Leitsatz (amtlich)
- Die Beweislastumkehr des § 476 BGB ist auch beim Kauf gebrauchter Sachen, insbesondere von Kraftfahrzeugen im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufes anwendbar.
- § 476 BGB beinhaltet lediglich eine Beweiserleichterung dafür, dass ein innerhalb der Sechsmonatsfrist festgestellter Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag, nicht jedoch für das Vorliegen eines Mangels als solchen. Für das Vorliegen des Mangels verbleibt es vielmehr bei der vollen Beweislast des Käufers.
- § 476 BGB greift nicht, wenn es sich bei der als Mangel gerügten Beeinträchtigung um gewöhnlichen Verschleiß und Alterung handelt, da in einem solchen Fall kein Sachmangel vorliegt.
- Der Umstand, dass der Mangel auf einen Bedienungsfehler zurückzuführen ist, der auch bereits vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer eingetreten sein kann, steht der Vermutung des § 476 BGB nicht entgegen. Der Einwand des Verkäufers, der Käufer habe den Mangel durch einen Bedienungsfehler selbst verursacht, ist nur dann erheblich, wenn der Verkäufer zum einen behauptet, durch diesen Bedienungsfehler sei der angeblich vertragswidrige Zustand alleine verursacht worden und zum anderen die angeblich unsachgemäße Behandlung nicht auch vor Auslieferung des Fahrzeuges an den Käufer, dann durch einen Dritten oder den Verkäufer selbst, erfolgt sein kann.
Normenkette
BGB §§ 434, 476
Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 21.03.2014; Aktenzeichen 1 O 137/13) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Duisburg vom 21.03.2014, Az. 1 O 137/13 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen. Im Hinblick auf die Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der in diesem Rechtszug gewechselten Schriftsätze und wegen des Ergebnisses der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme auf das Sitzungsprotokoll vom 24.03.2015 Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Die Klägerin war nicht gemäß § 437 Nr. 2 i.V.m. §§ 440, 323, BGB berechtigt, von dem mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrag zurückzutreten.
Es kann nicht zu Gunsten der Klägerin festgestellt werden, dass der verkaufte Smart bei Gefahrübergang am 13.04.2012 einen Mangel im Sinne des § 434 BGB aufwies.
Das Vorliegen eines solchen Mangels bereits bei Gefahrübergang kann nicht gemäß § 476 BGB vermutet werden.
Zwar handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag um einen Verbrauchsgüterkauf, auf den die Beweislastumkehr des § 476 BGB anwendbar ist. Diese gilt auch für gebrauchte Sachen, insbesondere Kraftfahrzeuge (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 71. Auflage, § 476 Rn. 3 m.w.N.; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Auflage Rn. 3309).
§ 476 BGB beinhaltet jedoch lediglich eine Beweiserleichterung dafür, dass ein innerhalb der Sechsmonatsfrist festgestellter Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag, nicht jedoch für das Vorliegen eines Mangels als solchen (vgl. BGH NJW 2004, 2299, zit. nach juris; BGH NJW 2007, 2621). Für das Vorliegen eines Mangels verbleibt es vielmehr bei der vollen Beweislast des Käufers (vgl. Lorenz in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage, § 476 Rn. 24). Er hat eine Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit zu seinem Nachteil nachzuweisen (vgl. Reinking/Eggert Rn. 3312). Erst wenn es dem Käufer gelingt, diesen Beweis zu führen, ist es am Verkäufer, alle relevanten Umstände darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, die gegen die Vermutung sprechen, weil diese mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist (vgl. MüKo/Lorenz a.a.O.).
Der Klägerin ist der Beweis eines Mangels im Sinne des § 434 BGB nicht gelungen.
Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinne ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Voraussetzung für die Durchbrechung der Bindungswirkung ist, dass das Ersturteil nicht überzeugt. Dies ist der Fall, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Falle der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. BGH, B. v. 08.02.2011, VIII ZR 108/08; BGH, U. v. 18.10.2005, VI ZR 270/04, BGH, U. v. 12.03.2004, V ZR 257/03, alle zit. nach juris).
Zutreffend, und von der Berufung nicht angegriffen, ist das LG auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen davon ausgegangen, dass an drei ...