Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirtschaftlichkeit. Vergleichsgruppe. Honorarreduktion. Budgetierung. Wirtschaftlichkeitsprüfung
Leitsatz (redaktionell)
Die Behandlungsausrichtung im Sinne der Homöopathie, Anthroposophischen Medizin, Umweltmedizin sowie allgemein im Sinne einer „sprechenden Medizin” verpflichtet den Beklagten nicht dazu, eine besondere Vergleichsgruppe zu bilden.
Normenkette
SGB V § 106 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 87 Abs. 2 S. 1, Abs. 2a Sätze 1-2; GOZ 10 EBM-Ä
Verfahrensgang
SG Mainz (Urteil vom 10.07.2002; Aktenzeichen S 8 KA 181/00) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10.07.2002 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat dem Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind Honorarminderungen wegen unwirtschaftlichen Verhaltens in den Quartalen III/97 bis I/98.
Die Klägerin nimmt seit Oktober 1987 als Allgemeinärztin im Bezirk der Beigeladenen zu 1. an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Im streitbefangenen Zeitraum wies ihre Praxis mit Fallzahlen (kurativ) von 870 (III/97), 917 (IV/97) bzw. 1052 (I/98) ein zwischen 10 vH (I/98) und 22 vH (III/97) niedrigeres Behandlungsscheinaufkommen als der Durchschnitt der aus etwa 600 Ärzten bestehenden Fachgruppe auf. Der Rentneranteil von jeweils 17 vH gegenüber 28 vH bis 30 vH der Fachgruppe war deutlich unterdurchschnittlich. Auch der Anteil der Vertreterscheine (0,57 vH bis 0,76 vH) war im Vergleich zur Fachgruppe (2,08 vH bis 4,73 vH) deutlich niedriger. Die Arzneiverordnungskosten wurden rentnergewichtet zwischen 6 vH und 9 vH unterdurchschnittlich ausgewiesen, die veranlassten physikalischen Therapien lagen zwischen 14 vH und 49 vH über dem gewichteten Fachgruppendurchschnitt. Statistische Daten über die Zahl der Krankenhauseinweisungen liegen im streitigen Zeitraum nicht vor.
Auf die von den Beigeladenen im Juni 1998 (III/97) bzw. September 1998 (IV/97 und I/98) gestellten Überprüfungsanträge sprach der Prüfungsausschuss nach Anhörung der Klägerin mit Bescheiden vom 08.12.1998 (III/97) und 12.04.1999 (IV/97 sowie I/98) in allen drei Quartalen eine Reduktion des Ansatzes der Leistungen nach den Gebührenordnungsziffern (GOZ) 10 Therapeutisches hausärztliches Gespräch zu komplexen erkrankungsbedingten Patientenproblemen und/oder Beratung und Instruktion der Eltern und/oder Bezugspersonen von Kindern oder Jugendlichen mit Verhaltensstörungen oder Suchtproblemen, Dauer mindestens 10 Minuten und 21 – im Berufungsverfahren nicht mehr streitig – des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) aus, soweit nach anteiliger Budgetkürzung und nach Gewichtung des Rentneranteils die Ansatzhäufigkeit der diese Leistungen ebenfalls ausführenden Ärzte der Fachgruppe um jeweils mehr als 40 vH überschritten wurde. Da die in das Praxisbudget fallenden Leistungen bereits von Budgetierungsmaßnahmen der Beigeladenen zu 1. betroffen waren, wurden die der Wirtschaftlichkeitsprüfung zugrunde gelegten Ansatzhäufigkeiten der Klägerin jeweils um den Prozentsatz der Budgetkürzung vermindert. Die so reduzierten Werte wurden im Wege der statistischen Vergleichsprüfung mit den Ansatzhäufigkeiten der ausführenden Ärzte der Fachgruppe vor Budgetierungsmaßnahmen verglichen. Die verbleibenden Abweichungen bei den Leistungen der GOZ 10 von plus 153,09 vH (III/97), plus 147,12 vH (IV/97) bzw. plus 120,61 vH (I/98) würden nicht durch Besonderheiten des von der Klägerin behandelten Patientenklientels gerechtfertigt, sodass der Grenzwert auf den Vergleichswert der Fachgruppe plus 40 vH (gewichtet) festzulegen und die darüber hinausgehende Honorarforderung zu kürzen sei. Die Honorarrückforderungen betrugen 10.039,26 DM (III/97), 10.334,01 DM (IV/97) bzw. 9.710,28 DM (I/98); insgesamt mithin 30.083,55 DM (15.381,47 EUR).
Mit ihrem Widerspruch gegen die Bescheide machte die Klägerin geltend, sie behandele vor dem Hintergrund einer ganzheitlich-anthroposophischen und umweltmedizinischen Weiterbildung insbesondere Patienten mit chronischen Erkrankungen und Beschwerden, vor allem Allergien, mit oft langer Krankheitsvorgeschichte. Die GOZ 10 setze sie nur bei komplexen erkrankungsbedingten Problemen an, die sich vielfach aus der Summe sogenannter banaler Diagnosen ergäben. Daneben würden viele Patienten mit gleichzeitigen psychischen Störungen behandelt, denen vor dem Hintergrund einer homöopathisch-anthroposophischen Anschauungsweise neue Wege in der. Kranheits- und Symptombewältigung aufgezeigt würden. Durch ihre Herangehensweise an die komplexen Krankheitsbilder im Sinne einer „sprechenden Medizin” habe sie vielen Patienten ad hoc helfen können, die sonst einer längeren Psychotherapie bedurft hätten. Zudem seien kompensatorische Einsparungen bei der Arzneimittelverordnung und sonstigen Heil- und Hilfsmitteln, die de...