Entscheidungsstichwort (Thema)

Die Besorgnis der Befangenheit eines ärztlichen Sachverständigen bei der Frage der analogen Abrechnung von Behandlungen nach GOÄ

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Besorgnis einer Befangenheit eines Sachverständigen, der zur Frage der medizinischen Notwendigkeit einer IMRT-Behandlung und zur Gleichwertigkeit im Verhältnis zu einer IORT-Behandlung befragt wird, ergibt sich nicht bereits daraus, dass sich der Sachverständige im Rahmen der von ihm ausgeübten ärztlichen Tätigkeit selbst IMRT-Leistungen erbringt und sie - entsprechend einer Empfehlung der Bundesärztekammer - analog Ziff. 5855 GOÄ abrechnet.

2. Ein "Generalverdacht" einer einseitig am eigenen Gebühreninteresse ausgerichteten Gutachtenserstattung in Abrechnungsfällen nach einer bestimmten zugehörigen GOÄ-Ziffer gerade gegenüber besonders qualifizierten ärztlichen Sachverständigen erscheint überzogen und vernünftigerweise nicht nachvollziehbar.

3. Eine Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen liegt nicht vor, soweit er nach den Beweisfragen nur damit beauftragt ist, die tatsächlichen Umstände darzustellen und zu erläutern, die für und gegen eine Vergleichbarkeit der im Gebührenverzeichnis enthaltenen und der abgerechneten, dort nicht unmittelbar enthaltenen Behandlung sprechen und die gebührenrechtliche Folgerung bzw. die Frage der Richtigkeit der Rechnungsstellung nicht Gegenstand des Beweisbeschlusses ist.

 

Normenkette

GOÄ § 6 Abs. 2, Ziff. 5855

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 07.06.2018; Aktenzeichen 12 O 14827/17)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 06.06.2019; Aktenzeichen III ZB 98/18)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 07.06.2018, Az. 12 O 14827/17, wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Erstattungsfähigkeit von IMRT-Behandlungen, die bei der Klägerin im Zusammenhang mit einem Mammakarzinom durchgeführt wurden. Dabei steht unter anderem in Streit, ob die Behandlungen zu Recht entsprechend einer Empfehlung der Bundesärztekammer gemäß der für IORT-Behandlungen geltenden Ziffer 5855 GOÄ analog abgerechnet wurden.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 23.04.2018 (Bl. 63/69 d.A.) Prof. Dr. F. als Sachverständigen bestellt, zum einen zur Frage der medizinischen Notwendigkeit, zum anderen zur Frage, ob die bei der Klägerin durchgeführten IMRT-Behandlungen nach Art, Kosten- und Zeitaufwand einer IORT-Behandlung (Ziffer 5855 GOÄ) gleichwertig seien. Dazu hat es im Beweisbeschluss (unter Ziffer 3.) nähere Hinweise und Vorgaben erteilt, um Auseinandersetzung mit anderen, bereits vorliegenden Gutachten zur gebührenrechtlichen Problematik gebeten und den Sachverständigen insbesondere aufgefordert, Ablauf, Umfang und Wirkungsweise der IMRT- und der IORT-Behandlung darzustellen und dazu Stellung zu nehmen, ob - und wenn ja worin - die beiden Behandlungsformen vergleichbar sind.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 08.05.2018 (Bl. 72/74 d.A.) unter Berufung auf Beschlüsse des OLG Frankfurt am Main vom 07.07.2017, Az. 7 W 17/17, und des OLG Hamm vom 28.04.2017, Az. I-29 W 9/17 (beide Anlage B 22), Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen gestellt, begründet im Wesentlichen damit, dass der Sachverständige selbst bereits IMRT-Leistungen für andere Versicherungsnehmer der Beklagten erbracht und nach der betreffenden Analogziffer abgerechnet habe, und der Beklagte diese Rechnungen entsprechend den Einwendungen im hiesigen Prozess diesen Versicherungsnehmern nur gekürzt erstattet habe.

Das Landgericht hat den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit mit dem angefochtenen Beschluss vom 07.06.2018 (Bl. 78/85 d.A., dem Beklagten zugestellt am 13.06.2018), auf dessen ausführliche Sachverhaltsdarstellung und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, zurückgewiesen. Es hat sich dabei insbesondere auf einen Beschluss des OLG Köln vom 06.10.2017, Az. 4 W 19/17, gestützt.

Dagegen hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 21.06.2018 (Bl. 88/92 d.A.) sofortige Beschwerde erhoben und sich darin insbesondere ergänzend auf einen Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 27.03.2018, Az. 14 W 15/18, berufen; das Landgericht hat der Beschwerde gemäß Beschluss vom 26.06.2018 (Bl. 111/113 d.A.) nicht abgeholfen. Mit Schriftsatz vom 18.07.2018 (Bl. 116/117 d.A.) hat der Beklagte nochmals Stellung genommen.

Die Klägerin hat von einer Stellungnahme im Beschwerdeverfahren abgesehen, ihre Streithelferin mit Schriftsätzen vom 25.06.2018 (ab Seite 16, Bl. 108 ff. d.A.) und vom 27.07.2018 (Bl. 122/125 d.A.) zur Sachverständigenauswahl Stellung genommen und Zurückweisung der sofortigen Beschwerde beantragt.

Das Verfahren wurde dem Senat von der Einzelrichterin mit Beschluss vom 01.08.2018 (Bl. 119/121 d.A.) übertragen.

Auf die genannten Aktenfundstellen wird Bezug genommen.

II. Die gemäß §§ 406 Abs. 5, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründ...

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