Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Gesamtprokuristen. Kontrollpflicht des Gesamtprokuristen bei Mitunterzeichnung von Überweisungen. Mithaftung bei Veruntreuungen des Geschäftsführers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine Gesellschaft von einem Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten, so treffen den Gesamtprokuristen allein aus der Übertragung der Gesamtprokura gewisse Kontrollpflichten.

2. Erteilt der Geschäftsführer, der gleichzeitig Mehrheitsanteilseigner ist, Zahlungsaufträge an Dritte, so hat der mitunterzeichnende Gesamtprokurist nur zu kontrollieren, ob der Zahlungsauftrag offensichtlich nicht den Belangen der Gesellschaft dient.

 

Normenkette

BGB § 826; HGB § 48 Abs. 2; AktG § 308 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 02.02.1995; Aktenzeichen 8 Ca 375/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.02.1998; Aktenzeichen 8 AZR 645/96)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 2. Februar 1995 – 8 Ca 375/94 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Firma … Holding (Deutschland) GmbH, der Gemeinschuldnerin. Er macht als Konkursverwalter gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche geltend.

Die Beklagte war seit dem 1. Juli 1988 bei der … Developments AG, München, bzw. deren Rechtsvorgängerin als Vorstandsassistentin beschäftigt. Hinsichtlich ihrer Tätigkeit im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses wird auf das Zwischenzeugnis vom Juli 1992 (Anlage K 11, Bl. 121, 122 d. A.) verwiesen. Die … Developments AG erteilte ihr am 21. Dezember 1988 Gesamtprokura.

Die Geschäftsanteile der … Developments AG wurden mehrheitlich von der Gemeinschuldnerin gehalten, zu deren Konzern zahlreiche Unternehmen gehörten (vgl. Konzernstruktur per 31.12.1991, Anlage K 2). Alleinige Gesellschafterin der Gemeinschuldnerin war die … Holding AG in Luzern, deren Mehrheitsanteilseigner über die W. Holding AG, Zürich, Herr W. war.

Die Gemeinschuldnerin konnte nur entweder durch zwei Geschäftsführer gemeinsam oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten werden (vgl. Handelsregisterauszug Anlage K 10. Bl. 108 – 115 d. A.).

Seit 1990 war die Beklagte auch Gesamtprokuristin der Gemeinschuldnerin. Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin waren die Herren M. und W.

Die Gemeinschuldnerin hat am 28. August 1992 den Antrag auf Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens gestellt, der mit Beschluß des Amtsgerichts Hamburg vom 1. Dezember 1992 abgelehnt wurde. Zugleich wurde das Anschlußkonkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet. Hintergrund des Konkurses der Gemeinschuldnerin war der Zusammenbruch der zum deutschen Teilkonzern der Gemeinschuldnerin gehörenden Firmengruppe C. (CCC-AG). Die Gemeinschuldnerin hält 100 % der Anteile der CCC-AG, die ihrerseits Muttergesellschaft über diverse Tochtergesellschaften ist. Mitte 1992 geriet die gesamte Firmengruppe in die Insolvenz.

Grund für den Zusammenbruch der CCC-Firmengruppe war die Tatsache, daß diesen von der Gemeinschuldnerin beherrschten Gesellschaften insbesondere auf Veranlassung des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin Herrn v. W. in erheblichem Umfang Liquidität entzogen und ins Ausland transferiert wurde. Im Laufe des Konkursverfahrens hat sich herausgestellt, daß insgesamt Geldbeträge in einem Volumen von mindestens 200 Mio. aus dem deutschen Teilkonzern der Gemeinschuldnerin an ausländische Firmen geflossen sind. Allein in der Zeit vom 2. Januar 1991 bis 9. April 1992 erfolgten Zahlungen über einen Betrag von 73.262.193,00 DM (Anlage K 3).

Der Kläger macht mit der Klage zunächst wegen drei dieser Zahlungen Schadensersatzansprüche geltend, und zwar einen Teilbetrag in Höhe von 1,2 Mio. DM.

Erste Zahlung: Am 27. August 1991 erteilte die Gemeinschuldnerin an das Bankhaus A. einen Zahlungsauftrag zugunsten der konzernfremden Gesellschaft … Inv. N.V. in Curacao in Höhe von 5,3 Mio. DM. Der Zahlungsauftrag ist von der Beklagten und Herrn v. W. unterschrieben (vgl. Anlage K 4). Die Überweisung wurde von dem Bankhaus Aufhäuser am 28. August 1991 ausgeführt. Bei der begünstigten Firma … handelt es sich um eine Herrn v. W. gehörende sog. Off-Shore-Gesellschaft. Im Zahlungsauftrag ist kein Verwendungszweck angegeben.

Zweite Zahlung: Am 24. Mai 1991 erteilte die Gemeinschuldnerin der Vereinsbank AG einen Zahlungsauftrag zugunsten der W. Holding AG in Zürich in Höhe von 5 Mio. DM. Der Zahlungsauftrag ist von der Beklagten und Herrn v. W. unterschrieben (vgl. Anlage K 6). Die Überweisung wurde von der … Vereinsbank am 27. Mai 1991 ausgeführt. Der Zahlungsauftrag enthält den handschriftlichen Vermerk „kurzfristiges Darlehen”.

Dritte Zahlung: Am 22. März 1991 erteilte die Gemeinschuldnerin der R. Bank AG in Zürich einen Überweisungsauftrag in Höhe von 21.755.390,86 DM zugunsten der … v. W. Holding AG. Der Überweisungsauftrag ist von der Beklagten und Herrn v. W. unterschrieben (Anlage K 8...

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