Leitsatz

  1. Der Hausverbotsbeschluss gegenüber dem Besucher einer psychisch kranken Eigentümerin ist jedenfalls nicht von vornherein mangels Beschlusskompetenz nichtig
  2. Ein konkretes Besuchsverbot für einen ganz bestimmten, erhebliche Störungen verursachenden Besucher kann im Einzelfall ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen und auch durch Mehrheitsbeschluss angeordnet werden
  3. Ein Hausverbot zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs zur Abwehr von Lärmbelästigungen kann allerdings nur unter engen Voraussetzungen verhängt werden
  4. Insoweit sind die grundgesetzlich geschützten Rechtspositionen der Parteien zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen
  5. Folgeentscheidung im Fortgang des Verfahrens nach entsprechender Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf Verfassungsbeschwerde der kranken Eigentümerin hin (vgl. NZM 2010 S. 44)
 

Normenkette

§ 10 Abs. 6 Satz 3 WEG; § 1004 BGB; Art. 14 GG

 

Kommentar

  1. Gegen den Besucher einer psychisch kranken Eigentümerin wurde durch Beschluss der Gemeinschaft ein Hausverbot erteilt, da es insbesondere nachts nach entsprechenden Besuchen zu erheblichen Schreiereien und Lärmstörungen aus der Wohnung der kranken Eigentümerin gekommen ist.
  2. Die Kammer folgt allerdings nicht der Auffassung der Klägerin, wonach der streitgegenständliche Beschluss von vornherein mangels Beschlusskompetenz der Gemeinschaft nichtig gewesen sei. Das Hausverbot ist auf den Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch des § 1004 BGB gestützt. Auch nach Auffassung des BVerfG im vorliegenden Verfahren kann ein solcher Unterlassungsanspruch gegen einen Eigentümer oder auch einen Dritten nicht nur von jedem einzelnen Eigentümer, sondern auch von der Gemeinschaft als gemeinschaftsbezogener Anspruch gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG geltend gemacht werden (BVerfG, NZM 2010 S. 44 = NJW 2010 S. 220). Bei dem Beschluss handelt es sich auch nicht um einen nichtigen Eingriff in den "dinglichen Kernbereich" des Wohnungseigentumsrechts, da es insoweit nicht um die sachenrechtlichen Grundlagen des Wohnungseigentums geht. Allein ein abstraktes, umfassendes Besuchsverbot bedarf der Zustimmung aller Eigentümer im Sinne einer Vereinbarung, etwa in der Gemeinschaftsordnung. Ein konkretes Besuchsverbot für einen ganz bestimmten, insbesondere erhebliche Störungen verursachenden Besucher kann dagegen im Einzelfall ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen und durch Mehrheitsbeschluss angeordnet werden.
  3. Allerdings kann ein Hausverbot gegenüber einem Besucher zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs nach § 1004 BGB zur Abwehr von Lärmbelästigungen von einer Gemeinschaft nur unter äußerst engen Voraussetzungen verhängt werden. Auch eine störende Nutzung des Eigentums durch den Sondereigentümer selbst kann im Hinblick auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG von den übrigen Eigentümern duldungspflichtig sein. Insoweit sind die widerstreitenden grundrechtlich geschützten Rechtspositionen der Parteien zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Bei der Abwägung wechselseitiger Grundrechte ist auch die Intensität des jeweiligen Grundrechtseingriffs zu berücksichtigen. Eingriffe sind auch nur zulässig, soweit sie als zwingend notwendig zu erachten sind, zumal es grundsätzlich einem Störer selbst zu überlassen ist, wie er für eine Beendigung der Störung sorgt. Ein verhängtes Hausverbot müsste hier das einzig geeignete Mittel sein, Störungen zu verhindern.

    Vorliegend ist nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz bei der Abwägung der Grundrechte davon auszugehen, dass die Gemeinschaft nicht berechtigt war, ein Hausverbot gegenüber dem besuchenden Zeugen auszusprechen, zumal die Eigentümerin psychisch erkrankt war und entsprechender Unterstützung bedurfte.

  4. Auch nach dem Beweisergebnis diverser einvernommener Zeugen hatte das Gericht Zweifel an der Intensität der in der Wohnung vom Besucher ausgehenden Störungen für die übrigen Eigentümer. Zu fragen war auch, ob gerade die Besuche des Zeugen kausal waren für die jahrelange Lärmbelästigung, zumal die Schreie offensichtlich von der kranken Eigentümerin ausgegangen sein dürften. Es war deshalb nicht bewiesen, dass gerade der Zeuge (Besucher) zusätzliche Lärmbelästigungen herbeigeführt hatte und es somit um unzumutbare Nutzung des klägerischen Sondereigentums ging. Rechte der übrigen Eigentümer überwogen damit nicht die Besuchsberechtigung.
  5. Vorstellbar ist nach Meinung des Gerichts auch, dass eine Lärmbelästigung durch die Installation zusätzlicher Lärmschutzmaßnahmen, etwa einer stabileren und dichteren Tür und auch der Fenster in der Wohnung der Klägerin hätten abgewendet werden können. Um insbesondere auch Lärmbelästigungen in der Nachtzeit zu verhindern, hätte ggf. auch ein zeitlich begrenztes Hausverbot ausgereicht.
Anmerkung

Die neuerliche Entscheidung des Landgerichts nach erfolgreicher Verfassungsbeschwerde der kranken Eigentümerin erscheint nunmehr nach umfangreicher Beweisaufnahme durchaus vertretbar (kritisch zur Entscheidung des BVerfG allerdings seinerzeit Deckert in NZM 2011, S. 648 ...

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