Leitsatz (amtlich)
1. Den Anforderungen an die Darlegung des Berufsbildes als Voraussetzung für einen Anspruch aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung ist bei einem Lagerarbeiter jedenfalls Genüge getan, wenn sich aufgrund einer Beschreibung mit Stichpunkten und Schlagworten jeder Dritte die Tätigkeit unschwer vorstellen kann; der Aufgliederung nach Art eines Stundenplans bedarf es hier nicht.
2. Weist das Gericht erstmals in der mündlichen Verhandlung auf eine nach seiner Auffassung unzureichende Darlegung des Berufsbildes hin, hat es auch dem persönlich geladenen Antragsteller ein Schriftsatzrecht einzuräumen oder die Verhandlung zu vertagen, wenn eine sofortige Äußerung nach den konkreten Umständen nicht erwartet werden kann.
3. Eine umfangreiche Beweisaufnahme, die eine Aufhebung und Zurückverweisung rechtfertigt, liegt jedenfalls dann vor, wenn feststeht, dass im Anschluss an eine Zeugenvernehmung zum Berufsbild in jedem Fall die Einholung eines oder mehrerer Sachverständigengutachten erforderlich sein wird.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 1411/18) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 11.9.2018 - 3 O 1411/18 - aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 72.060,03 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits - Zusatzversicherung. Mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten hat er zum 01.06.1995 eine Lebensversicherung unter Einschluss einer Berufsunfähigkeits - Zusatzversicherung abgeschlossen, die Rentenleistungen bis zum 01.06.2029 vorsieht. Die Bedingungen der Beklagten sehen u.a. folgendes unter § 2 vor:
1. Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.
...
3. Ist der Versicherte sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande gewesen seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund einer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht, so gilt dieser Zustand von Beginn an als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit.
Leistungen werden von der Beklagten erbracht, wenn der Versicherte mindestens 50 % berufsunfähig ist. Psoriasis und allergisch bedingte Erkrankungen der Atemwege sind bei der Berufsunfähigkeits - Zusatzversicherung vom Versicherungsumfang ausgeschlossen. Der am 27.03.1969 geborene Kläger hat den Beruf eines Instandhaltungsmechanikers erlernt und war zuletzt auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 01.01.2000 bei der Firma xxx KG in O. als Produktionsmitarbeiter (Lagerarbeiten) beschäftigt.
Bereits in der Klageschrift hat er behauptet, im Rahmen dieser Tätigkeit Lkws be- und entladen, entladenes Material und Leergut sortiert und für die Produktion bereitgestellt, Kundenware für die Verladung bereitgestellt und Waren an Kunden ausgegeben zu haben. Dies sei in Hand- und Staplerarbeit geschehen. Die Staplerarbeit habe einen täglichen Umfang von 4,5 Stunden, die Handarbeit von 3 Stunden gehabt. Des Weiteren seien Computerarbeiten und Telefonate in einem Umfang vom 0,5 Stunden täglich angefallen und zusätzlich Reinigungsarbeiten. Es liege bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vor, weil er mehr als sechs Monate ununterbrochen seit dem 10.02.2016 außerstande sei, seinen Beruf als Instandhaltungsmechaniker sowie als Produktionsmitarbeiter auszuführen. Er leide an einem sekundär somatoformen Schwindel nach "stattgehabtem Lagerungsschwindel" und an einem HWS-Syndrom sowie an Tinnitus aurium.
Die Klageerwiderung, in der die Beklagte diese Behauptungen bestritten und die Darstellung seines Berufsbildes als unschlüssig gerügt hat, ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 15.8.2018 zugestellt worden. Seinen in der mündlichen Verhandlung vom 21.8.2018 gestellten Antrag, ihm hierzu ein Schriftsatzrecht einzuräumen, hat das Landgericht abgelehnt und zugleich ausweislich des Protokolls darauf hingewiesen, es sei nicht Aufgabe der mündlichen Verhandlung "vollständig fehlenden Vortrag durch den Kläger bewirken zu lassen". Es hat sodann den Kläger zu seiner in gesunden Tagen zuletzt ausgeübten Tätigkeit angehört, einen Verkündungstermin anberaumt und nachfolgend die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Vortrag des Klägers zu seinem Berufsbild sei schon deshalb unschlüssig, weil er nicht einmal dargelegt habe, auch keine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 Nr. 1 BBUZ mehr ...