgenommen Taxen, Personenmietwagen, Selbstfahrervermiet-Personenkraftwagen), für Krafträder bzw. -roller mit Ausnahme der Leicht- und Kleinkrafträder bzw. -roller und für Campingfahrzeuge bzw. Wohnmobile ersetzt der Versicherer keine Abschleppkosten. Sofern das Fahrzeug nicht oder nicht vollständig für den Versicherungsnehmer repa...

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