Entscheidungsstichwort (Thema)

Erledigung im Beschlussverfahren nur bei wirksamer Erledigungserklärung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einseitiger Erledigungserklärung ist durch die Beschwerdekammer unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter zu prüfen und darüber zu entscheiden, ob sich das Verfahren tatsächlich erledigt hat und bejahendenfalls die Erledigung im Tenor festzustellen sowie das Verfahren einzustellen. Auch die Einstellung des Verfahrens fällt bei der einseitigen Erledigungserklärung - abweichend von der Einstellung bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen - in die Zuständigkeit der Kammer und nicht des Vorsitzenden.

2. Ein erledigendes Ereignis liegt vor, wenn tatsächliche Umstände nach Einleitung des Verfahrens eingetreten sind, durch die die Anträge unzulässig oder unbegründet geworden sind. Unerheblich ist im Beschlussverfahren, ob sie ursprünglich zulässig oder begründet waren.

3. Soweit das Bundesarbeitsgericht für die Erledigung des Beschlussverfahrens in der Rechtsmittelinstanz verlangt, dass überhaupt ein zulässiges Rechtsmittel vorliegt, sind doppelrelevante Umstände, die sowohl für die Zulässigkeit des Rechtsmittels als auch für die Zulässigkeit oder Begründetheit der in der Hauptsache gestellten Anträge relevant sind, im Sinne der Zulässigkeit des Rechtsmittels zu unterstellen.

4. Doppelrelevante Umstände sind auch bei der Prüfung des erledigenden Ereignisses zu unterstellen, da anderenfalls die Prüfung der ursprünglichen Zulässigkeit oder Begründetheit der in der Hauptsache verfolgten Anträge doch wieder erforderlich würde.

5. Dementsprechend ist ein objektiv erledigendes Ereignis mit der Folge der Einstellung des Beschlussverfahrens eingetreten, wenn ein Konzernbetriebsrat, dessen wirksame Konstituierung und Beschlussfassung (von Anfang an) umstritten war, das Beschlussverfahren mit dem Ziel der Unterlassung des ohne seine Zustimmung erfolgenden Einsatzes eines Warenwirtschaftsprogramms eingeleitet hat, dann im Beschwerderechtszug eine Konzernbetriebsvereinbarung zu dem Thema abschließt und nachfolgend das Verfahren für erledigt erklärt. Würden in diesem Fall die wirksame Errichtung des Konzernbetriebsrats und seine mit der immer gleichen Wirksamkeitsrüge behafteten Beschlussfassungen weiterhin zu überprüfen sein, liefe dies angesichts der konkret gestellten und erledigten Hauptanträge allein noch auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinaus. Hierzu sind die Arbeitsgerichte jenseits des eigentlichen Streitgegenstandes nicht berufen.

 

Normenkette

ArbGG § 83 Abs. 3, § 83 a Abs. 2-3, § 90 Abs. 2, § 89

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Entscheidung vom 30.09.2016; Aktenzeichen 1 BV 20/15)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 29.07.2020; Aktenzeichen 7 ABR 27/19)

 

Tenor

  • I.

    Es wird festgestellt, dass das Beschlussverfahren sich erledigt hat. Das Verfahren wird dementsprechend eingestellt.

  • II.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Beschwerderechtszug primär um die Erledigung des Verfahrens, welches von dem antragstellenden Konzernbetriebsrat mit Unterlassungs- und Informationsanträgen zur Klärung seiner Mitbestimmungsrechte bei Einsatz und Veränderung des Warenwirtschaftsprogrammes "Basis 3" eingeleitet worden ist und in dem dann als Vorfrage wiederum über die rechtmäßige Errichtung und Beschlussfassung des Antragstellers gestritten worden ist.

Der Antragsteller ist der im P.-Konzern mit der Beteiligten zu 2) als Muttergesellschaft gebildete Konzernbetriebsrat. Die Beteiligte zu 2) ist ein Unternehmen der deutschen C.- und I. branche. Unter der Marke P. werden in Deutschland 358 Verkaufsmärkte betrieben (Stand 31.12.2015). Circa 2/3 der P.-Märkte werden von Unternehmen betrieben, die mit der Beteiligten zu 2) im Sinne der §§ 15 ff. AktG verbunden sind (Regiebetriebe). Circa 1/3 der P.-Märkte werden von unabhängigen Franchiseunternehmen oder im Joint-Venture betrieben.

Bei den beteiligten Unternehmen handelt es sich um konzernzugehörige Gesellschaften; lediglich bei der Beteiligten zu 27) ist die Konzernzugehörigkeit streitig. Die beteiligten Betriebs-, Gemeinschaftsbetriebs- und Gesamtbetriebsräte sind die jeweils in den konzernzugehörigen Gesellschaften bzw. für mehrere von diesen gebildeten Arbeitnehmervertretungen. Der Beteiligte zu 28) ist der bei der Beteiligten zu 27) gebildete und im Konzernbetriebsrat vertretene Betriebsrat.

Der Beteiligte zu 9) ist der im Gemeinschaftsbetrieb der Beteiligten zu 2), 18), 19), 20), 21) und 22) gebildete Gemeinschaftsbetriebsrat.

Im Juni 2011 bestanden in 47 der 130 Betriebe der P. GmbH und Co. Deutschland KG (Beteiligte zu 22) Betriebsräte. Diese Betriebsräte vertraten 3.060,5 Arbeitnehmer. Insgesamt waren zu diesem Zeitpunkt bei der Beteiligten zu 22) über 9.000 Arbeitnehmer und im Konzern 14.623 Arbeitnehmer einschließlich 205 leitende Angestellte im Inland beschäftigt.

Der Gesamtbetriebsrat der P. GmbH und Co. Deutschland KG (Beteiligter zu 11) beschloss in seiner Sitzung am 21.06.2011 die Gründung eines Konzernbetriebsrats.

Er fo...

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