Entscheidungsstichwort (Thema)

Entfallen des Vergütungsanspruchs bei Beschäftigungs- und Betretungsverbot für Krankenschwester nach IfSG. Wegfall des Entgeltfortzahlungsanspruches bei Beschäftigungsverbot nach IfSG trotz Erkrankung. Keine Durchbrechung des Grundsatzes der Monokausalität bei Beschäftigungsverbot nach IfSG. Erkrankung nicht als eigentliche Ursache für Untätigkeit bei Verbot nach IfSG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anordnung eines behördlichen Tätigkeits- und Betretungsverbots gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG führt dazu, dass es einer Krankenschwester für die Zeitdauer des Verbots objektiv unmöglich ist, ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Der Vergütungsanspruch entfällt nach § 326 Abs. 1 BGB.

2. Für die Zeitdauer des Beschäftigungsverbots besteht bei Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Grundsatzes der Monokausalität kein Entgeltfortzahlungsanspruch.

3. War die Arbeitnehmerin bei Zustellung des Betretungs- und Tätigkeitverbots am 08.09.2022 um 13.40 Uhr bereits zuvor mit Beginn der Frühschicht um 06.00 Uhr arbeitsunfähig erkrankt, ändert der Umstand, dass die Arbeitsunfähigkeit zeitlich vor der Zustellung der Ordnungsverfügung begonnen hatte, nichts am Wegfall des Entgeltfortzahlungsanspruchs.

4. War es der Arbeitnehmerin aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ab dem 08.09.2022 nicht möglich sich impfen zu lassen - was die Kammer unterstellt hat - führt dies ebenfalls nicht zu einem Entgeltfortzahlungsanspruch. Der Grundsatz der Monokausalität wird nicht durchbrochen. Das Tätigkeits- und Betretungsverbot hat seine Ursache auch in einem solchen Fall nicht in der Arbeitsunfähigkeit. Nicht die Erkrankung ab dem 08.09.2022 war die Ursache für das Tätigkeits- und Betretungsverbot, sondern der Umstand, dass die Arbeitnehmerin entgegen der verfassungsrechtlich wirksamen Regelung in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a IfSG nicht bereits zuvor für die Erfüllung der Tätigkeitsvoraussetzungen in ihrer Person gesorgt hat.

 

Normenkette

BGB § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1-2; EFZG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1; IfSG § 20a Abs. 1-2, 5; VwVfG NRW § 41 Abs. 2, § 43 Abs. 3, § 44; VwZG NRW § 3; VwZG NRW § 4 Abs. 2; BAT-KF § 21 Abs. 1, § 20 Abs. 6; ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1; ZPO § 92 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 21.03.2023; Aktenzeichen 1 Ca 286/23)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 21.03.2023 - 1 Ca 286/23 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung aufgrund von Arbeitsunfähigkeit.

Die Klägerin war bei der Beklagten, einem Krankenhaus, seit dem 01.05.2011 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 01.03.2011 als Krankenschwester zunächst in Vollzeit beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach den Vorschriften der Kirchlichen Arbeitsvertragsordnung für Angestellte (BAT-KF). Die Eingruppierung erfolgte in Entgeltgruppe 9a. Aufgrund eines Änderungsvertrags vom 13.07.2016 verblieb es bei der bereits zuvor vereinbarten reduzierten wöchentlichen Arbeitszeit von 80 %, d.h. von 30,8 Wochenstunden im Verhältnis zu 38,5 Wochenstunden der tariflichen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten. Die Klägerin war im Schichtdienst eingesetzt. Jedenfalls seit dem Monat Juni 2022 betrugen - jeweils auf der Basis des für die Klägerin anwendbaren Teilzeitquotienten von 30,800/38,500 - das Tabellenentgelt 3.179,02 Euro brutto, die VL Zulage 5,32 Euro brutto und die Pflegezulage 96,00 Euro brutto. Hinzu kamen weitere Zulagen aus verschiedenen Gründen wie z.B. Sonntagsarbeit, Nachtarbeit oder Überstunden.

Die Klägerin war zunächst nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV2 geimpft und hatte sich einmal mit dem Coronavirus SARS-CoV2 infiziert. Sie legte der Beklagten bis zum Ablauf des 15.03.2022 keinen Nachweis gemäß § 20a Absatz 2 Satz 1 IfSG vor. Ihre Arbeitsleistung als Krankenschwester erbrachte die Klägerin auch über den 15.03.2022 hinaus. Sie war nicht arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 30.05.2022 forderte das Gesundheitsamt der Stadt Essen die Klägerin auf, bis zum 07.06.2022 einen Nachweis im Sinne des § 20a Absatz 2 Satz 1 IfSG vorzulegen. Dem kam die Klägerin nicht nach. Mit Schreiben vom 02.06.2022 machte sie Pflichtangaben zu ihrer Person und berief sich im Übrigen auf ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Mit Schreiben vom 08.06.2022 teilte das Gesundheitsamt der Stadt Essen der Klägerin mit, auf welcher Grundlage aus seiner Sicht die personenbezogenen Daten erhoben und verarbeitet würden. Mit Anhörungsschreiben vom 20.06.2022 wurde der Klägerin seitens des Gesundheitsamts der Stadt Essen mitgeteilt, dass in einem nächsten Schritt von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werde, ihr gegenüber ein Tätigkeitsverbot und / oder Betretungsverbot in der Einrichtung der Beklagten zu erlassen. Auf das Anhörungsschreiben teilte die Klägerin mit, dass sie jeden Tag erleben würde, dass Impfungen weder dem Eigenschutz noch dem Fremdschutz nutze...

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