Leitsatz

Die Zeugnissprache ist ein unübersichtliches Minenfeld für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Vielfach suchen Arbeitgeber den Ausweg aus diesem Dilemma in "Geheimcodes". Ebenso häufig sind Arbeitnehmer aber auch übertrieben misstrauisch gegenüber gut gemeinten Formulierungen. Dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer kennenlernte, ist an sich noch nichts Negatives.

 

Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer war beim Arbeitgeber knapp 3 Jahre beschäftigt gewesen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilte der Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis mit insgesamt guter Leistungsbewertung. Das Zeugnis enthielt u.a. den Satz:

"Wir haben Herrn … als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennengelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte."

Der Arbeitnehmer klagte gegen das Zeugnis und wollte eine Änderung erzwingen. Er war der Ansicht, dass die Formulierung "kennengelernt" in der Berufswelt überwiegend negativ verstanden werde. Der Arbeitgeber bringe hierdurch verschlüsselt zum Ausdruck, dass gerade das Gegenteil der Aussage im Zeugnis zuträfe, der Arbeitnehmer also desinteressiert und unmotiviert gewesen sei.

Der Arbeitnehmer verlor den Prozess in allen Instanzen. Auch das Bundesarbeitsgericht war der Ansicht, dass die Formulierung "kennengelernt"kein unzulässiges Geheimzeichen ist. Aus Sicht eines objektiven Empfängerhorizonts erwecke die Formulierung nicht den Eindruck, dass der Arbeitgeber in Wahrheit das Gegenteil des Beschriebenen meine.

Der Arbeitgeber war deshalb nicht verpflichtet, das Zeugnis umzuformulieren.

 

Link zur Entscheidung

BAG, Urteil v. 15.11.2011, 9 AZR 386/10.

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