I. Materielle Voraussetzungen der Eheschließung

1. Obligatorische Zivilehe

 

Rz. 1

Das österreichische Recht sieht die obligatorische Zivilehe vor (§ 15 EheG). Sie kommt durch den sog. "Ehevertrag" (§ 44 ABGB) zustande. Voraussetzungen, Abschluss und Form der Eheschließung werden allein vom staatlichen Recht geregelt. Kirchliche Trauungen haben im staatlichen Bereich keine Wirkung, sondern lediglich intern für die Mitglieder der kirchlichen Gemeinschaft. Für Abschluss, Inhalt und Auflösbarkeit des Ehevertrags gelten nicht die allgemeinen Vertragsregeln, sondern Sondervorschriften, die weitgehend zwingenden Charakter haben.[1]

[1] Hinteregger, Familienrecht, S. 29 f.

2. Voraussetzungen der Eheschließung

a) Zwei Personen, unabhängig vom Geschlecht

 

Rz. 2

Im Ehevertrag "erklären zwei Personen gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen,[2] sie zu erziehen und sich gegenseitig Beistand zu leisten" (§ 44 S. 2 ABGB). Mit Erkenntnis vom 4.12.2017[3] hat der Verfassungsgerichtshof die Bestimmung, wonach eine Ehe nur zwischen zwei Personen "verschiedenen Geschlechts" eingegangen werden konnte, wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig aufgehoben.[4] Seit 1.1.2019 können daher neben verschiedengeschlechtlichen auch gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe begründen. Das Rechtsinstitut der eingetragenen Partnerschaft, welches ausschließlich Personen gleichen Geschlechts zur Verfügung gestanden ist und diesen weitgehend die gleiche rechtliche Stellung wie Ehegatten verschafft hat, ist weiterhin in Kraft und seit 1.1.2019 auch für Personen verschiedenen Geschlechts offen[5] (siehe hierzu Rdn 243 ff.).

[2] Siehe zur Frage, ob das Versprechen "Kinder zu zeugen" zu den Ehepflichten gehört, Ferrari in: Schwimann/Kodek, I, § 44 ABGB Rn 2.
[3] G 258–259/2017–9, ÖJZ 2018/47.
[4] Siehe dazu Schoditsch, Gerichte als Gesetzgeber im Familienrecht? ÖJZ 2018, 47. Siehe auch Rdn 243.
[5] In der Lehre wird diese Entscheidung des VfGH, auch wegen seiner nicht sehr überzeugenden Begründung, kritisch betrachtet. Siehe dazu etwa Ruppe, Ehe für alle – Grundrechtejudikatur auf neuen Wegen, JBl 2018, 428; Kathrein/Pesendorfer, Ehe und eingetragene Partnerschaft für alle, Neue Rechtslage ab 1.1.2019, iFamZ 2018, 324; Tritremmel, Baustelle Ehe und eingetragene Partnerschaft, ÖJZ 2020, 197; Benke, Das EPG 2009: Fehlkonzept, Gleichheitsimpuls und offene Baustelle, iFamZ 2019, 28.

b) Ehefähigkeit

 

Rz. 3

Die Ehefähigkeit, als Voraussetzung für das Eingehen der Ehe, ist gegeben, wenn die betroffene Person volljährig und entscheidungsfähig ist (§ 1 Abs. 1 EheG). Es soll nicht mehr auf die Ehegeschäftsfähigkeit ankommen, sondern darauf, ob die heiratswillige Person versteht, was eine Ehe ist, und was es bedeutet, eine solche einzugehen, sowie entsprechend dieser Einsicht handeln kann, wobei hier kein allzu strenger Maßstab anzusetzen ist. Entscheidungsfähigkeit ist gegeben, wenn die betroffene Person den Vorgang der Eheschließung erfassen kann; das Einschätzen der Folgen einer Ehe oder ihre Auflösung ist im Einzelnen nicht erforderlich.[6]

 

Rz. 4

§ 1 Abs. 2 EheG sieht die Möglichkeit vor, eine Person, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, auf ihren Antrag durch das Gericht für ehefähig zu erklären, wenn der künftige Ehepartner volljährig ist und sie für diese Ehe reif erscheint. Trotz Ehefähigkeit verlangt das Gesetz bei Minderjährigen weiterhin die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zur Eingehung der Ehe, die bei ungerechtfertigter Weigerung aber vom Gericht auf Antrag der minderjährigen Person ersetzt werden kann (§ 1 Abs. 2 S. 2 EheG).

[6] ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP 60 f.

c) Keine Eheverbote

 

Rz. 5

Eine Ehe darf nicht geschlossen werden zwischen Blutsverwandten gerader Linie und zwischen voll- oder halbbürtigen Geschwistern, gleichgültig, ob die Blutsverwandtschaft auf ehelicher oder unehelicher Geburt beruht (§ 6 EheG), sowie zwischen einem angenommenen Kind und seinen Abkömmlingen einerseits und dem Annehmenden andererseits, solange das durch die Adoption begründete Rechtsverhältnis besteht (§ 10 EheG). Überdies darf niemand eine Ehe eingehen, solange seine frühere Ehe bzw. eingetragene Partnerschaft nicht für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist (§§ 8, 9 EheG).

d) Form der Eheschließung

 

Rz. 6

Die Verlobten müssen vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen (§ 17 Abs. 1 EheG). Die Abgabe der Ehekonsenserklärung ist formfrei.[7] Diese Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder einer Befristung abgegeben werden (§ 17 Abs. 2 EheG). Der Standesbeamte hat die Verlobten vor zwei Zeugen einzeln und nacheinander zu befragen, ob sie die Ehe miteinander eingehen wollen, und nach Bejahung der Frage auszusprechen, dass sie rechtmäßig verbundene Eheleute sind (§ 18 Abs. 2 PStG). Die Trauung kann auch ohne oder mit nur einem Zeugen vorgenommen werden, wenn beide Verlobte dies wünschen (§ 18 Abs. 3 PStG). Über die Erklärung ist sodann in Anwesenheit der Verlobten und allfälliger Zeugen eine Niederschrift aufzunehmen, die von den Ehegatten, dem Standesbeamten und den allenfalls zugezogenen Zeugen sowie, falls beigezogen, auch von einem Dol...

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