Leitsatz

  1. Keine Gestattung genereller Einsicht in die Beschlusssammlung
  2. Bestehende Beschlusskompetenz zur Einführung einer Kleinreparaturklausel mit erforderlicher betragsmäßiger Begrenzung
 

Normenkette

§§ 16 Abs. 4, 21 Abs. 7, 24 Abs. 7 Satz 8 WEG

 

Kommentar

  1. Durch Mehrheitsbeschluss kann der Verwalter nicht generell ermächtigt werden, Einsicht in die Beschlusssammlung zu gewähren; ein solcher Beschluss widerspricht Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Hierdurch wird nämlich die vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgenommene Wertung, dass Dritte nur mit Ermächtigung eines Eigentümers in die Sammlung Einsicht nehmen können, unterlaufen. Den Eigentümern muss im Einzelfall die Entscheidung überlassen bleiben, ob sie interessierten Dritten Einsicht gewähren wollen oder nicht; so können etwa auch Beiratsmitglieder kurzfristig eine eigene Entscheidung treffen und nach Prüfung im Einzelfall z.B. auch eine Einsichtnahme dem Interessenten einer Zwangsversteigerung gestatten, da dies durchaus im Interesse aller Eigentümer liegen kann.
  2. Wird mehrheitlich beschlossen, "… die Pflege, Kleinreparatur und Wartung von Fenstern, Wohnungseingangstüren, Balkontüren, Briefkästen und Klingeln – auch wenn diese zum Gemeinschaftseigentum gehören – kostenmäßig wie Sondereigentum zu behandeln, und sollen diese Kosten bis zu einem Betrag von 200 EUR durch den jeweiligen Sondereigentümer bezahlt werden", ist ein solcher Beschluss zwar grundsätzlich nach § 21 Abs. 7 WEG mit bestehender Beschlusskompetenz möglich; im vorliegenden Fall entspricht er jedoch hinsichtlich des gewählten Betrags von 200 EUR nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.
  3. Insoweit handelt es sich um die Änderung eines vereinbarten Kostenverteilungsschlüssels in Richtung einer Einzelbelastung bestimmter Sondereigentümer. Es geht hier auch um Instandhaltungskosten im Sinne des § 16 Abs. 4 WEG, nicht allein um laufende Betriebskosten im Sinne des § 16 Abs. 3 WEG. Allerdings gibt über § 16 Abs. 4 WEG hinaus, der nur Einzelfallregelungen zulässt, § 21 Abs. 7 WEG eine eigene Beschlusskompetenz für eine Kostentragung aufgrund besonderer Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Bei gesteigerter Inanspruchnahme des Gemeinschaftseigentums kann dies zumindest bei typisierender Betrachtung den Anfall besonderer Kosten wahrscheinlich machen (vgl. auch BGH, ZMR 2011 S. 141/142). Zwar kann § 21 Abs. 7 WEG keine Beschlusskompetenz dafür erbringen, in Abweichung vereinbarter oder gesetzlicher Kostenverteilung die Kosten der Instandhaltung sämtlichen Gemeinschaftseigentums im Bereich einer Sondereigentumseinheit den betreffenden Sondereigentümern aufzuerlegen. Vielmehr ist hier die Regelung des § 16 Abs. 4 WEG spezieller. Doch die Begrenzung des maximal anfallenden Betrags und die Beschränkung auf gerade die dem direkten, häufigen und auch abnutzenden Zugriff einzelner Wohnungseigentümer unterliegenden Bauteile ermöglichen eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des § 16 Abs. 4 WEG zugunsten § 21 Abs. 7 WEG. Deshalb ist von entsprechender Beschlusskompetenz auszugehen, so dass der angefochtene Beschluss jedenfalls nicht nichtig ist.
  4. Die Begrenzung auf 200 EUR entspricht aber nicht mehr ordnungsgemäßer Verwaltung. Insoweit kann auch auf mietrechtliche Rechtsprechung zurückgegriffen werden, die für einen Einzelfall allenfalls 100 EUR für zulässig hält und auch im Wohnungseigentumsrecht Bemessungskriterium sein kann.
 

Link zur Entscheidung

AG Aachen, Urteil v. 4.5.2011, 119 C 88/10, ZMR 2012, 222

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