Leitsatz (amtlich)

Die Beratungspflicht des Anwaltsmediators erstreckt sich bei gewünschter einvernehmlicher Regelung der Scheidungsfolgen auch auf die Folgesache Versorgungsausgleich. Zur Haftung des Anwaltsmediators neben einem Terminsanwalt, der im Termin den Versorgungsausgleich durch Vereinbarung ausschließt.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 398, 426 Abs. 1; VVG § 86 Abs. 1; MediationsG § 2 Abs. 6

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Urteil vom 25.07.2016; Aktenzeichen 2 O 342/15)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Tübingen vom 25.07.2016, Az. 2 O 342/15, abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 32.047,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2016 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 26 % und die Beklagte 74 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrags, wenn nicht der jeweils andere Teil vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 43.316,05 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger macht aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich gegen die Beklagte wegen einer von ihr begangenen anwaltlichen Pflichtverletzung geltend.

Die Eheleute... wollten sich kostengünstig und einvernehmlich scheiden lassen, weshalb sie im März 2010 die durch die Beklagte betriebene Schlichtungsstelle in... aufsuchten und sich dort gemeinsam beraten ließen. Die Schlichtungsstelle... firmiert auf ihrem Briefkopf wie folgt:

"Schlichtungsstelle

Rechtsanwälte und Konfliktbegleiter

Anerkannte Gütestelle am LG Tübingen

Inhaberin:...

Rechtsanwältin"

Nach dem ersten Termin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 17.03.2010 bei den Eheleuten... deren Rentenversicherungsnummern und eine Vollmacht zur Einholung der Auskünfte bei den Versorgungsträgern an. Dieser Aufforderung kamen die Eheleute... umgehend nach. Im Rahmen der folgenden Schlichtungsgespräche wurde angedacht, dass eine Scheidungsfolgenvereinbarung über die Vermögensauseinandersetzung und den Zugewinn geschlossen werden solle. Diese sollte außerhalb des Scheidungsverfahren erfolgen. Der positive Nebeneffekt sei, dass das Scheidungsverfahren abgekürzt und deshalb eine schnelle und unkomplizierte Scheidung vorgenommen werden könne. Man benötige dann auch nur einen Rechtsanwalt im Termin und könne sich die Kosten für einen zweiten Rechtsanwalt sparen. Die vermögensrechtlichen Ausgleichsansprüche der Eheleute... im Zugewinn beliefen sich nach der Auseinandersetzung des gemeinsamen Hauses in der Größenordnung von 9.000,00 EUR. Ein weiteres Gespräch der Beklagten mit den Eheleuten fand im Jahr 2011 statt. Die Beklagte hatte bis dahin keine Auskünfte bei der Rentenversicherung eingeholt, was sie den Eheleuten... nicht mitteilte. Eine Scheidungsfolgenvereinbarung war ebenfalls nicht abgeschlossen worden. Zur Abwicklung der Ehescheidung zog die Beklagte die Rechtsanwältin... hinzu, welche als Verfahrensbevollmächtigte für den Ehemann der Zeugin... im Scheidungsverfahren auftreten sollte.

Am 15.04.2011 sollte unter Teilnahme der Beklagten ein erstes Treffen der Eheleute... mit der Zeugin... in der Schlichtungsstelle stattfinden, um den Scheidungsantrag durchzusprechen. Da die Zeugin... kurzfristig verhindert war, fand der Termin ohne sie statt. Die Beklagte nahm die für den Scheidungsantrag notwendigen Erhebungen bei den damaligen Eheleuten... selbst vor. Am 18.04.2011 holte sich die Zeugin... das Protokoll vom 15.04.2011 ab. Mit einer E-Mail vom 28.04.2011 erfragte sie die Adressen der Eheleute, den Trennungszeitpunkt und was "EU-Verzicht" bedeuten sollte. Die Beklagte beantwortete die Fragen über E-Mail am selben Tag und gab an, dass ein Verzicht auf Ehegattenunterhalt protokolliert werden sollte. Ebenfalls mit Datum vom 28.04.2011 gab die Zeugin... der Zeugin... die Kosten des Scheidungsverfahrens in Höhe von 1.819,00 EUR bekannt und forderte einen Kostenvorschuss von 500,00 EUR an. Am 12.05.2011 rechnete sie die restlichen Kosten ab. Die vereinnahmten Gebühren führte die Zeugin... mit Ausnahme eines Betrages von 300,00 EUR, welchen sie absprachegemäß für sich behielt, an die Beklagte ab.

Am 04.05.2011 reichte die Zeugin... den Scheidungsantrag unter anderem mit folgendem Inhalt beim AG Reutlingen ein.

"IV. Unterhalt

...Wir stellen Antrag auf Protokollierung des Verzichts auf nachehelichen Unterhalt.

V. Folgesachen

Der Versorgungsausgleich soll nicht durchgeführt werden. Antragsteller und Antragsgegnerin verzichten auf den Versorgungsausgleich, da ein Ausgleich bereits im Rahmen des Zugewinns stattgefunden hat..."

Der Scheidungsantrag wurde am 12.05.2011 zugestellt. Das AG Reutlingen bestimmte d...

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