Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Eintritt des Lebensgefährten des verstorbenen Mieters in das Mietverhältnis

 

Orientierungssatz

Nach dem Tode des Mieters ist auch dessen langjähriger Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gem BGB § 569a berechtigt, in das Mietverhältnis einzutreten (so auch LG Hannover, 1985-07-31, 3 S 182/85, WuM 1986, 18; entgegen LG Karlsruhe, 1981-10-23, 9 S 375/81, ZMR 1982, 286).

 

Gründe

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Berufung des Beklagten gegen das Urteil des AG bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 ZPO). Der Beklagte war ursprünglich nicht Mieter der Klägerin, vielmehr hatte die Klägerin den Mietvertrag ausschließlich mit der Lebensgefährtin des Beklagten im Jahre 1968 abgeschlossen. Der Beklagte zog kurze Zeit später zu seiner Lebensgefährtin, die im Jahre 1986 verstarb. Mit ihrem Tode trat der Beklagte in das Mietverhältnis seiner Lebensgefährtin mit der Klägerin ein. Dieses folgt aus analoger Anwendung der Vorschrift des § 569a Abs. 2 BGB.

Die Frage, ob § 569a Abs. 2 BGB auf den Lebensgefährten, der mit dem verstorbenen Mieter einen gemeinsamen Hausstand in der Wohnung führte, anwendbar ist, ist umstritten (für die Anwendbarkeit z.B.: Finger, WM 1982, 257, 259; Klas, ZMR 1981, 289; Knoche, Die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft als Familienangehörige, München 1987, S. 152; Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 5. Aufl., B 79; Sternel, Mietrecht, 2. Aufl., I 77; Strätz, FamRZ 1980, 301, 434, 439; de Witt/Hoffmann, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, München 1983, Rn. 411, 412; wohl auch Erman-Schopp, BGB, 7. Aufl., §§ 569a, b Rn. 4; LG Hannover, Beschl. v. 31.7.1985, NJW 1986, 727 (= WM 1986, 18); - dagegen z.B.: Emmerich-Sonnenschein, Mietrecht, 3. Aufl., § 569a Rn. 13; Kunigk, Die Lebensgemeinschaft, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1978, S. 103; Münchener Kommentar, BGB, § 569a Rn. 9; LG Karlsruhe, Urt. v. 23.10.1981, ZMR 1982, 286). Hinter den konträren Ansichten stehen zwar im einzelnen unterschiedliche Begründungen, sie lassen sich jedoch im wesentlichen auf zwei Grundgedanken reduzieren:

Zum einen wird befürchtet, daß eine über die bisherige Auslegung des Begriffes Familienangehöriger, der alle Verwandten und Verschwägerten und selbst Pflegekinder erfassen soll (vgl. Münchener Kommentar - Voelskow § 569a Rn. 9), hinausgehende Ausdehnung eine Abgrenzung in der Praxis nahezu unmöglich mache, der Begriff Familienangehöriger werde so verwässert, daß dieses einem Verzicht auf dieses Tatbestandsmerkmal gleichkomme (LG Karlsruhe a.a.O.); zum anderen wird unter Familienangehöriger unter Verzicht auf biologische Nähe jeder Angehörige im natürlichen Sinne verstanden (vgl. Strätz a.a.O. S. 439), als wesentliches Abgrenzungskriterium wird der gemeinsame Hausstand herausgestellt.

1. a) Maßgeblich ist für die Entscheidung des Konfliktes auf die teleologische Auslegung, die sich am Gesetzessinn und Gesetzeszweck orientiert, abzustellen (vgl. zum Vorrang dieser Auslegungsmethode Palandt-Heinrichs, BGB, 47. Aufl., Einleitung Anm. 3c m.w.N.). § 569a BGB ist eine soziale Schutzvorschrift, die unbillige Härten für die Familienangehörigen vermeiden soll, die mit dem verstorbenen Mieter einen gemeinsamen Hausstand führten. Auch ihnen soll die Wohnung, die für sie den räumlich-gegenständlichen Lebensmittelpunkt bildet, erhalten bleiben. Für sie wurde ein Bestandschutz hinsichtlich ihres Wohnungsnutzungsrechtes statuiert. Im Vordergrund der Vorschrift steht damit der soziale Tatbestand. Dieser Gesichtspunkt wurde auch bei der Schaffung der Vorschrift hervorgehoben:

In der Verhandlung des Deutschen Bundestages v. 29.4.1964 wurde "die Schutzbedürftigkeit der Haushaltsangehörigen des Mieters für dann am stärksten" gehalten, "wenn der Haushaltsvorstand gestorben ist" (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, stenographische Berichte, Band 55, 6045). Die in der Debatte vorgebrachten Einwände, der berechtigte Personenkreis sei außerordentlich weit gefaßt, was für den Vermieter manchmal außerordentlich große Härten mit sich bringen könne (Verhandlungen des Deutschen Bundestages a.a.O.), setzten sich nicht durch.

Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift hat daher das Tatbestandsmerkmal Familienangehöriger zurückzutreten. Daß bei der Verabschiedung des Gesetzes der Begriff Familienangehöriger gewählt wurde und nicht der Begriff des Haushaltsangehörigen, wie er in der Debatte des Deutschen Bundestages angeführt wurde, ist ohne weiteres historisch zu erklären; als die Regelung des § 564a BGB im Jahre 1964 durch das Zweite Mietrechtsänderungsgesetz (Art. I Nr. 22 des 2. MietRÄndG, BGBl. I, 457) eingeführt wurde, war die nichteheliche Lebensgemeinschaft noch kein sozial relevanter Tatbestand. Dieses hat sich seitdem jedoch gründlich geändert. Während 1977 und 1978 die nichteheliche Lebensgemeinschaft schon eine gewisse Bedeutung aufwies (vgl. die Ergebnisse von Umfragen der Wickert-Institute von 1977 und ...

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