Entscheidungsstichwort (Thema)
Kurzarbeitergeldanspruch. Wirksamkeit der Antragstellung. Versäumung der Ausschlussfrist. Erklärungsgehalt des Anerkennungsbescheids. nach seinem Wortlaut kein Bewilligungsbescheid. zweistufiges Verfahren. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. coronabedingte Besonderheiten. Übermittlungsrisiko. lange Postlaufzeit. Bereitstellung eines E-Mail-Postfaches. fehlende Empfangsbereitschaft. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Nachsichtgewährung. höhere Gewalt. Sendungsverfolgung
Orientierungssatz
1. Es handelt sich auch dann um einen Anerkennungsbescheid im zweistufigen Verfahren für die Gewährung von Kurzarbeitergeld, wenn im Verfügungssatz des Bescheides Kurzarbeitergeld bewilligt und auf das Erfordernis des Nachweises der persönlichen Anspruchsvoraussetzungen hingewiesen wird.
2. Eine starke Betroffenheit von bestehenden coronabedingten Beschränkungen und Unwägbarkeiten rechtfertigt nicht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand iS von § 27 Abs 5 SGB 10 und eine Nachsichtgewährung bei der Versäumung der Ausschlussfrist.
3. Das Übermittlungsrisiko für den rechtzeitigen Zugang des Antrags und damit auch das Risiko einer langen Postbeförderung trägt der Antragsteller auch bei coronabedingten Besonderheiten.
4. Es besteht auch dann kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, wenn das E-Mail-Postfach der Agentur für Arbeit aufgrund des Umfangs der Antragsunterlagen nicht empfangsbereit war.
5. Nachsicht zu gewähren, weil die versäumte materiell- rechtliche Ausschlussfrist auf Umständen "höherer Gewalt" beruht, kommt jedenfalls nicht wegen einer erheblich verzögerten Postzustellung in Betracht, wenn der Absender nicht die Möglichkeit der zur Verfügung stehenden Sendungsverfolgung genutzt hat, um ggf andere Maßnahmen zum rechtzeitigen Bewirken der Zustellung zu ergreifen.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug) und die Erstattung pauschalierter Sozialversicherungsbeiträge für den Monat März 2020.
Die Klägerin betreibt ein Handelsunternehmen im Bereich von Lebens- und Genussmitteln in der Rechtsform einer GmbH. Für die Monate zunächst von März bis April 2020 setzte sie für den Betrieb der Filialen (S & S) Kurzarbeit fest und zeigte dies der Beklagten am 30. März 2020 an. Sie gab an, die betriebsübliche Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich werde auf 0 Stunden reduziert und begründete dies mit der Corona-Pandemie, aufgrund derer eine behördliche Schließungsanordnung in allen Bundesländern für die Filialen des Einzelhandels vorliege.
Mit Bescheid vom 18. April 2020 stellte die Beklagte das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls und das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug fest. Weiter heißt es in dem Bescheid:
„Kug wird deshalb den von dem Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Ihres Betriebes, sofern diese die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen (§ 98 SGB III),
ab 01.03.2020 für die Zeit des Vorliegens aller Anspruchsvoraussetzungen, längstens jedoch bis 28.02.2021 bewilligt.
Das Kug ist jeweils für den Anspruchszeitraum (Kalendermonat) zu beantragen (vgl. Nr. 1 der Hinweise zum Antragsverfahren Kug).
Es sind möglichst die Antragsvordrucke der Bundesagentur für Arbeit zu verwenden. Diese erhalten Sie bei der Agentur für Arbeit oder im Internet (www.arbeitsagentur.de). Diese Anträge müssen in einfacher Ausführung innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten zur Vermeidung von Rechtsnachteilen bei der Agentur für Arbeit Hamburg eingereicht werden. Die Ausschlussfrist beginnt mit Ablauf des Kalendermonats, für den Kug beantragt wird.
Aufgrund von Anträgen, die nach Ablauf der jeweils maßgeblichen Ausschlussfrist bei der Agentur für Arbeit eingehen, können keine Leistungen gewährt werden. Eine Zusammenfassung mehrerer Kalendermonate zur Wahrung der Ausschlussfrist ist nicht möglich.“
Am 7. Juli 2020 ging bei der Beklagten der am 23. Juni 2020 unterschriebene Antrag für den Monat März 2020 ein, mit welchem die Klägerin für insgesamt 3240 Beschäftigte Kug und die Erstattung pauschalierter Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 1.098.254,09 Euro beantragte. Am 14. Juli 2020 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die sehr umfangreiche Sendung sei am 23. Juni 2020 zur Post aufgegeben worden. Man habe daher mit rechtzeitiger Zustellung auch bei einigen Tagen Verzögerung rechnen können. Mit Bescheid vom 15. Juli 2020 lehnte die Beklagte den Antrag für den Monat März 2020 unter Hinweis auf die Ausschlussfrist des § 325 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ab. Der Widerspruch, mit welchem die Klägerin im Wesentlichen geltend machte, das Kug sei bereits mit Bescheid vom 18. April 2020 bewilligt worden, dieser Bescheid set...