Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsstelle. Betriebsänderung. Sozialplanpflichtigkeit. Widerantrag. Einsetzung der Einigungsstelle zur Verhandlung über einen Interessenausgleich. Begründetheit des Widerantrags des Betriebsrats. Betriebsänderung und Sozialplanpflicht
Leitsatz (redaktionell)
Beinhaltet die geschlossene Betriebsvereinbarung eine Betriebsänderung, kann eine Einigungsstelle jedenfalls dann eingesetzt werden, wenn sich die Frage der Sozialplanpflichtigkeit der Maßnahme stellt.
Normenkette
BetrVG §§ 111 ff.; ArbGG § 98
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Entscheidung vom 24.07.2012; Aktenzeichen 3 BV 17/12) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 24.07.2012 - 3 BV 17/12 - teilweise abgeändert:
Herr E1 wird zum Vorsitzenden der Einigungsstelle zur Verhandlung eines Interessenausgleichs und zur Entscheidung über die Aufstellung eines Sozialplans im Hinblick auf die beabsichtigte Personalbaumaßnahme "Restrukturierung 2012" bestellt.
Die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf drei festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle.
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Automobilzuliefererindustrie. Am Standort W1, an dem ca. 350 Arbeitnehmer beschäftigt werden, produziert sie schwerpunktmäßig Scharniere und Getriebekomponenten.
Antragsgegner ist der im Betrieb W1 bestehende 9-köpfige Betriebsrat.
Am 30.06.2011 schlossen die Beteiligten eine Betriebsvereinbarung über die Durchführung von Restrukturierungsmaßnahmen (Projekt "Fit für die Zukunft"). Das Gesamtprojekt umfasste nach § 2 Abs. 1 der Betriebsvereinbarung zum einen organisatorische Änderungen der betrieblichen Struktur (Stufe 1) sowie Maßnahmen der Automatisierung und Effizienzsteigerung (Stufe 2). Nach § 2 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung sollten die Änderungen der betrieblichen Struktur (Stufe 1) in einem ersten Schritt umgesetzt werden. Insoweit sollte die Arbeitgeberin berechtigt sein, die geplanten und in der Betriebsvereinbarung niedergelegten Maßnahmen mit Unterzeichnung der Vereinbarung durchzuführen. Hinsichtlich der weiteren Maßnahmen der Stufe 2 des Gesamtprojektes "Fit für die Zukunft" vereinbarten die Beteiligten, diese gemeinsam gemäß den betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben zu prüfen, zu beraten und zu verhandeln. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Betriebsvereinbarung vom 30.06.2011, Bl. 22 - 27 d. A. Bezug genommen.
Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung unterlag die Arbeitgeberin als am 01.07.2008 neugegründetes Unternehmen dem "Sozialplanprivileg" des § 112a Abs. 2 BetrVG.
Während die Maßnahmen der Stufe 1 des Gesamtprojektes unmittelbar nach Abschluss der Betriebsvereinbarung umgesetzt wurden, konnte hinsichtlich der weiteren Maßnahmen der Stufe 2 des Gesamtprojektes in der Folgezeit keine Einigung erzielt werden. Der letzte Entwurf einer "3. Ergänzungsbetriebsvereinbarung zur BV Zukunft" mit Stand vom 30.11.2011 sah in § 3 mehrere Projekte zur Automatisierung und Effizienzsteigerung vor. So sollte unter anderem die Fertigung in der Halle 11 am Produkt MQ 200 durch Automatisierung und Überarbeitung der vorhandenen BAZ's optimiert, und durch den Erwerb verschiedener Handling-Systeme eine neue Fertigungszelle aufgebaut werden. Die Fertigung am Produkt DQ 200 sollte durch Teilautomatisierung optimiert, und durch den Erwerb einer Transferanlage mit umlaufenden Werkstückträgern eine neue Fertigungszelle aufgebaut werden. An den Maschinen Feintool II und Feintool III sollte eine Mehrmaschinenbedienung eingeführt werden. Die Organisationsstrukturen in der Montage in Halle 10 sowie in der mechanischen Bearbeitung in Halle 11 sollten verändert werden. Insgesamt sah der Entwurf den sukzessiven Wegfall von insgesamt 40 Arbeitsplätzen im Zeitraum 31.12.2011 bis zum 31.12.2012 und ein Qualifizierungskonzept für die in den betroffenen Bereichen verbleibenden Mitarbeiter aufgrund erhöhter Anforderungen vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Entwurf der 3. Ergänzungsvereinbarung zur BV Zukunft, Bl. 101 - 106 d. A. ergänzend Bezug genommen.
Mit Spruch der Einigungsstelle vom 06.02.2012 wurde festgestellt, dass die Verhandlungen zur Herbeiführung eines Interessenausgleichs zur Stufe 2 des Projektes "Fit für die Zukunft" gescheitert sind.
Bis zum 31.05.2012 war das Projekt "Fit für die Zukunft" von der Arbeitgeberin nur in Teilen umgesetzt worden.
Am 18.06.2012 stellte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat das Projekt "Restrukturierung 2012" vor, welches einen Abbau von 28 Vollzeitstellen umfasst. Gleichzeitig übergab sie dem Betriebsrat den Entwurf eines Interessenausgleichs, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 57 bis 60 d. A. Bezug genommen wird. Im Anschluss an das Gespräch übermittelte der Betriebsrat der Arbeitgeberin einen Fragenkatalog, den die Arbeitgeberin mit E-Mail vom 20.06.2012 beantwortete. Am 28.06.2012 fand ein weiteres Gespräch zwischen den Beteiligten statt, in dessen Rahmen dem Betriebsrat der Ent...