Leitsatz (amtlich)

Zur fachgerechten Beratung des Steuerberaters im Hinblick auf eine Betriebsaufspaltung.

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 17.02.2004; Aktenzeichen 4 O 270/02)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.03.2008; Aktenzeichen IX ZR 104/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 17.2.2004 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Klägern einen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihnen aus der fehlerhaften Beratung im Rahmen der Errichtung und Verpachtung des Objekts ...-Straße ..., O1 dadurch entsteht, dass das Finanzamt O2 eine Betriebsaufspaltung in der

Verflechtung mit der A GmbH, dem Einzelunternehmen B und Herrn B sieht.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus diesem Urteil für die Kläger vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des Betrages leisten, dessen Vollstreckung sie betreiben.

 

Gründe

Wegen der Feststellung wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 158 ff. d.A.) verwiesen.

Die Kläger verfolgen mit ihrer Berufung den erstinstanzlich gestellten Feststellungsantrag weiter. Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie den erstinstanzlichen Vortrag. Zusätzlich legen sie zwei Schreiben des Beklagten vor: Im Schreiben vom 18.7.2000 an den Erblasser der Kläger, seinen früheren Mandanten B (Bl. 190 d.A.) führte der Beklagte aus:

"Unabhängig hiervon möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass nach meiner persönlichen Auffassung ein Haftpflichtfall nicht in Betracht kommen kann, weil eine Betriebsaufspaltung nicht vorliegt."

Die Versicherung des Beklagten schrieb an den Prozessbevollmächtigten der Kläger unter dem 2.3.2001 (Bl. 191 d.A.):

"Fraglich ist bereits das Vorliegen einer schuldhaften Berufspflichtverletzung. Unser Versicherungsnehmer ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Betriebsaufspaltung nicht vorliegen."

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil abzuändern und wie erkannt zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft ebenfalls sein erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen des Weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze (des Klägers: 14.6.2004, Bl. 185 d.A. und 13.4.2005, Bl. 249 d.A.; des

Beklagten: 14.9.2004, Bl. 201 d.A. und 5.4.2005, Bl. 235 d.A., sowie - nach Schluss der mündlichen Verhandlung - 2.5.2005, Bl. 257 d.A.) verwiesen.

Das Berufungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 18.4.2005 den Beklagten zu seinem oben wiedergegebenen Schreiben befragt. Wegen seiner Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 252 d.A.) verwiesen.

Die zulässige Berufung ist begründet.

1. Entgegen dem angefochtenen Urteil des LG ist das Berufungsgericht davon überzeugt, dass der Beklagte keine pflichtgemäße Beratung des Erblassers zu dem Problem der Betriebsaufspaltung geleistet hat.

Der Beklagte war - als Steuerberater sowohl von B persönlich als auch der von ihm beherrschten A-GmbH - aus beiden Mandaten verpflichtet, den Erblasser hinsichtlich der Gestaltung des Verhältnisses zwischen seiner Firma und sich selbst als Privatmann bei der Vermietung der streitgegenständlichen Gewerbeimmobilie zutreffend zu beraten. Nachdem im Laufe der achtziger Jahre die Finanzbehörden mehr und mehr dazu übergingen, in der Vermietung einer Gewerbeimmobilie durch den Mehrheitsgesellschafter als natürliche Person an seine Gesellschaft eine "unechte Betriebsaufspaltung" zu sehen, musste der Beklagte bei seiner Beratung diesem wirtschaftlich bedeutsamen Aspekt seiner beiden Mandate besondere Aufmerksamkeit widmen. Das Berufungsgericht teilt nicht die Auffassung des LG (S. 7 unten und 8 oben der landgerichtlichen Urteilsbegründung), dass es von dem Beklagten angesichts der "schleichenden" Änderung der Praxis der Finanzbehörden und der finanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht zu verlangen gewesen sei, rechtzeitig auf die Notwendigkeit einer Änderung hingewiesen zu haben. Im Gegenteil war von dem Beklagten im Hinblick auf die intensive fachliche Diskussion der "unechten Betriebsaufspaltung" ein frühzeitiges Reagieren gerade gefordert. Das Berufungsgericht verweist für die Diskussion der im Fluss befindlichen Handhabung der "unechten Betriebsaufspaltung" beispielhaft auf den Beschluss des BVerfG vom 12.3.1985, NJW 1985, 2939 ff., auf den grundlegenden Aufsatz von Barth in "Der Betrieb" 1985, 510 ff., auf die Darstellung der damals neuesten Rechtsprechung in den von dem Beklagten dem Erblasser übergebenen Gutachten des Instituts C (Bl. 33 ff. d.A.) und schließlich auf das Urteil des 10. Senats des BFH vom 26.5.1993 (veröffentlich in Betriebsberater 1993, 1784 f.), in dem der BFH seine bisherige Rechtsprechung zur sachlichen Verflechtung endgültig aufgegeben hat. Durch die gravierenden Folgen, die sich aus einer Einstufung einer ...

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