Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 27.06.2016; Aktenzeichen 4 HK O 5686/16)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des LG München I vom 27.6.2016 aufgehoben.

II. Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin, untersagt, im geschäftlichen Verkehr

1.7. die Produkte "B.J. Epigenetik Darm Tandem Zotten-Aktiv & FloraFit unter dieser Bezeichnung, die den Begriff "Epigenetik" beinhaltet, anzubieten und/oder zu bewerben;

2.3. Das Produkt "B.J. Epigenetik FloraFit Kapseln" unter dieser Bezeichnung, die den Begriff "Epigenetik" beinhaltet, anzubieten und/oder zu bewerben;

3.2. Das Produkt "B.J. Epigenetik Zotten Aktiv Trinkpulver" unter dieser Bezeichnung, die den Begriff "Epigenetik" beinhaltet, anzubieten und/oder zu bewerben; jeweils sofern dies geschieht wie in Anlage A 1 wiedergegeben:

((Abbildung))

III. Die Antragsgegnerin hat die Kosten Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz zu tragen.

 

Gründe

I. Von einem Tatbestand wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung des Antragstellers ist begründet.

Dem Antragsteller stehen die im Berufungsverfahren weiterverfolgten Unterlassungsansprüche aus § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit a) und b), Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 vom 25.10.2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (VO [EU] 1169/2011; ABl. Nr. L 304 S. 18 m.Änd.) i.V.m. § 3a, § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Satz 1, § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zu, weil die beanstandeten Angaben gemäß Ziffern 1.7, 2.3 und 3.2 des Verfügungsantrags irreführend sind.

a) Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. a) und b), Abs. 4 VO (EU) Nr. 1169/2011 darf für Lebensmittel nicht irreführend, insbesondere über Eigenschaften, Zusammensetzung und Methode der Herstellung und deren Wirkung, geworben werden.

Unter Epigenetik versteht der durchschnittliche Verbraucher in Anlehnung an den ihn bekannten Begriff der Genetik als Teilgebiet der Biologie eine Wissenschaft, die sich u. a, mit der Frage befasst, welche Faktoren die Aktivität eines Gens und damit die Entwicklung von Zellen festlegen. Auf den durchschnittlichen Verbraucher ist hier abzustellen, da sich aus der streitgegenständlichen Werbung in der Fernsehsendung (vgl. Anlage A 1) keine Beschränkung des Adressatenkreises auf bestimmte Personengruppen ergibt

Im Streitfall erwecken die beworbenen Produkte "B.J. Epigenetik Darm Tandem ZottenAktiv & FloraFit", "B.J. Epigenetik FloraFit KapseIn" und "B.J. Epigenetik ZottenAktiv Trinkpulver" bei den angesprochenen Verkehrskreisen durch die Bezeichnung "Epigenetik" den Eindruck, dass die Antragsgegnerin wissenschaftliche Erkenntnisse der Epigenetik bei der Herstellung ihrer Produkte nutzt und die so hergestellten Produkte aufgrund ihrer Inhaltsstoffe tatsächlich entsprechende positive Wirkungen auf den menschlichen Organismus haben. Der Durchschnittsverbraucher geht daher davon aus, dass die streitgegenständlichen Produkte aufgrund ihrer Inhaltstoffe und Zusammensetzung die Zellstruktur und somit das allgemeine gesundheitliche Wohlbefinden fordern.

Der Antragsteller hat vorgetragen, dass die Antragsgegnerin wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Epigenetik für ihre Produkte nicht nutzt und diese auch keine entsprechenden Inhaltsstoffe beinhalten. Dem ist die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast nicht substantiiert entgegengetreten. Insbesondere hat die Antragsgegnerin nicht dargetan, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse der Epigenetik sie für den Einfluss von Ernährung auf die Entwicklung von Zellen und die Verbesserung der Gesundheit im Allgemeinen gewonnen hat, wie sie diese Erkenntnisse konkret bei der Herstellung ihrer Nahrungsergänzungsmittel nutzt und welche Inhaltsstoffe die genaunten Wirkungen tatsächlich erzeugen.

Eine Irreführung scheidet auch nicht deshalb aus, weil - nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin - das Deutsche Patent- und Markenamt den Begriff "Epigenetik" als geschützte Marke eingetragen hat. Denn anders als die Antragsgegnerin vorträgt, wurde nicht "Epigenetik", sondern "B.J. EPIGENETIK" als Marke eingetragen (vgl. Anlage AG 22). Bei der Bezeichnung "Epigenetik" handelt es sich daher weder um eine schlichte Herkunftsbezeichnung, noch um eine geschützte Marke.

Der Senat kann das Verständnis des maßgeblichen situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers selbst feststellen, weil seine Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören (vgl. BGH GRUR 2016, 83 - Amplidect/ampliteq Tz. 52; GRUR 2004, 244 [245] - Marktführerschaft) und er zudem aufgrund seiner ständigen Befassung mit Wettbewerbs- und Kennzeichenstreitsachen in der Lage ist, das Verkehrsverständnis anband seiner Erfahrungen selbst zu beurteilen (vgl. BGH GRUR 2014, 1211 - Runes of...

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