Verfahrensgang

AG Mainz (Urteil vom 29.10.2008; Aktenzeichen 74 C 27/08)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin 03. November 2008 wird das Urteil des Amtsgerichts Mainz vom 29. Oktober 2008 – Aktenzeichen 74 C 27/08 – wie folgt abgeändert:

  1. Der in der Versammlung vom 10. April 2008 gefasste Beschluss, Herrn … sofort ein Hausverbot zu erteilen, wird für ungültig erklärt.
  2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagten.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten

III. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.000,– Euro festgesetzt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien sind die Wohnungseigentümer der WEG …. Die Klägerin wendet sich gegen einen Beschluss der WEG, wonach dem Herrn … einem Freund der Beklagten, ein Hausverbot erteilt wurde. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen.

Für die tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Amtsgerichts Mainz vom 29. Oktober 2008, Aktenzeichen 74 C 27/08, Bezug genommen. Zu ergänzen ist, dass die Wohnung der Klägerin im sechsten Stock eines 8-geschossigen, nahe der Autobahn befindlichen Hochhauses liegt. Die Decken bestehen aus Stahlbeton, weder Wände noch Decken sind besonders hellhörig.

Die Klägerin wendet sich gegen das Urteil mit ihrer Berufung. Sie vertritt weiter die Auffassung, eine Wohnungseigentümergemeinschaft könne unter keinen Umständen ein Hausverbot gegen Personen verhängen, welche das Sondereigentum eines Eigentümers betreten wollen. Ein solches Hausverbot lasse sich nicht mit der Anwendung des § 1004 BGB begründen. Allenfalls einzelne, konkret gestörte Sondereigentümer könnten ihrerseits einen Anspruch aus § 1004 BGB auf Unterlassung der Störung geltend machen, dessen Ausübung könne aber nicht zu einer Angelegenheit der Gemeinschaft gemacht werden.

Jedenfalls sei ein Hausverbot nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Es müsse die einzige vernünftige Möglichkeit der Störungsabwehr darstellen. Insbesondere müsse zuerst gegen den eigentlichen Handlungsstörer vorgegangen werden, ehe in Rechte des Wohnungseigentümers eingegriffen werde.

Die Beklagten haben dagegen behauptet, der ruhestörende Lärm habe nicht nur einzelne Wohnungseigentümer betroffen, sondern das gemeinschaftliche Eigentum und das Sondereigentum aller Wohnungseigentümer. Sie sind der Ansicht, dass deshalb auch die WEG einen Anspruch aus § 1004 BGB geltend machen könne. Ein Vorgehen gegen den Handlungsstörer, Herrn … selbst, sei offenkundig reine Zeitverschwendung. Dieser habe sich auch durch den angegriffenen Beschluss und die folgenden Gerichtsentscheidungen gerade nicht davon abbringen lassen, die Lärmstörungen und Lärmbeeinträchtigungen weiter fortzuführen.

Am 30. Januar 2011 ist die Klägerin aus der WEG ausgezogen. Sie ist jedoch weiterhin Eigentümerin der derzeit vermieteten Wohnung und hat den Herrn … beauftragt, für sie als Hausmeister für diese Wohnung gegenüber dem Mieter tätig zu werden.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch eine Ortsbesichtigung im Termin vom 21. Oktober 2010 sowie durch Parteivernehmung der Klägerin und der Wohnungseigentümer … und … und durch Vernehmung des Zeugen …. Wegen der Ergebnisse wird auf die Protokolle der Verhandlungen vom 21. Oktober 2010 und vom 31. Mai 2011 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet. Sie führt zur Abänderung des angegriffenen Urteils. Das Amtsgericht hat zu Unrecht die Klage abgewiesen. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 10. April 2008, dem Herrn Gottlieb … ein Hausverbot zu erteilen, war für ungültig zu erklären.

Allerdings folgt die Kammer nicht der Auffassung der Klägerin, wonach der streitgegenständliche Beschluss von vorneherein mangels Beschlusskompetenz der WEG nichtig gewesen sei. Das Hausverbot ist auf den Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch des § 1004 BGB gestützt. Wie das Bundesverfassungsgericht im vorliegenden Verfahren ausdrücklich ausgeführt hat, kann ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB gegen einen Wohnungseigentümer oder einen Dritten, der das Sondereigentum des Wohnungseigentümers störend nutzt, nicht nur von jedem einzelnen Wohnungseigentümer, sondern auch von der Wohnungseigentümergemeinschaft als gemeinschaftsbezogener Anspruch nach § 10 Abs. 6 S. 3 WEG geltend gemacht werden (BVerfG, Beschluss vom 06. Oktober 2009, 2 BvR 693/09, S. 7).

Der Beschluss ist auch nicht deshalb nichtig, weil er in den „dinglichen Kernbereich” des Wohnungseigentumsrechts eingriffe. Danach ist ein Beschluss nichtig, wenn er in den unentziehbaren Bereich des Wohnungseigentums eingreift. Zu diesem dinglichen Kernbereich gehören in erster Linie die sachenrechtlichen Grundlagen des Wohnungseigentums. Dazu zählt etwa der freie Zugang zur Wohnung (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08. Mai 1996 in WE 1996, 392 ff.). Andererseits stellt ein Vermietungsverbot und sogar ein Vermietungsgebot noch keinen Eingriff in den Kernbereich dar (BayObLG, Beschluss vom 10. März 1988, WE 1988, S. 202 f.). Wenn aber ...

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