Zusammenfassung

Weiß ein Forderungsverkäufer von der Zahlungsunfähigkeit seines Schuldners, muss sich der Factor diese Kenntnis im Rahmen eines echten Factorings nicht allein deshalb zurechnen lassen, weil der Factoringvertrag Informations- und Unterstützungspflichten des Forderungsverkäufers vorsieht.

Das Insolvenzverfahren bezweckt die geordnete Befriedigung aller Gläubiger eines überschuldeten oder zahlungsunfähigen Schuldners. Dieser Schuldner darf deshalb nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit grundsätzlich keine Insolvenzgläubiger bevorteilen, indem er Zahlungen an sie leistet. Erhält ein Gläubiger dennoch eine solche Zahlung, kann ein späterer Insolvenzverwalter sie unter gewissen Voraussetzungen anfechten und den Betrag zur Insolvenzmasse zurückholen. Eine solche Anfechtung ist etwa dann möglich, wenn die Zahlung binnen 3 Monaten vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung erfolgt ist und der Gläubiger Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hat oder zumindest von den Umständen, die auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Von zentraler Bedeutung ist also die Frage, wann und ob dem bevorteilten Gläubiger die Kenntnis anderer Personen zuzurechnen ist. In der kommentierten Entscheidung wiederholt der Bundesgerichtshof (BGH) die geltenden zivilrechtlichen Grundsätze zur Wissenszurechnung von Repräsentanten und spricht sich gegen eine generelle Zurechnung der Kenntnis des Forderungsverkäufers zu Lasten des echten Factors aus.

Sachverhalt

In dem vom BGH entschiedenen Fall klagte der Insolvenzverwalter der Schuldnerin im Wege der Insolvenzanfechtung auf Rückzahlung eines Geldbetrages, den die Schuldnerin nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit an die Beklagte geleistet hatte.

Die Schuldnerin hatte einen Vertrag mit einem Mittelstandsfinanzierer geschlossen. Nach diesem Vertrag sollte der Mittelstandsfinanzierer auf Anforderung der Schuldnerin Waren oder Investitionsgüter erwerben und diese mit einem Zahlungsziel von 60 Tagen an die Schuldnerin weiterveräußern.

Der Mittelstandsfinanzierer hatte seinerseits einen echten Factoringvertrag mit der Beklagten geschlossen. Danach sollte der Mittelstandsfinanzierer der Beklagten künftig entstehende Forderungen zum Kauf anbieten und bereits im Voraus abtreten. Als Gegenleistung zahlte die Beklagte dem Mittelstandsfinanzierer den Bruttobetrag der Forderung abzüglich einer Factoringgebühr und Zinsen aus. Daneben enthielt der Factoringvertrag Regelungen zur Forderungsdurchsetzung und Mahnung: Diese Pflichten verblieben zwar bei der Beklagten, jedoch musste der Mittelstandsfinanzierer erlangtes Wissen, das für die Zahlungsfähigkeit des Debitors relevant war, der Beklagten mitteilen.

Einige Zeit nach Abschluss des Factoringvertrags stellte der Mittelstandsfinanzierer der Schuldnerin eine Rechnung für Warenlieferungen und teilte ihr gleichzeitig mit, dass er die Forderung an die Beklagte abgetreten habe und deshalb schuldbefreiend nur an diese gezahlt werden könne. Erst nachdem der Mittelstandsfinanzierer die Schuldnerin mehrmals zur Zahlung aufgefordert und schließlich mit Streichung ihrer Einkaufslinie gedroht hatte, beglich sie die Rechnung. Kurz darauf beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Daraufhin forderte der Insolvenzverwalter der Schuldnerin den an die Beklagte gezahlten Betrag im Wege der Insolvenzanfechtung zurück.

Das Landgericht hatte die Klage des Insolvenzverwalters abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers wurde die Beklagte jedoch zur Zahlung verurteilt. Das Berufungsgericht erachtete die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung nach §§ 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 143 Abs. 1 InsO für erfüllt. Die Beklagte müsse sich das Wissen des Mittelstandsfinanzierers entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Dieser sei dazu berufen gewesen, für die Beklagte im Rechtsverkehr aufzutreten, was sich auch aus den Regelungen des Factoringvertrags ergebe. Außerdem habe die Beklagte Kenntnis davon gehabt, dass der Mittelstandsfinanzierer die Forderungseintreibung übernommen habe und dies akzeptiert. Hiergegen wandte sich die Beklagte mit ihrer Revision.

Die Entscheidung

Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf. Die – unstreitig vorliegende – positive Kenntnis des Mittelstandsfinanzierers könne dem Factor nicht analog § 166 Abs. 1 BGB zugerechnet werden. Wissensvertreter nach dieser Norm sei nach ständiger BGH-Rechtsprechung nur, wer "nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei anfallenden Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten"

Allein die Vertragsgestaltung lasse nicht auf eine Stellung des ursprünglichen Gläubigers als Wissensvertreter des Factors schließen. Diese entspreche nämlich nur dem typischen Vertragsinhalt beim echten Factoring. So ergebe sich bereits aus § 402 BGB die Nebenpflicht des Forderungsverkäufers, dem neuen Gläubiger die zur Geltendmachun...

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