Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsvollstreckung. Einstellung. sofortige Beschwerde. Unterhalt. vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung
Leitsatz (amtlich)
1. Entscheidungen über die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus Titeln über laufende Unterhaltsrenten sind von so weitreichender Bedeutung, daß auf die Offenlegung der maßgebenden Gründe für die Entscheidung nicht verzichtet werden kann.
2. Eine nicht begründete Entscheidung nach 769 ZPO ist daher regelmäßig als greifbar gesetzeswidrig anzusehen und daher mit der sofortigen Beschwerde nach 793 ZPO anfechtbar. Nach Aufhebung der Erstentscheidung ist das Verfahren an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
Normenkette
ZPO §§ 769, 793
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Beschluss vom 24.10.1997; Aktenzeichen 2 F 101/97) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Karlsruhe vom 24.10.1997 (2 F 101/97) aufgehoben.
2. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung – auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens – an das Amtsgericht zurückverwiesen.
3. Der Beschwerdewert wird auf 1.392,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Beklagte ist der Vater der am 17.04.1979 ehelich geborenen Klägerin. Mit gerichtlichem Vergleich vom 02.08.1994 (abgeschlossen vor dem Amtsgericht Karlsruhe, 2 F 226/93) hat sich der Beklagte verpflichtet, an die Klägerin einen monatlichen Unterhalt von 580,00 DM zu zahlen (§ 1 des Vergleichs). Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin Stufenklage auf Auskunftserteilung über das Einkommen des Beklagten und Zahlung von Unterhalt erhoben; hinsichtlich des geltend gemachten Auskunftsanspruchs ist ein Teilanerkenntnisurteil ergangen, den Leistungsanspruch hat die Klägerin noch nicht beziffert. Im Wege der Widerklage hat der Beklagte beantragt, den Vergleich dahingehend abzuändern, daß der Unterhaltsanspruch in Wegfall kommt.
Auf Antrag des Beklagten hat das Amtsgericht mit nicht begründetem Beschluß vom 24.10.1997 die Zwangsvollstreckung aus § 1 des genannten Vergleichs hinsichtlich der ab September 1997 fällig werdenden Unterhaltsansprüche einstweilen ohne Sicherheitsleistung eingestellt. Gegen diesen ihr am 05.11.1997 zugestellten Beschluß hat die Klägerin mit am 18.11.1997 eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt mit der Begründung, ein Wegfall der Unterhaltsleistungen sei für sie existenzbedrohend. Weshalb die Einstellung der Zwangsvollstreckung erfolgt sei, könne von ihr nicht nachvollzogen werden, da der Beschluß vom 24.10.1997 keine Begründung enthalte. Der Beklagte hat sich hierzu nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nach §§ 793, 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO zulässig und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
1. Bei der Abänderungsklage kann das Prozeßgericht entsprechend § 769 ZPO eine vorläufige Anordnung wegen der Zwangsvollstreckung treffen (Zöller/Herget, ZPO, 20. Aufl., § 769 Rn. 1 m.w.N.).
2. Ob und inwieweit entsprechend § 769 ZPO ergangene Entscheidungen anfechtbar sind, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. zum Meinungsstand Zöller/Herget, a.a.O., Rn. 13). Nach der herrschenden Meinung, der sich der Senat angeschlossen hat (FamRZ 1993, 225 f), ist die sofortige Beschwerde gem. § 793 ZPO nur zulässig, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer greifbaren Gesetzesverletzung beruht, insbesondere die objektiven Voraussetzungen für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung zu Unrecht angenommen bzw. verneint wurden oder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens verkannt worden sind bzw. das Gericht sein Ermessen überhaupt nicht ausgeübt hat. In allen anderen Fällen wird die Entscheidung in entsprechender Anwendung von § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO als unanfechtbar angesehen.
3. Die vorliegende, nicht begründete Entscheidung des Amtsgerichts ist als greifbar gesetzeswidrig anzusehen und deshalb aufzuheben.
a) Nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der sich der Senat angeschlossen hat, sind Entscheidungen nach § 769 ZPO zu begründen (Zöller/Herget, a.a.O., § 769 Rn. 6 m.w.N.; Senat a.a.O.).
b) Der Verstoß gegen die Begründungspflicht ist auch so gravierend, daß er zur Aufhebung der Entscheidung führt. Entscheidungen über die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus Titeln über laufende Unterhaltsrenten sind – anders etwa als Einstellungsentscheidungen, die eine einmalige Zahlung betreffen – für die Parteien von weitreichender Bedeutung: Auf Seiten des Unterhaltsgläubigers kann die Ablehnung der Einstellung bei späterem Durchgreifen des Entreicherungseinwands zum Verlust des auf § 812 BGB gestützten Rückzahlungsanspruchs führen; wird dem Einstellungsantrag andererseits stattgegeben, gerät der Unterhaltsberechtigte unter Umständen in wirtschaftliche Not. Da Einstellungsentscheidungen in Unterhaltssachen derartig gravierende Auswirkungen haben, kann auf die Offenlegung der maßgebenden Gründe für die Entscheidung nicht verzichtet werden. Denn ohne Begründung der Entscheidung kann eine Partei nicht feststel...