LfSt Rheinland-Pfalz v. 11.1.2017, S 0462 A - St 35 6 (§ 235 AO Karte 1)
Der AEAO zu § 235 enthält umfangreiche Erläuterungen zur Verzinsung von hinterzogenen Steuern. Darüber hinaus wird um Beachtung folgender Hinweise gebeten.
1. Allgemein
1.1 Zu Nr. 1.3 AEAO – Verhältnis Strafverfahren zum Besteuerungsverfahren
Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen steht nicht im Ermessen der Finanzbehörde (BFH-Urteil vom 18.7.1991 – V R 72/87, BStBl 1991 II S. 781). Bei Selbstanzeigen kommt der Festsetzung von Hinterziehungszinsen besondere Bedeutung zu, da u.a. deren Entrichtung Voraussetzung der Straffreiheit ist (§ 371 Abs. 3 AO).
Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen setzt keine strafrechtliche Verurteilung wegen Steuerhinterziehung voraus. Der AEAO zählt dazu Beispielsfälle auf.
Dabei kann insbesondere in Fällen des § 153a StPO die Festsetzung der Hinterziehungszinsen nicht ohne Weiteres auf das Ergebnis im Strafverfahren gestützt werden, da der strafrechtlich relevante Sachverhalt in diesen Fällen nicht zwingend in dem für eine Verurteilung erforderlichen Maß ermittelt worden ist. Im Zusammenwirken mit der StraFa ist daher zu klären, inwieweit eine Steuerhinterziehung nachgewiesen werden konnte. Erforderlichenfalls hat die festsetzende Stelle ergänzende Ermittlungen vorzunehmen und spätestens in der Einspruchsentscheidung die Umstände anzuführen, aus denen sich der objektive und subjektive Tatbestand des § 370 AO ergibt.
Über die strafrechtlich verjährten Zeiträume hinaus ist zudem zu prüfen, ob für weitere noch nicht festsetzungsverjährte Zeiträume Hinterziehungszinsen festzusetzen sind. Der knapp bemessenen Verjährungsfrist von einem Jahr (vgl. AEAO Nr. 7) ist in diesen Fällen besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
1.2 Zu Nr. 2.1 AEAO – Keine Verzinsung von Kirchensteuer
Hinterziehungszinsen sind zu erheben für verkürzte Steuern, jedoch nicht für hinterzogene Kirchensteuern, da insoweit die Vorschriften über die Verzinsung sowie die Straf- und Bußgeldvorschriften nicht anzuwenden sind (§ 11 Abs. 2 KiStG).
1.3 Zu Nr. 2.3 AEAO – Verzinsung von Vorauszahlungen
a) Einkommensteuer und Körperschaftsteuer
Der objektive Tatbestand einer Hinterziehung von Einkommen- oder Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen kann bereits dann erfüllt sein, wenn der Steuerpflichtige durch unrichtige Angaben in der Jahreserklärung bewirkt, dass neben der Jahressteuer für den vergangenen Veranlagungszeitraum auch die Vorauszahlungen für einen nachfolgenden Veranlagungszeitraum (§ 37 Abs. 3 Satz 2 EStG) nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden (BFH-Urteil vom 15.4.1997, VII R 74/96, BStBl 1997 II S. 600). Zur Berechnung und zum Verschulden vgl. FG Münster vom 20.4.2016, 7 K 2354/13 E, EFG 2016 S. 965 .
b) Umsatzsteuer
Bei der Bearbeitung von Umsatzsteuererklärungen mit hohen Abschlusszahlungen und berichtigten Umsatzsteuer-Voranmeldungen ist zu prüfen, ob insoweit Selbstanzeigen vorliegen und Hinterziehungszinsen festzusetzen sind. Hierzu werden im maschinellen Verfahren entsprechende Prüfhinweise ausgegeben.
Die Verkürzung tritt sowohl für die Vorauszahlungen als auch für die Jahreserklärung im Zeitpunkt der Fälligkeit bzw. mit der Zustimmung des Finanzamts (§ 168 Satz 2 AO) ein. Nach st. Rspr. des BGH stehen Steuerhinterziehungen wegen der Abgabe unzutreffender monatlicher Umsatzsteuervoranmeldungen und solche, bezogen auf die Pflicht zur rechtzeitigen Einreichung einer zutreffenden Umsatzsteuerjahreserklärung, auch dann im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB), wenn sie dasselbe Kalenderjahr betreffen (z.B. BGH-Urteil vom 17.3.2009, 1 StR 627/08, NJW 2009 S. 1979). Es sind somit bis zu dreizehn unabhängige Taten der Steuerhinterziehung möglich, die jeweils selbständig einen Zinsanspruch nach § 235 AO begründen. Daher liegen auch jeweils unterschiedliche Zeitpunkte für den Beginn des Zinslaufs vor. Wegen der Schwierigkeit hinsichtlich der Zuordnung der hinterzogenen Beträge auf einzelne Voranmeldungszeiträume vgl. AEAO zu § 235, Rz. 4.1.2.
1.4 Zu Nr. 3 AEAO – Zinsschuldner
Der Zinsschuldner muss nicht an der Steuerhinterziehung beteiligt gewesen sein.
Beispiel:
Der Gesellschafter einer OHG tätigt Schwarzgeschäfte für die OHG und bewirkt dadurch eine Einkommensteuerhinterziehung zum Vorteil der übrigen Gesellschafter. Auch wenn die Mitgesellschafter an der Hinterziehung der Einkommensteuer nicht beteiligt waren, sind sie Schuldner der zu ihrem Vorteil hinterzogenen Einkommensteuer sowie der entsprechenden Hinterziehungszinsen.
Beispiel:
Der Geschäftsführer einer KG, der Lohnsteuer vorsätzlich nicht einbehält, anmeldet und abführt, ist nicht Schuldner der Hinterziehungszinsen. Zinsschuldner ist die von ihm vertretene KG. Der Geschäftsführer kann nur als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden (BFH-Urteil vom 27.9.1991 VI R 159/89, BStBl 1992 II S. 163 ; BFH-Urteil vom 7.5.1993, VI R 93/92). Dies gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer der KG Umsatzsteuer vorsätzlich weder anmeldet noch abführt.
1.5 Zu Nr. 4 AEAO – Zinslauf
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