Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. darlehensweise Leistung. Erlass eines Grundbescheides. Tod des Leistungsberechtigten. nachträgliche Festlegung der Darlehensmodalitäten durch an die Erben gerichteten Verwaltungsakt. Abgrenzung des Darlehensrückgewähranspruchs vom Kostenersatzanspruch nach § 102 SGB 12
Orientierungssatz
1. Es steht dem Leistungsträger nach Erlass des Grundbescheides frei, die Darlehensmodalitäten, zu denen auch der Zeitpunkt der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs gehört, durch einen zweiten Verwaltungsakt festzulegen, wobei diese Befugnis nicht zeitlich begrenzt ist.
2. Die nachträgliche Festlegung der Darlehensmodalitäten muss auch nicht stets noch zu Lebzeiten des Leistungsempfängers ihm gegenüber erfolgen.
3. Bei der Erbringung von darlehensweisen Leistungen mindert der Darlehensrückgewähranspruch als vom Erblasser herrührende Schuld bereits den Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls (sog Erblasserschuld, vgl § 1967 Abs 2 BGB). Dieser Rückgewähranspruch schließt einen auf denselben Gegenstand gerichteten Kostenersatzanspruch nach § 102 SGB 12 aus.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 4. Juni 2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 24.151,51 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich als Rechtsnachfolger einer Hilfeempfängerin gegen eine Forderung des Beklagten auf Rückzahlung von darlehensweise gewährter Sozialhilfe.
Der Kläger ist Mitglied der Erbengemeinschaft nach der am ... 1920 geborenen und am ... 2007 verstorbenen Frau H.S.. Frau S. erhielt seit Mitte der 1980er Jahre von der im beklagten Landkreis gelegenen Samtgemeinde B. in unregelmäßigen Abständen Sozialhilfeleistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Frau S. war Eigentümerin eines ca. 500 qm großen Hausgrundstückes in B., auf dem sich ein Wohnhaus befand, das aus drei abgeschlossenen Wohnungen bestand, von denen Frau S. eine selbst bewohnte. Die zwei weiteren Wohnungen vermietete sie zeitweise, weshalb Anträge auf Beihilfe durch die Samtgemeinde für diese Zeiten abgelehnt wurden.
Mit Bescheid vom 29. April 1998 gewährte die Samtgemeinde der Klägerin Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG ab dem 16. April 1998 (701,00 DM monatlich) „gemäß § 89 BSHG als Darlehen“. Weiter hieß es: „Der Anspruch auf Rückzahlung wird dinglich gesichert“. In der Folge erging am 22. September 1998 ein „Bescheid über die Änderung der Hilfe zum Lebensunterhalt“, in dem nicht auf die darlehensweise Gewährung hingewiesen wurde.
Anfang Mai 1999 sprach Frau S. bei der Samtgemeinde vor und erklärte, ihr Lebensunterhalt werde durch ihre Schwester sichergestellt. Sie ziehe ihren Sozialhilfeantrag zurück. Am 1. Juli 1999 beantragte Frau S. erneut Hilfe zum Lebensunterhalt. Der Sachbearbeiter der Samtgemeinde formulierte bei der Vorsprache folgende Erklärung, die von Frau S. unterschrieben wurde:
„Hiermit bitte ich ab 1.7.99 um Hilfe zum Lebensunterhalt. Ich bin jetzt in meine Wohnung zurückgekehrt und erhalte keine Unterstützung mehr durch Angehörige. Ich wurde heute darauf hingewiesen, dass die Sozialhilfe als Darlehen gewährt wird (§ 89 BSHG).“
Der Beklagte gewährte daraufhin ab dem 1. Juli 1999 in unterschiedlicher Höhe Leistungen nach dem BSHG. In den Akten des Beklagten finden sich zahlreiche sog. Auszahlungsscheine, ein erster vom 8. Juli 1999 über 606 DM, auf dem sich der Zusatz „Darlehen“ befindet. Der erste schriftliche Bewilligungsbescheid nach Stellung des Antrags am 1. Juli 1999 datiert auf den 3. Juli 2000. Mit ihm wurden Frau S. ab dem 6. April 2001 monatlich 736,83 DM „gemäß § 89 BSHG als Darlehen“ gewährt. Weiter hieß es: „Der Anspruch auf Rückzahlung wird dinglich gesichert.“ Mit zwei weiteren Bescheiden vom 7. September 2001 bewilligte der Beklagte Frau S. erneut Hilfe zum Lebensunterhalt ab dem 1. Juni bzw. 1. Juli 2001 in geänderter Höhe als Darlehen.
Am 10. September 2001 wurde auf Antrag der Frau S. eine Sicherungshypothek zum Höchstbetrag von 70.000 DM (= 35.790,43 Euro) zugunsten des Beklagten ins Grundbuch eingetragen. In ihrem vor dem Amtsgericht B. abgegebenen Antrag erklärte Frau S., sie beziehe vom Beklagten seit dem 16. April 1998 Hilfe zum Lebensunterhalt als Darlehen. Die Sozialhilfe werde ihr darlehensweise gezahlt. Wegen aller Rückforderungen des Beklagten gegen sie, die bereits entstanden seien und die in Zukunft entstehen würden, bewillige und beantrage sie die Eintragung der Sicherungshypothek.
Am 25. Februar 2002 bewilligte der Beklagte der Klägerin Hilfe zum Lebensunterhalt ab dem 1. Februar 2002 in geänderter Höhe. Der Bescheid enthielt keinen Hinweis auf die darlehensweise Gewährung, ebenso wenig, wie am 26. Februar 2002 ergangene Änderungsbescheide. Mit Bescheid vom 9. Oktober 2002 erfolgte dann wieder ausdrücklich die Bewilligung der Hilfe zum Lebensunterhalt (ab dem 1.10.2002) als Darle...