Entscheidungsstichwort (Thema)

Dringlichkeitsschädliches Warten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die im Rahmen von § 12 Abs. 2 UWG zu beantwortende Frage, ob der Verletzte seine Ansprüche mit dem erforderlichen Nachdruck verfolgt hat, bedarf es einer zusammenfassenden Würdigung aller maßgeblichen Umstände. Dabei kann eine Rechtsdurchsetzung auch dann zögerlich - und damit dringlichkeitsschädlich - sein, wenn zwar weder die einzelnen Maßnahmen noch die jeweils hierfür gesetzten Fristen isoliert betrachtet zu beanstanden sind, diese im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aber erkennen lassen, dass dem Verletzten die Durchsetzung seiner Rechte nicht wirklich eilig ist.

2. Dies gilt insb. dann, wenn der Verletzte selbst z.B. durch ein nicht auf das Tagesende, sondern nach Stunden auf die Tagesmitte gelegtes Fristende ("12.00 Uhr") dem Verletzer den Eindruck vermittelt, selbst bei einer geringfügige Fristüberschreitung könnten die angedrohten gerichtlichen Maßnahmen unter Umständen noch am selben Tag eingeleitet werden.

 

Normenkette

UWG § 12 Abs. 2; ZPO §§ 935, 940

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 11.10.2006; Aktenzeichen 308 O 487/06)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 23.10.2006 wird der Beschluss des LG Hamburg, Zivilkammer 8, vom 11.10.2006 abgeändert.

Die Kosten des Verfügungsverfahrens trägt die Antragstellerin

Sie hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert entspricht den in erster Instanz entstandenen Kosten.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache auch begründet. Der Senat teilt die Auffassung des LG nicht, das dem Antragsgegner die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt hatte. Denn dem Verfügungsantrag vom 21.7.2006 mangelt es an dem erforderlichen Verfügungsgrund. Die Voraussetzungen für eine einstweilige Regelung in einem Eilverfahren gem. §§ 940, 935 ZPO lagen nicht vor. Die einstweilige Verfügung vom 24.7.2006 hätte auf der Grundlage des Vorbringens der Antragstellerin nicht zu Lasten des Antragsgegners ergehen dürfen. Der Verfügungsantrag wäre ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung abzuweisen gewesen. Dementsprechend entspricht eine Kostenbelastung des Antragsgegners im Rahmen von § 91a ZPO weder dem voraussichtlichen Verlauf des Rechtsstreits noch der Billigkeit. Vielmehr hat die Antragstellerin die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

1. Der für die Anspruchsdurchsetzung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erforderliche Verfügungsgrund liegt nicht vor.

a) Für die Frage, ob ein Verfügungsgrund besteht, kommt es nach der Rechtsprechung des Senats nicht entscheidend darauf an, ob das beanstandete Verhalten noch innerhalb bestimmter Dringlichkeitsfristen liegt. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Partei das Verfahren mit dem nötigen Nachdruck verfolgt und damit im Rahmen der §§ 935, 940 ZPO ihr Interesse an einer dringlichen Rechtsdurchsetzung in einem Eilverfahren dokumentiert, ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung ihres vorprozessualen und prozessualen Verhaltens geboten. Eine isolierte Betrachtung einzelner Verfahrensabschnitte ohne Rücksicht auf vorangegangenes und nachfolgendes - zeitverzögerndes - Verhalten verfehlt die diesen Vorschriften zugrunde liegende gesetzliche Intention. Eine sachgerechte, am Gesetzeszweck ausgerichtete Anwendung dieser Vorschriften erfordert deshalb eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Gesamtwürdigung, bei der bestimmte Zeiträume allenfalls eine absolute Obergrenze für dringliches Verhalten bilden, aber nicht dazu führen, dass sich ein Handeln im Rahmen dieser Fristen stets oder im Regelfall als nicht dringlichkeitsschädlich darstellt. Diese Grundsätze gelten im Übrigen nicht nur im Rahmen von §§ 935, 940 ZPO, sondern entsprechen auch bei der Frage einer etwaigen Selbstwiderlegung der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ständiger Rechtsprechung des Senats (Senat OLGRep 06, 683 - Tarif-Stress). Hieran sind auch die an das Verhalten der Antragstellerin zu stellenden Anforderungen zu messen.

b) Die Antragstellerin hatte nach eigener Darstellung (erst) am 30.5.2006 vollständige Kenntnis derjenigen Tatsachen, die ihr eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ermöglicht hätte. Die Antragstellerin hat daraufhin den Antragsgegner am 9.6.2006 - und damit erst 10 Tag nach Kenntnisnahme - anwaltlich unter einer Fristsetzung von ca. 2 ½ Wochen bis zum 26.6.2006 abmahnen lassen (Anlage ASt5). Eine Frist von dieser Länge bewegt sich bereits im obersten Bereich derjenigen Zeitläufe, die das Interesse an einer dringlichen Rechtsdurchsetzung zu dokumentieren geeignet sind. Die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin hatten dem Antragsgegner mit der Fristsetzung zum 26.1.2006 ausdrücklich angekündigt, nach fruchtlosem Verstreichen dieser Frist ihrer Mandantin die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe zu empfehlen. Der besonderen Eilbedürftigkeit ihres Verlangens hatte die Antragste...

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