Entscheidungsstichwort (Thema)

Gründung eines Zweckverbandes und Aufgabenübergang auf diesen als "echte" Kompetenzverlagerung kein öffentlicher Auftrag

 

Leitsatz (amtlich)

Die Gründung eines Zweckverbandes und die Übertragung einer Aufgabe auf diesen stellt keinen öffentlichen Auftrag i.S.v. Art. 1 Abs. 2 lit. a der RL 2004/18/EG und i.S.v. § 99 Abs. 1 GWB a.F. dar, wenn eine "echte" Kompetenzverlagerung vorliegt, d.h. dem Zweckverband die mit der verlagerten Kompetenz verbunden Zuständigkeiten übertragen worden sind, er eine eigene Entscheidungsbefugnis innehat und über eine finanzielle Unabhängigkeit verfügt (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 - C-51/15).

 

Normenkette

RL 2004/18/EG Art. 1 Abs. 2 lit. a); GWB § 99 Abs. 1; NKomZG §§ 1-2, 7

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer vom 29. Januar 2013 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer auf 16.114,00 EUR festgesetzt werden.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin und des Beigeladenen zu tragen.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.400.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist ein Unternehmen, das Entsorgungsdienstleistungen erbringt. Sie hat ein Interesse daran, einen Teil der dem beigeladenen Zweckverband obliegenden Entsorgungsdienstleistungen, nämlich den Transport von PPK- Abfällen, selbst zu erbringen.

Die Antragsgegnerin war vor der Gründung des beigeladenen Zweckverbandes nach § 8 Abs. 8 des Gesetzes über die Region H. vom 5. Juni 2001 öffentlichrechtlicher Entsorgungsträger im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes im Gebiet des ehemaligen Landkreises H. Durch Gebietsänderungsvertrag zwischen der Region und der Stadt H. über die Abfallwirtschaft vom 29. November 2002 (ABl. für den Regierungsbezirk H. 2002, 770 ff.) übertrug die Stadt ihre Aufgaben als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger auf die Region. Die Antragsgegnerin und die Stadt H. einigten sich über die Gründung des beigeladenen Zweckverbandes und beschlossen zu diesem Zweck gemeinsam am 19. Dezember 2002 die Verbandsordnung des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Region H. (Amtsblatt für den Regierungsbezirk H. 2002, 766 ff., zuletzt geändert durch Beschluss vom 29. Februar 2016, in der aktuellen Fassung abrufbar unter https://www.xxx.de/fileadmin/Download/Recht_Ordnung/Verbandsordnung_2016.pdf).

Die Verbandsordnung enthält - in ihrer aktuellen Fassung, soweit hier maßgeblich - insbesondere folgende Bestimmungen:

§ 1 (...)

(1) Die Region H. und die Landeshauptstadt H. bilden einen Zweckverband.

(...)

§ 2 (...)

(3) Der Zweckverband ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (...).

§ 4 (...)

(1) Der Zweckverband tritt an die Stelle der Region H. als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger gemäß § 15 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz und § 8 Abs. 8 Regionsgesetz und erhebt Gebühren. Ferner nimmt der Zweckverband die Aufgabe der Vollstreckung für die Region H. im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit wahr.

(2) Der Zweckverband nimmt für die Landeshauptstadt H. in deren Gebiet die Stadtreinigung i.S. des § 52 des Niedersächsischen Straßengesetzes wahr und erhebt Gebühren. Er nimmt für die Landeshauptstadt H. auch die Aufgaben der Reinigung und des Winterdienstes vor städtischen Grundstücken wahr, soweit die Landeshauptstadt H. als Eigentümerin der Grundstücke hierzu nach § 4 Abs. 1 der Satzung über die Straßenreinigung in der Landeshauptstadt H. verpflichtet ist. Der Zweckverband übernimmt ferner für die Landeshauptstadt H. die Beschaffung, die Überwachung, die Instandsetzung, die Aussonderung und den Verkauf der städtischen Kraftfahrzeuge. (...)

(4) Der Zweckverband entsorgt auch Abfälle zur Verwertung. Er kann Verträge mit Dualen Systemen zur Sammlung von Verkaufsverpackungen eingehen und diese Aufgaben auch der Abfallentsorgungsgesellschaft Region H. mbH übertragen.

(5) Der Zweckverband kann sich zur Erfüllung seiner Aufgaben Dritter bedienen und sich an Unternehmen und Einrichtungen beteiligen, die der Erfüllung der Aufgaben des Zweckverbandes dienen.

(6) Der Zweckverband erlässt über die Benutzung seiner öffentlichen Einrichtungen und über die Erhebung von Gebühren, Beiträgen und Kostenerstattungen Satzungen und Verordnungen.

(7) Die Aufgaben des Zweckverbandes werden wie folgt unterschieden:

  • A-Aufgaben sind gemeinsame Aufgaben der beiden Verbandsmitglieder, die sowohl die Abfallentsorgung als auch die Straßenreinigung betreffen (...).
  • B-Aufgaben sind Aufgaben, die nur die Abfallentsorgung betreffen und in die ausschließliche Zuständigkeit der Region H. fallen.
  • C-Aufgaben sind Aufgaben der Straßen- und Gehwegreinigung sowie des Winterdienstes und der Kraftfahrzeugbewirtschaftung nach § 4 Abs. 2.

§ 5 (...)

Die Region H. und die Landeshauptstadt H. bringen in den Verband ihre jeweiligen bisher zur Aufgabenerfüllung der Abfallen...

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