Leitsatz (amtlich)
Wird ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil er einer beantragten Terminsverlegung nicht stattgegeben hat, darf er das Ablehnungsgesuch nicht ohne weiteres dahingehend werten, dass es allein zu dem Zweck angebracht worden ist, die abgelehnte Terminsverlegung zu erzwingen. Eine Selbstentscheidung des abgelehnten Richters setzt greifbare, außerhalb des eigentlichen Ablehnungsgesuchs liegende Gründe voraus, die auf eine Prozessverschleppung hindeuten.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 07.09.2004; Aktenzeichen 13 O 144/04) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des LG Berlin vom 7.9.2004 (LG Berlin, Beschl. v. 7.9.2004 - 13 O 144/04) wird auf seine Kosten als unbegründet zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert entspricht dem Wert der Hauptsache.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
Das LG hat das Ablehnungsgesuch des Beklagten im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Nach allgemeiner Auffassung kann die Ablehnung grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein den Rechtsmittelgerichten vorbehalten ist. Nur im Ausnahmefall sind Verfahrensweise und Rechtsauffassung eines Richters dann Grund für die Ablehnung, wenn die richterliche Handlung ausreichender gesetzlicher Grundlage völlig entbehrt und so grob rechtswidrig ist, dass sie als Willkür erscheint, oder wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung eindeutig erkennen lässt, dass sie auf einer unsachlichen Einstellung des Richters ggü. einer Partei beruht.
Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Sofern der abgelehnte Richter dem Verlegungsantrag des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 19.8.2004 dadurch nachgekommen ist, dass er einen neuen Termin ohne die erbetene vorherige Abstimmung bestimmt hat, begründet dies keinen zur Ablehnung berechtigenden Grund. Für den Fall der Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung ist anerkannt, dass nur dann ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen, wenn die Gründe für den Verlegungsantrag erheblich sind und mit der Verweigerung eine augenfällige Ungleichbehandlung der Prozessparteien zum Ausdruck kommt (OLG Köln v. 8.11.2002 - 11 W 73/02, MDR 2003, 170; v. 29.1.1999 - 8 W 1/99, OLGReport Köln 1999, 163 = NJW-RR 2000, 591 [592]; OLG Zweibrücken v. 15.10.1998 - 3 W 225/98, MDR 1999, 113 = OLGReport Zweibrücken 1999, 93; OLG Schleswig v. 2.9.1993 - 16 W 193/93, NJW 1994, 1227). Diese Grundsätze gelten auch hier, so dass Anhaltspunkte für eine Ungleichbehandlung des Beklagten gegeben sein müssen. Daran fehlt es aber. Der abgelehnte Richter hat dem Verlegungsantrag des Beklagten sofort stattgegeben und dabei auf den beigefügten Ladungsplan für die mehrtägige Berufungsstrafsache Bedacht genommen. Dabei musste der abgelehnte Richter nicht damit rechnen, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten auch an einem Tag verhindert ist, der unmittelbar auf einen Sitzungstag in der Berufungsstrafsache folgte.
Die Besorgnis der Befangenheit wird auch nicht dadurch begründet, dass der abgelehnte Richter das Befangenheitsgesuch selbst als offensichtlich unzulässig, weil rechtsmissbräuchlich, zurückgewiesen hat.
Zwar teilt der Senat die Rechtsauffassung des abgelehnten Richters in der Sache nicht. Ein Befangenheitsgesuch ist nicht schon deshalb rechtsmissbräuchlich, weil es keinen Erfolg hat. Insbesondere darf der abgelehnte Richter das Gesuch nicht ohne weiteres dahingehend werten, dass es allein zu dem Zweck angebracht worden ist, die abgelehnte Terminsverlegung zu erzwingen. Eine solche Bewertung durch den Richter setzt greifbare, außerhalb des eigentlichen Ablehnungsgesuchs liegende Umstände, die auf eine Prozessverschleppung hindeuten, voraus. Dies folgt daraus, dass an eine Selbstentscheidung des abgelehnten Richters erhöhte Begründungsanforderungen zu stellen sind (s. dazu VerfGH Sachs. v. 17.9.1998 - Vf. 56-IV-97, NJW-RR 1999, 287 [288]; LG Frankfurt/M. v. 1.7.1998 - 2/16 T 44/98, NJW-RR 2000, 1088 [1090]). Solche Umstände sind vorliegend aber nicht ersichtlich.
Die Besorgnis der Befangenheit begründet die Rechtsauffassung des abgelehnten Richters aber nicht. Sie ist vor dem Hintergrund, dass nach § 227 Abs. 4 S. 3 ZPO die Entscheidung über eine Terminsverlegung nicht anfechtbar ist, noch vertretbar. In Zukunft wird das LG in vergleichbaren Fällen jedoch die Wartepflicht des § 47 ZPO zu beachten haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die Wertfestsetzung aus § 3 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1262286 |
KG-Report 2005, 140 |