Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichteinhaltung der einjährigen Trennungszeit wegen unzumutbarer Härte

 

Leitsatz (amtlich)

Erfährt die Ehefrau drei Tage nach der Eheschließung telefonisch von einer engen Freundin, dass der neben ihr sitzende Ehemann ihr gerade seine Liebe offenbart habe und wird ihr später bekannt, dass der Mann zudem schon am Tag vor der Hochzeit eine entsprechende E-Mail geschickt habe, begründet dies allein keine unzumutbare Härte, die eine Scheidung der Ehe vor Ablauf des Trennungsjahres (hier: nach bereits weniger als drei Monaten) rechtfertigen würde. Das gilt auch dann, wenn die künftige Lebensplanung der Ehegatten eine Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft als praktisch ausgeschlossen erscheinen lässt.

 

Normenkette

BGB § 1565 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

AG München (Beschluss vom 13.07.2010; Aktenzeichen 564 F 8019/10)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG München vom 13.7.2010 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.1. Die Antragstellerin hat am 12.7.2010 einen Antrag auf einverständliche Scheidung ihrer Ehe beim Familiengericht eingereicht

Am 29.4.2010 hat sie vor dem Standesamt in München die Ehe mit dem Antragsgegner, einem US-Staatsbürger, geschlossen. Sie macht geltend, die Einhaltung des Trennungsjahres gem. § 1565 Abs. 2 BGB sei aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten lägen, für sie eine unzumutbare Härte.

Die Antragstellerin habe am Abend des 2.5.2010, also drei Tage nach der Hochzeit, telefonisch von einer engen Freundin erfahren, dass der Antragsgegner neben ihr sitze und erklärt habe, das er in sie verliebt sei. Dies habe sie in jener Nacht psychisch außerordentlich belastet. Im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass ihr Ehemann schon am Abend vor der Hochzeit der betreffenden Freundin per E-Mail seine Liebe offenbart habe.

2. Das AG hat den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe am 13.7.2010 abgelehnt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil das Trennungsjahr noch nicht abgelaufen sei und ein Scheidungsantrag derzeit unschlüssig sei. Die bloße Zuwendung zu einem neuen Partner stelle einen Zerrüttungsgrund dar und führe nicht bereits dazu, dass das Zuwarten bis zum Ablauf des Trennungsjahres unzumutbar sei.

3. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Zum einen sei angesichts der dargelegten Umstände ein Härtegrund gegeben. Zum anderen werde der Antragsgegner am 1.8.2010 mit seiner neuen Partnerin in die USA ausreisen. Die Antragstellerin beabsichtige, mit einem tibetischen Lama nach Nepal zu reisen, um dort den Buddhismus zu studieren. Eine Aussicht auf Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft bestehe nicht.

II. Das Rechtsmittel ist statthaft gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO sowie form- und fristgerecht eingelegt. Es bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das AG hat zu Recht die Erfolgsaussicht eines Scheidungsantrags zum gegenwärtigen Zeitpunkt verneint.

1. Nach § 1565 Abs. 1 Satz 1 BGB kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist nach Satz 2 der Vorschrift gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.

Diese Voraussetzungen sind nach dem Vortrag der Antragstellerin gegeben. Sie sind eine zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für einen Scheidungsantrag zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Die Scheidung setzt nach § 1565 Abs. 2 BGB - über das Scheitern der Ehe hinaus - grundsätzlich ein einjähriges Getrenntleben der Eheleute voraus (BGH FamRZ 1979, 469; Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 5. Aufl. 2010, § 1565 BGB Rz. 51).

2a) Da die Ehegatten jedoch noch nicht ein Jahr getrennt leben, kann die Ehe gem. § 1565 Abs. 2 BGB nur geschieden werden, wenn ihre Fortsetzung für die Antragstellerin aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine "unzumutbare Härte" darstellen würde. An die Ausfüllung dieses Begriffs sind strenge Anforderungen zu stellen (OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 286), was schon aus der doppelten Einschränkung "unzumutbar" und "Härte" folgt (Neumann in Beck'scher Online-Kommentar, Hrsg: Bamberger/Roth, - Stand 1.1.2008 - § 1565 BGB Rz. 26). Die Vorschrift soll als Ausnahmetatbestand eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres zwar nicht verhindern, aber regelmäßig erschweren (Neumann, a.a.O.; vgl. dazu auch OLG Düsseldorf FamRZ 1993, 809).

Fehlt ein solcher Härtegrund, ist das erste Trennungsjahr auch dann abzuwarten, wenn das Scheitern der Ehe feststeht (Johannsen/Henrich/Jaeger a.a.O. unter Hinweis auf BGH FamRZ 1981, 127,129). Nur dann, wenn die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft vor Ablauf des Trennungsjahres aufgrund schwerwiegender Umstände als ausgeschlossen angesehen werden kann, ist ein vorzeitiges Scheidungsbegehren weder missbräuchlich noch leichtfertig (OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 286). Es geht also nicht darum, dass die Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft als solche n...

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