Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Übernahme von Stromschulden. Ausschöpfung zumutbarer Selbsthilfemöglichkeiten. dauerhafte Sicherung der Energieversorgung. Prognose
Orientierungssatz
1. Ein Anspruch auf Übernahme von Stromschulden durch Gewährung eines entsprechenden Darlehens nach § 22 Abs 8 SGB 2 setzt voraus, dass zunächst alle zumutbaren Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft worden sind.
2. Hierzu gehört jedenfalls, dass sich der Leistungsberechtigte bei einer angekündigten oder schon erfolgten Stromsperre zunächst an seinen Energieversorger wendet, um zu versuchen, mit diesem eine Ratenzahlungsvereinbarung zu treffen.
3. Auch der Versuch eines Anbieterwechsels ist eine zumutbare Selbsthilfemöglichkeit, um eine baldige Wiederaufnahme der Stromversorgung zu erreichen. Jedenfalls eine schriftliche Anfrage bei verschiedenen Stromanbietern ist vor einer Inanspruchnahme des Grundsicherungsträgers erforderlich.
4. Eine Schuldenübernahme nach § 22 Abs 8 SGB 2 kommt zudem nur dann in Betracht, wenn sie objektiv geeignet ist, die Energieversorgung (dauerhaft) zu sichern. Dies setzt voraus, dass der Leistungsberechtigte prognostisch dazu in der Lage sein wird, die geforderten Abschlagszahlungen künftig weiter zu erbringen.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 03.09.2015 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners, die Zahlungsrückstände der Antragstellerin aus dem Stromliefervertrag mit den Stadtwerken E in Höhe von 929,52 Euro zu übernehmen, zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Anordnungsanspruch) treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Der Senat nimmt diesbezüglich zur Vermeidung von Wiederholungen nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Er hält weiterhin an seiner Rechtsprechung fest, dass ein Anspruch auf Übernahme von Stromschulden durch Gewährung eines entsprechenden Darlehens nach § 22 Abs. 8 Zweites Buch Sozialbuch (SGB II) voraussetzt, dass zunächst alle zumutbaren Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft worden sind. Dies folgt aus § 2 Abs. 1 SGB II, der bestimmt, dass eine leistungsberechtigte Person zunächst sämtliche zur Verfügung stehenden anderen Mittel und Möglichkeiten einzusetzen hat, bevor öffentliche Leistungen zur Schuldentilgung in Anspruch genommen werden dürfen [vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 16.06.2014 - L 2 AS 932/14 B ER unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 12. Senats des LSG NRW (Beschluss vom 08.10.2012 -. L 12 AS 1442/12 B ER RdNr. 20 bei juris]. Dieser Grundsatz der Vorrangigkeit der Selbsthilfemöglichkeiten gilt in besonderem Maße für die Übernahme rückständiger Energiekosten, da der Leistungsträger sonst zum Ausfallbürgen der Energieversorgungsunternehmen werden würde. Das Risiko des Energieversorgers, die von ihm an seinen Kunden erbrachten Leistungen auch abgegolten zu erhalten, muss deshalb zunächst in dem zu Grunde liegenden rein zivilrechtlichen Rechtsverhältnis geklärt werden, bevor ein etwaiger Einstand des Leistungsträgers und damit eine Risikoüberleitung auf den Steuerzahler in Betracht kommt (siehe auch Beschluss des erkennenden Senates vom 13.05.2013 - L 2 AS 313/13 B ER, Rd-Nn. 48 bei juris).
Zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten hat die Antragstellerin aber nicht hinreichend ausgeschöpft. Hierzu gehört jedenfalls, dass sich der Leistungsberechtigte bei einer angekündigten oder schon erfolgten Stromsperre zunächst an seinen Energieversorger wendet, um zu versuchen, mit diesem eine Ratenzahlungsvereinbarung zu treffen. Einen solchen ernsthaften Versuch hat die Antragstellerin aber nicht glaubhaft gemacht. Sie hat lediglich einen Kontoauszug der Stadtwerke E vom 10.04.2015 vorgelegt, in dem handschriftlich festgestellt wird: "Eine Ratenzahlung auf offene Abschläge wird abgelehnt." Unklar bleibt diesbezüglich, welchen konkreten Antrag die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt gestellt hat und aus welchen Gründen die Ablehnung erfolgt ist. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Antragstellerin nach dem Schreiben vom 10.08.2015, mit dem die Stadtwerke E die Zahlung der angemahnten Rückstände und die Unterbrechung der Belieferung ab dem 18.08.2015 angekündigt haben, erneut an diese gewendet hat, um nun...