Rz. 816

Die Einrede der Vorausklage gemäß § 771 S. 1 BGB gewährt dem Bürgen eine dilatorische Einrede. Der Bürge kann verlangen, dass der Gläubiger vor seiner Inanspruchnahme einen erfolglosen Vollstreckungsversuch gegen den Hauptschuldner unternommen hat. Dabei genügt ein einziger Vollstreckungsversuch. Es schadet nicht, wenn der Hauptschuldner zwischenzeitlich wieder neue Zugriffsobjekte erlangt hat.[1670] Damit ist die Vorschrift Ausdruck der Subsidiarität der Bürgenhaftung. § 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB erlaubt allerdings ausdrücklich, dass der Bürge sich als Selbstschuldner verbürgt und damit auf die Einrede der Vorausklage verzichtet. Einzige Wirksamkeitsvoraussetzung ist gemäß § 766 S. 1 BGB, dass die Verzichtserklärung der Schriftform genügt.[1671] Ein solcher Ausschluss kann daher auch in AGB wirksam vereinbart werden.[1672] Die Bezeichnung einer formularmäßigen Bürgschaft als "selbstschuldnerisch" genügt in der Regel dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.[1673]

 

Rz. 817

Soweit eine Bürgschaft als Ausfallbürgschaft bezeichnet wird, muss der Bürge indessen nicht damit rechnen, dass es sich dabei um eine selbstschuldnerische Bürgschaft handeln soll.[1674] In diesem Fall ist der Verzicht auf die Einrede der Vorausklage überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB. Die in der Literatur vertretene Auffassung, wonach der Verbraucher, dem eine solche Klausel nicht geläufig ist, in allen anderen Fällen nicht schutzwürdig sein soll, weil angesichts des Gesetzeswortlauts die Klausel klar und unmissverständlich sei,[1675] überzeugt nicht.[1676] Es ist vielmehr im Einzelfall zu prüfen, ob der Verzicht auf die Einrede der Vorausklage dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB gerecht wird. Eine Unterwerfungserklärung unter die sofortige Zwangsvollstreckung oder die Übernahme einer Zahlungsverpflichtung zu einem bestimmten Zeitpunkt dürften jedoch den darin enthaltenen Verzicht auf die Einrede der Vorausklage ausreichend klar und verständlich erkennen lassen.[1677]

[1670] Palandt/Sprau, § 771 Rn 1.
[1671] BGH, Urt. v. 25.9.1968 – VIII ZR 164/66, WM 1968, 1200; MüKo/Habersack, § 773 Rn 3.
[1672] BGH, Urt. v. 19.9.1985 – III ZR 214/83, BGHZ 95, 350, 361 = WM 1985, 1307; BGH, Urt. v. 26.4.2001 – IX ZR 337/98, WM 2001, 1330, 1333; MüKo/Wurmnest, § 307 Rn 229; Staudinger/Horn, § 773 Rn 3; Beck’scher Online-Kommentar/Rohe, § 773 Rn 2.
[1673] BGH, Urt. v. 26.4.2001 – IX ZR 337/98, WM 2001, 1330, 1333; MüKo/Habersack, § 773 Rn 3.
[1674] BGH, Urt. v. 19.3.1998 – IX ZR 120/97, WM 1998, 976, 979.
[1675] So KreditrechtKomm/Nobbe, § 773 Rn 5: "Wenn einem Verbraucher die Bedeutung einer solchen eindeutigen Klausel nicht geläufig ist, mag er nachfragen" .
[1676] MüKo/Wurmnest, § 307 Rn 229.
[1677] Vgl. MüKo/Habersack, § 773 Rn 3; Staudinger/Horn, § 773 Rn 2.

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