Leitsatz (amtlich)

1. Einem Wohnungseigentümer ausländischer Herkunft ist es regelmäßig zumutbar, die Kabelanlage statt einer Satellitenempfangsanlage zu nutzen, wenn auf diese Weise Zugang zu mehreren Programmen in der Sprache seines Herkunftlandes besteht.

2. Die Errichtung einer Parabolantenne stellt - unabhängig von einem Eingriff in die Gebäudesubstanz - eine bauliche Veränderung dar.

3. Das Recht der Wohnungseigentümer zur eigenverantwortlichen Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen würde durch eine gerichtliche Entscheidung ohne Vorbefassung der Wohnungseigentümerversammlung mit dem Entscheidungsgegenstand unterlaufen.

4. Die Wohnungseigentümer können aufgrund ihrer autonomen Beschlusszuständigkeit auch erneut über eine schon geregelte Angelegenheit beschließen.

 

Normenkette

WEG §§ 14, 22; GG Art. 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 12.04.2006; Aktenzeichen 6 T 121/05)

AG Hameln (Aktenzeichen 21 II 40/05 WEG)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers vom 10.5.2006 gegen den am 26.4.2006 zugestellten Beschluss der 6. Zivilkammer des LG Hannover vom 12.4.2006 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des weiteren Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsteller auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten bilden die im Rubrum näher bezeichnete Wohnungseigentümergemeinschaft, zu der auch der Antragsteller gehört, der türkischer Herkunft ist und sein Wohnungseigentum selbst bewohnt. Die Beteiligten streiten um die Berechtigung des Antragstellers zur Errichtung einer Parabolantenne. Der Antragsteller hat das Begehren, einen Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 25.5.2005 für unwirksam zu erklären und die Wohnungseigentümer zu verpflichten, ihm die Erlaubnis zu erteilen, in der Loggia oder auf den Dach des Hauses Teichstr. 24 in Hameln, das an ein Breitbandkabelnetz angeschlossen ist, eine Satellitenantenne aufzustellen.

Die Wohnungseigentümerversammlung hatte mit bestandskräftig gewordenen Beschlüssen aus den Jahren 2002 und 2003 geregelt, dass an den Gebäuden angebrachte nicht genehmigte "Sat-Antennen" zu entfernen seien.

Der Antragsteller wurde durch - mittlerweile rechtskräftigen - Beschluss des AG Hameln vom 18.8.2004 (21/12 II 31/04) verpflichtet, die in der Loggia vor seinem Sondereigentum installierte Satelliten-Empfangsanlage zu entfernen. Die Loggia steht ebenfalls im Sondereigentum des Antragstellers.

In der Wohnungseigentümerversammlung vom 25.5.2005 ist der Antragsteller mit seinem Antrag "auf Genehmigung einer Sat Anlage auf dem Dach" des von ihm bewohnten Hauses unterlegen. Der Antrag wurde mit Beschluss zu Punkt 8 der Tagesordnung mit 22 Nein-Stimmen zu 12 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Einen Antrag auf Erlaubnis zur Installation der Antenne in der Loggia hat der Antragsteller nicht gestellt.

Die von dem Antragsteller zu errichtende Parabolantenne soll den Empfang spezieller seriöser Nachrichtensender in türkischer Sprache wie CNN-Türk, NTV-Türk und Haber-Türk ermöglichen. Die Betreiberin der Kabelgesellschaft bietet für die Adresse des Antragstellers ein sog. Paket "Kabel Digital Türkisch Basic" an, mit dem mittels eines digitalen Zusatz-Decoders sechs türkische Programme gegen ein monatliches Entgelt von 8 EUR empfangen werden können. Darunter befinden sich die Sender ATV Avrupa und STAR TÜRK, die vom Anbieter mit "Wichtiges und Wissenswertes" bzw. "Vollprogramm (...)" beschrieben werden. Reine Nachrichtensender enthält das Angebot der Kabelgesellschaft nicht. Ein Zusatzdecoder zum Empfang von 9 türkischen Sendern kostet 22 EUR.

Mit dem am 24.6.2005 beim AG Hameln eingegangenen Antrag hat der Antragsteller begehrt, den Beschluss vom 25.5.2005 für unwirksam zu erklären und ihm die Erlaubnis zur Aufstellung einer Satellitenantenne mit einem Radius von 50 cm in der Loggia oder auf dem Dach des Hauses Teichstr. 24 in Hameln zu erteilen.

Der Antragsteller hat behauptet, der frühere Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft Meycker habe ihm bei seinem Einzug im Jahr 2000 mündlich die Erlaubnis zur Errichtung einer Parabolantenne erteilt.

Er - der Antragsteller - sei überaus politikinteressiert, weshalb er auf den Empfang der Nachrichtensender angewiesen sei. Weder eine auf dem Dach noch eine in der Loggia angebrachte Parabolantenne verunstalte das Haus.

Der Antragsteller hat die Ansicht vertreten, seine Grundrechte auf Informationsfreiheit und Eigentum aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 14 Abs. 1 GG seien ggü. dem Eigentumsrecht der Antragsgegner vorrangig. Insbesondere könne er nicht auf die Nutzung des Internets verwiesen werden, weil dieses kein Live-Erlebnis biete und die praktische Handhabung kompliziert sei (Hochfahren des PC, Belegung der Telefonleitung etc.). Auch das Kabelangebot könne sein Informationsbedürfnis nicht befriedigen. Die Kosten für das Kabelfernsehen seien ihm zudem nicht zumutbar. Die im Jahr 2000 erteilte Erlaubnis des früheren Verwalters entfalte Bindung...

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