Leitsatz (amtlich)

Auch im Kreisverkehr gelten beim Ausfahren durch Rechtsabbiegen die Pflichten aus § 9 Abs. 1 StVO.

§ 9a StVO regelt dagegen für bestimmte Arten des Kreisverkehrs lediglich das Verhalten bei der Einfahrt (Abs. 1) und das Verhalten bei Vorhandensein einer Mittelinsel (Abs. 2).

Der Fahrtrichtungsanzeiger ist dann "rechtzeitig" i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 StVO betätigt, wenn sich der Verkehr auf das Abbiegen einstellen kann:

maßgeblich dafür ist weniger die Entfernung vom Abbiegepunkt als vielmehr die Zeit zwischen Anzeigebeginn und Abbiegen unter Berücksichtigung der Fahrgeschwindigkeit.

Will der Kläger eine Mithaftung des Bevorrechtigten damit begründen, dieser hätte den Unfall durch rechtzeitige unfallverhütende Reaktion vermeiden können, so muss er darlegen und beweisen, dass sich der Bevorrechtigte durch überhöhte Geschwindigkeit außer Stande gesetzt hat, unfallverhütend zu reagieren oder sich im Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Vorfahrtsverletzung in einer solchen Entfernung vom Kollisionsort befand, dass eine unfallverhütende Reaktion möglich.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 17 O 105/06)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.

 

Gründe

Die Berufung, mit der der Kläger noch die Haftung der Beklagten nach einer Quote von 50 % geltend macht, hat keine Aussicht auf Erfolg.

I. Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist hier nicht der Fall. Der Senat folgt vielmehr der im Ergebnis zutreffenden angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet wird.

1. Der Kläger meint, die Beklagte müsse zu 50 % für seinen unfallbedingten Schaden haften, weil auch sie gegen die erhöhte Pflicht zur Vorsicht und Rücksichtnahme aus § 1 StVO verstoßen habe, die ihr - ebenso wie ihm, dem Kläger - als sich im Kreisverkehr bewegenden Verkehrsteilnehmern auferlegt sei. Entgegen der Auffassung des LG sei § 9 StVO auf das Abbiegen aus dem Kreisverkehr nicht anwendbar.

Vielmehr seien nach den auf der Fahrbahn vorhandenen Spurzeichnungen beide Fahrzeuge berechtigt gewesen, jeweils im Kreisverkehr zu bleiben oder diesen an der Ausfahrt Goerdeler Damm zu verlassen; daher gäbe es keinen Anscheinsbeweis gegen ihn, den Kläger; auch sei der rechte Fahrtrichtungsanzeiger betätigt worden, die Beklagte hätte unfallverhütend reagieren können und das LG sei verfahrensfehlerhaft dem entsprechenden Beweisantritt nicht nachgegangen.

Dies Argumentation rechtfertigt keine Abänderung der zutreffenden angefochtenen Entscheidung.

a) Zwar sind die Bemerkungen des LG auf S. 4 des angefochtenen Urteils zum Anscheinsbeweis gegen den Kläger überflüssig; denn das LG hat dann auf S. 5 - unabhängig von einem Anscheinsbeweis - Sorgfaltspflichtverletzungen des Klägers zutreffend positiv festgestellt (Abbiegen nach rechts aus dem dritten Fahrstreifen von rechts ohne hinreichend auf den Verkehr rechts von ihm zu achten).

Diese Bewertung des Geschehens durch das LG ist auch richtig.

Entgegen der Auffassung des Klägers auf S. 2 der Berufungsbegründung gilt § 9 Abs. 1 StVO auch im Kreisverkehr und für das Abbiegen nach rechts aus dem Kreisverkehr (vgl. nur Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. 2007, StVO § 9 Rz. 19).

§ 9a StVO regelt dagegen für bestimmte Arten des Kreisverkehrs lediglich das Verhalten bei der Einfahrt (Abs. 1) und das Verhalten bei Vorhandensein einer Mittelinsel (Abs. 2).

Für das Ausfahren aus dem Kreisverkehr gilt § 9 Abs. 1 StVO; für das Fahren im Kreisverkehr gilt darüber hinaus das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO (vgl. nur OLG Hamm DAR 2004, 90; Hentschel, a.a.O., StVO § 2 Rz. 32; Heß, in: Janiszewski u a., Straßenverkehrsrecht, 19. Aufl. 2006, StVO § 2 Rz. 49).

Somit war es sorgfaltswidrig, dass der Sohn des Klägers, Ö.P., als Führer des klägerischen Fahrzeugs im Kreisverkehr nicht möglichst weit rechts gefahren ist, sich zum Zwecke des Abbiegens nach rechts nicht möglichst weit rechts eingeordnet und auch vor dem Abbiegen nach rechts nicht hinreichend auf den nachfolgenden Verkehr geachtet hat (§§ 2 Abs. 2, 9 Abs. 1 Satz 2 und 4 StVO). Insoweit sind die Ausführungen des LG (UA 5) nicht zu beanstanden.

b) Ein Mitverschulden der Zweitbeklagten am streitgegenständlichen Unfall kann nicht festgestellt werden.

Entgegen der Auffassung des Klägers werden die vorstehenden Verhaltensregeln auch nicht außer Kraft gesetzt durch die im Kreisverkehr vorhandenen Fahrstreifenmar-kierungen; richtig weist der Kläger allerdings auf S. 2 f. der Berufungsbgründung darauf hin, dass die im Kreisverkehr Fahrenden besonders vorsichtig fahren müssen; dies gilt allerdings vor dem Hintergrund der Verhaltensregeln der §§ 2 Abs. 2, 9 Abs. 1 StVO für al...

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