rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 07.10.1997; Aktenzeichen S 14 An 73/97) |
Nachgehend
BSG (Aktenzeichen B 4 RA 63/01 R) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 07.10.1997 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin bereits für die Zeit ab 01.06.1995 - und nicht erst ab 01.12.1996 - eine höhere Altersrente zusteht.
Die am ...1930 geborene Klägerin bezog seit 01.06.1990 eine Altersrente für Frauen, die nach dem damals geltenden Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) auf der Grundlage von Werteinheiten berechnet worden war (vgl. Bescheid vom 27.03.1990). Die Rente wurde in den Folgejahren jeweils zum 01. Juli angepasst; mit der Anpassung zum 01.07.1992 wurde die Rente nach § 307 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) umgewertet. Ebenfalls für die Zeit ab 01.01.1992 erhöhte die Beklagte die Rente der Klägerin gemäß Art. 82 Rentenreformgesetz (RRG) 1992 um einen Zuschlag i.H.v. 2,7706 Entgeltpunkten. Am 06.12.1996 beantragte die Klägerin die Bewilligung einer Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Gleichzeitig begehrte sie die Feststellung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für ihre beiden 1953 und 1959 geborenen Kinder bei der Rentenberechnung. Mit Bescheid vom 30.12.1996 bewilligte die Beklagte die begehrte Rente ab 01.12.1996, wobei die Regelaltersrente den Betrag des bisher gezahlten Altersruhegeldes um monatlich 132,47 DM überstieg. Die Beklagte teilte mit, die Anspruchsvoraussetzungen seien seit Mai 1995 erfüllt, die Rente werde jedoch gemäß § 99 SGB VI erst vom Antragsmonat an geleistet. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie begehrte die Regelaltersrente "ab dem 65. Lebensjahr" und meinte, die Beklagte habe sie rechtzeitig auffordern müssen, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.1997 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Aufklärungs- und Beratungspflicht der Rentenversicherungsträger verpflichte nicht zum Hinweis auf alle rechtlich nicht verbotenen Gestaltungsmöglichkeiten.
Die Klägerin hat mit ihrer am 09.06.1997 bei dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhobenen Klage weiter vorgetragen, die Beklagte habe ihre Aufklärungspflicht verletzt. Bei einem zeitnahen Hinweis hätte sie rechtzeitig den Antrag auf Regelaltersrente gestellt. Die Rente ihres knappschaftlich versicherten Ehemannes sei automatisch umgestellt worden.
Mit Urteil vom 07.10.1997 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin bereits ab 01.06.1995 eine Altersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres zu zahlen. Es hat ausgeführt, die Klägerin müsse im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als hätte sie die Regelaltersrente fristgerecht beantragt. Die Beklagte habe ihre Hinweispflicht aus § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI verletzt, nach deren Inhalt sie verpflichtet gewesen sei, die Klägerin auf den Anspruchsverlust aufmerksam zu machen, der bei Überschreiten der Frist des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI eintrete.
Bei der Regelaltersrente verfüge die Beklagte in der Regel über alle Daten, die erforderlich seien, um das Vorliegen der Rentenanspruchsvoraussetzungen festzustellen. Aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung könne auch davon ausgegangen werden, dass eine Versicherte die Regelaltersrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nehmen wolle.
Gegen diese am 15.10.1997 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten vom 04.11.1997. Sie nimmt gleichfalls auf das vom SG erwähnte Urteil des 13. Senats des BSG vom 22.10.1996 (13 RJ 23/98) Bezug und hält dieser Rechtsprechung entgegen, die "Blankettformulierung" des "geeigneten Falls" in § 115 Abs. 6 SGB VI sei gerichtlich nicht überprüfbar. Versicherte könnten deshalb aus dieser Vorschrift keinerlei Rechte herleiten. Unabhängig hiervon sei eine Rentenwerterhöhung ab Vollendung des 65. Lebensjahres im Anschluss an eine vorher bezogene Altersrente kein "geeigneter Fall" im Sinne des § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI. Der Rechtsprechung des 4. Senat des Bundessozialgerichts zu einem einheitlichen Versicherungsfall des Alters (Urteil vom 02.08.2000 - B 4 RA 40/99) könne sie nicht folgen. Nach der Konzeption des SGB VI könne im Anschluss an eine bereits bindend zuerkannte Altersrente durchaus eine neue, weitere Altersrente bewilligt werden. Andernfalls hätte es ausdrücklicher Regelungen dafür bedurft, dass - abweichend vom Grundsatz des § 306 SGB VI - bestimmte potenziell rentenwerterhöhende Neuregelungen in der (bereits zuerkannten) Altersrente Berücksichtigung finden könnten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 07.10.1997 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für richti...