Leitsatz (amtlich)

1. Zivilrechtliche Streitigkeiten, deren Streitgegenstand Verpflichtungen des Netzbetreibers nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz bilden (hier: Anschluss am günstigsten Verknüpfungspunkt), sind keine solchen, für die die ausschließliche sachliche Zuständigkeit der LG nach dem Energiewirtschaftsgesetz besteht.

2. (Fehlende) Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses wegen Verstoßes gegen das Gebot rechtlichen Gehörs und Verkennung des Klagegrunds.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; BV Art. 91 Abs. 1; EEG § 5 Abs. 1 Fassung: 2011-07-28; EnWG §§ 17, 102, 108; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281

 

Verfahrensgang

AG Regensburg (Aktenzeichen 11 C 2105/14)

AG Eggenfelden (Aktenzeichen 1 C 881/13)

LG Landshut (Aktenzeichen 52 O 2372/14 (52 O 832/14))

 

Tenor

Sachlich und örtlich zuständig ist das AG Regensburg.

 

Gründe

I. Mit ihrer Klage vom 16.12.2013 zum AG Eggenfelden (1 C 881/13) begehrt die im Amtsgerichtsbezirk Passau wohnhafte Klägerin von der Beklagten, einem in Regensburg ansässigen Stromversorger, unter Hinweis auf § 5 Abs. 1 EEG (in der bis 31.7.2014 geltenden Fassung) Auskunft über die Netzanschlusskosten für die Photovoltaikanlage (im folgenden: PV-Anlage) auf einem Anwesen in Dietersburg (Amtgerichtsbezirk Eggenfelden). Dem zugrunde liegen unterschiedliche Ansichten über die Zuweisung eines bestimmten Kabelverteilers nach Maßgabe der in der vorgenannten Norm aufgestellten Kriterien. Die Beklagte rügte unter Hinweis auf §§ 102, 108 EnWG die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Die Klägerin brachte dazu vor, dass die Streitigkeit keine solche aus dem EnWG sei, sondern dem EEG entstamme. Dafür sei die sachliche Zuständigkeit des AG gegeben.

Auf den hilfsweise gestellten Verweisungsantrag erklärte sich das AG Eggenfelden mit Beschluss vom 24.3.2014 für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das LG Landshut. Es begründete dies mit dem Vorliegen einer Rechtsstreitigkeit im Zusammenhang mit § 17 EnWG.

Das LG Landshut (Az. 52 O 832/14) hielt sich für örtlich unzuständig, weil die Auskunftspflicht am Sitz des Schuldners zu erfüllen sei. Auch hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit sei es nicht gebunden, weil das AG sich unter Verkennung des Klägervortrags auf §§ 17, 102, 108 EnWG gestützt habe, jedoch die Klage ihre Grundlage in § 5 Abs. 1 EEG finde. Auf dieser Grundlage würden jedoch die allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften von ZPO und GVG gelten. Auf den gerichtlichen Hinweis vom 14.7.2014 stellte die Klägerin Verweisungsantrag an das AG Regensburg, worauf sich das LG Landshut am 4.8.2014 für sachlich und örtlich unzuständig erklärte und den Rechtsstreit an dieses Gericht verwies.

Das AG Regensburg (Az. 11 C 2105/14) lehnte mit Beschluss vom 22.8.2014 die Verfahrensübernahme ab. Die Weiterverweisung sei unzulässig. Zwar sei das LG Regensburg in der Frage seiner örtlichen Zuständigkeit durch den Beschluss des AG Eggenfelden nicht gebunden; jedoch bestehe (grundsätzliche) Bindung hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit. Fehlende Bindung insoweit müsse zunächst im Verhältnis dieser beiden beteiligten Gerichte geklärt werden. Allenfalls käme unter dem Gesichtspunkt fehlender örtlicher Zuständigkeit eine Weiterverweisung in Betracht, dann aber an das LG Regensburg.

Mit Beschluss vom 6.1.2015 - Eingang 29.1.2015 - hat das LG Landshut den Rechtssteit zur Bestimmungsentscheidung dem OLG München vorgelegt.

II. Auf die Vorlage nach § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 und § 37 ZPO ist die sachliche und örtliche Zuständigkeit des AG Regensburg auszusprechen. Dieses ist an den willkürfreien Beschluss des LG Landshut vom 4.8.2014 gebunden und darf deshalb die Übernahme des Rechtsstreits nicht abzulehnen. Das LG Landshut war seinerseits im Ergebnis nicht gehindert, sich nicht nur örtlich, sondern auch sachlich für unzuständig zu erklären. Denn der Beschluss des AG Eggenfelden vom 24.3.2014 band insoweit - ausnahmsweise - nicht.

1. Mit den Beschlüssen vom 24.3.2014 und vom 4.8.2014 liegt eine - verbindliche - Kompetenzleugnung zweier als sachlich zuständig in Betracht kommender Gerichte vor. Dies eröffnet den Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (siehe nur Zöller/Vollkommer ZPO 30. Aufl. § 36 Rn. 24 f. m.w.N.).

2. Gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind Verweisungsbeschlüsse im Interesse der Prozessökonomie und zur Vermeidung von verfahrensverzögernden Zuständigkeitsstreitigkeiten unanfechtbar. Demnach entziehen sich auch ein sachlich zu Unrecht ergangener Verweisungsbeschluss und die diesem Beschluss zugrunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung (st. Rspr.; BGHZ 102, 338/340; BGH NJW 2002, 3634/3635; Zöller/Greger § 281 Rn. 16).

Die Bindungswirkung entfällt indessen, wenn der ergangene Beschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann (BGH NJW 2002, 3634/3635; Zöller/Greger § 281 Rn. 17 m.w.N.). Dies ist der Fall, wenn er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. Beispiele hierfür bilden ...

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