Entscheidungsstichwort (Thema)
Asyl: § 51 AuslG
Verfahrensgang
VG Stade (Urteil vom 25.04.1997; Aktenzeichen 2 A 598/95) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade – Einzelrichter der 2. Kammer – vom 25. April 1997 geändert.
Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 20. Februar 1995 wird insoweit aufgehoben, als die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG auch zugunsten der Beigeladenen festgestellt worden sind.
Die Beigeladenen tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beigeladenen sind nach den Angaben ihrer Mutter albanische Volkszügehörige aus dem jugoslawischen Kosovo. 1995 reisten sie auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten Asylanträge. Mit Bescheid vom 20. Februar 1995 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte ab, stellte jedoch fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Die dagegen erhobene Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten blieb ohne Erfolg. Seine Berufung hat der Senat mit Beschluss vom 14. November 1997 – 13 L 4596/97 – zugelassen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung hat Erfolg. Der Senat hält sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung für entbehrlich; er gibt ihr deshalb durch Beschluss statt (§ 130 a Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Beigeladenen haben keine Anspruch darauf, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt werden. Auch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG sind nicht festzustellen.
Maßgeblich für diese Feststellung des Senats ist die derzeitige Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG), nach der die Beigeladenen im Falle einer Rückkehr in den Kosovo eine politische Verfolgung im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG nicht zu befürchten haben, eine solche vielmehr höchst unwahrscheinlich ist. Hierbei geht der Senat von folgender Lagebeurteilung aus, die allgemeinkundig ist und sich auch aus den von ihm zu berücksichtigenden Erkenntnismitteln ergibt.
Nachdem die Auseinandersetzungen zwischen Albanern und Serben im jugoslawischen Kosovo im Februar/März 1999 sich erheblich verschärft hatten, kam es schließlich zum Krieg, in dem die Nato unter Führung der USA und Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland das Land elf Wochen lang bombardierte, bis Jugoslawien kapituliert und sich (am 3.6.1999) bereit erklärt hatte, das Kosovo zu räumen. Am 10. Juni 1999 befasste sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit dem Kösovo-Problem. Nach seiner Resolution Nr. 1244 (EuGRZ 1999, 362) wurde (weiterhin) eine „substantielle Autonomie und tatsächliche Selbstverwaltung des Kosovo” verlangt sowie die Einrichtung „Internationaler ziviler und Sicherheitspräsenzen” für den Kosovo beschlossen, deren Hauptaufgabe es sein soll, durch Schaffung eines „sicheren Umfelds” die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen in ihre Heimat Kosovo zu ermöglichen. Dabei ist die Einrichtung dieser „Präsenzen” für zunächst ein Jahr vorgesehen; sie verlängert sich jedoch, wenn der Sicherheitsrat nichts anderes beschließt. In Ausführung dieser Resolution („Sicherheitspräsenz”) ist der Kosovo international besetzt worden (KFOR-Truppen), wobei jeweils bestimmten Nationen bestimmte Sektoren zugewiesen worden sind. Als „zivile Präsenz” wurde eine Übergangsverwaltung (UNMIK) eingerichtet mit einem „Übergangsrat” als beratendem Organ. Danach ist davon auszugehen, dass eine serbisch-jugoslawische Staatsmacht im Kosovo nicht mehr existiert. Allerdings ist die Lage damit keineswegs durchweg friedlich. Es kam und kommt weiterhin zu Übergriffen, nunmehr insbesondere der Albaner auf Serben (aber auch umgekehrt) und auf Zigeuner. Solche haben die Beigeladenen indessen für sich nicht zu befürchten
Angesichts dieser Lage, die durch den Ausschluss der früheren (jugoslawisch-serbischen) Herrschaftsmacht im Kosovo gekennzeichnet ist, ist die Annahme, dass die Beigeladenen im Falle einer Rückkehr in den Kosovo als Albaner einer Gruppenverfolgung (BVerwGE 70, 332; 85, 139; 101, 134; 105, 204; BVerfGE 83, 216/231 ff.) unterliegen würden, ausgeschlossen. Denn Verfolgung im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG oder § 51 Abs. 1 AuslG ist nur eine politisch bedingte, d.h. eine (unmittelbare oder mittelbare) staatliche Verfolgung. Eine solche setzt eine entsprechende Herrschaftsgewalt des Verfolgerstaates voraus (BVerfGE 80, 315/340; BVerwGE 95, 42). Diese besteht derzeit im Kosovo nicht, soweit es den Gesamtstaat Jugoslawien betrifft, und ist auf absehbare Zeit (BVerwGE 68, 106/109; BVerwG, Urt. v. 3.12.1985 – 9 C 22/85 –, NVwZ 1986, 760) auch nicht zu erwarten. Soweit es um Übergriffe seitens serbischer „Zivilpersonen” geht, gibt es zunächst keinen Anhalt dafür, dass die Beigeladenen davon betroffen sein sollten. Im Übrigen wären solche nicht dem tatsächlichen Machthaber, der UNMIK-Verwaltung, zuzurechnen,...