Entscheidungsstichwort (Thema)

Schuldner von Hinterziehungszinsen; keine Heilung falscher Schuldnerangabe im Zinsbescheid

 

Leitsatz (NV)

1. Der Gesellschafter einer OHG, der Lohnsteuer vorsätzlich nicht einbehält, anmeldet und abführt, ist nicht Schuldner der Hinterziehungszinsen.

2. Eine eindeutig falsche Schuldnerangabe in einem Steuerbescheid kann nicht dadurch geheilt werden, daß im weiteren Verfahren der richtige Schuldner eingesetzt wird.

 

Normenkette

AO 1977 § 157 Abs. 1 S. 2, § 239 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Gesellschafter einer OHG. In den Jahren 1981 bis 1987 beschäftigte die OHG fast ausschließlich Arbeitnehmer ohne Vorlage einer Lohnsteuerkarte und versteuerte die Löhne pauschal nach § 40a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Bei einer Außenprüfung durch die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) wurden Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der pauschalierten Löhne festgestellt. Nachdem die Kläger vor der Staatsanwaltschaft zu Protokoll gegeben hatten, daß es tatsächlich zu fehlerhaften Lohnsteueranmeldungen gekommen sei und daß sich die zu wenig angemeldeten Lohnsteuerbeträge auf insgesamt 50000 DM belaufen hätten, erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gegen die OHG einen Haftungsbescheid über 50000 DM.

Das gegen die Kläger eingeleitete Strafverfahren wegen fortgesetzter Lohnsteuerhinterziehung von 1981 bis 1987 wurde gemäß § 153a Abs. 1 der Strafprozeßordnung (StPO) nach Erfüllung einer Auflage eingestellt.

Das FA erließ gegenüber jedem der beiden Kläger einen Bescheid über die Verzinsung hinterzogener Steuern gemäß § 235 der Abgabenordnung (AO 1977) und forderte einen Zinsbetrag von jeweils 11573 DM. Die Kläger legten gegen die Bescheide jeweils Einspruch ein.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage ab und vertrat die Ansicht, die Kläger hätten Steuern hinterzogen, die gemäß § 235 AO 1977 zu verzinsen seien. Der Hinweis auf einen Formfehler könne der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Die Kläger seien alleinige Gesellschafter der OHG, so daß ihnen der Vorteil der Steuerhinterziehung persönlich zugute gekommen sei. Da es nach den dargelegten Grundsätzen um die Abschöpfung der Vermögensvorteile gehe, könnten die Kläger auch persönlich in Anspruch genommen werden. Zumindest sei durch die Adressierung der Einspruchsentscheidung an die OHG ein etwaiger Formmangel geheilt worden.

Die Kläger rügen mit ihrer vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision eine Verletzung des § 235 AO 1977 und machen geltend, die Auslegung dieser Vorschrift durch das FG widerspreche den BFH-Urteilen vom 18. Juli 1991 V R 72/87 (BFHE 164, 506, BStBl II 1991, 781) und vom 27. September 1991 VI R 159/89 (BFHE 166, 4, BStBl II 1992, 163). Durch diese Urteile sei entschieden worden, daß Schuldner der Hinterziehungszinsen der Arbeitgeber - also im Streitfall die OHG - und nicht die anderen in §§ 34, 35 AO 1977 genannten Personen seien. Gegenüber diesen Personen könne nur ein Haftungsbescheid ergehen.

Das FA macht geltend: Mit dem FG sei davon auszugehen, daß durch die Adressierung der Einspruchsentscheidung, aus der eindeutig die OHG als Zinsschuldner hervorgehe, ein etwaiger Formfehler geheilt worden sei. Durch die geänderte Inhaltsadressierung in der Einspruchsentscheidung sei verdeutlicht worden, daß die OHG selbst als Schuldner der Hinterziehungszinsen habe in Anspruch genommen werden sollen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie der angefochtenen Zinsbescheide und der Einspruchsentscheidung.

1. Die angefochtenen Zinsbescheide sind unabhängig davon rechtswidrig, ob die Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung erfüllt sind. Wie der BFH in den von der Revision angeführten, erst nach Erlaß der Vorentscheidung ergangenen Urteilen in BFHE 164, 506, BStBl II 1991, 781 und BFHE 166, 4, BStBl II 1992, 163 entschieden hat, ist bei einer Gesellschaft Schuldner der Hinterziehungszinsen gemäß § 235 Abs. 1 AO 1977 nicht der Geschäftsführer und Gesellschafter, sondern die von ihm vertretene Gesellschaft. Der Geschäftsführer kann nur als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden. Zur Begründung dieser Auffassung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Urteile Bezug genommen.

Danach sind die an die Kläger persönlich gerichteten Zinsbescheide rechtswidrig, denn die Kläger sind nicht im eigenen Namen als Arbeitgeber, sondern nur als Vertreter der OHG aufgetreten. Nur diese konnte deshalb nach der angeführten Rechtsprechung des BFH Schuldnerin eventueller Hinterziehungszinsen sein.

Über die Frage der ursprünglichen Rechtswidrigkeit der Zinsbescheide besteht zwischen den Beteiligten im Revisionsverfahren auch kein Streit mehr. Denn das FA räumt ein, daß die den Klägern bekanntgegebenen Bescheide - isoliert betrachtet - nicht rechtmäßig gewesen seien, weil die Kläger nicht die Schuldner der Hinterziehungszinsen gewesen seien.

2. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz und des FA konnte die Rechtswidrigkeit der an die Kläger gerichteten Zinsbescheide nicht durch die Einspruchsentscheidung geheilt werden.

Auf den Zinsbescheid gemäß § 235 AO 1977 sind gemäß § 239 Abs. 1 AO 1977 die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Nach § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 müssen schriftliche Steuerbescheide die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet. In den angefochtenen Zinsbescheiden waren als Zinsschuldner ausschließlich jeweils die Kläger bezeichnet. Damit liegt nicht etwa eine nur ungenaue, sondern eine eindeutig falsche Schuldnerangabe vor. Eine falsche Schuldnerangabe in einem Steuerbescheid kann aber nicht dadurch geheilt werden, daß im weiteren Verfahren nachträglich der richtige Schuldner eingesetzt wird. Der Mangel ist unheilbar (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 21. Oktober 1985 GrS 4/84, BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230, 231). Die rechtliche Notwendigkeit, in einem Steuerbescheid - und Entsprechendes gilt gemäß § 239 Abs. 1 AO 1977 für einen Zinsbescheid - den Steuerschuldner richtig zu bezeichnen, hat der Große Senat (a.a.O.) neben dem Wortlaut des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 auch daraus abgeleitet, daß der Steuerbescheid Grundlage für die Zwangsvollstreckung gegen den Steuerschuldner ist.

Eine Umdeutung der Zinsbescheide in Haftungsbescheide kommt nicht in Betracht (vgl. BFH in BFHE 166, 4, BStBl II 1992, 163, 164 zu 4., m.w.N.).

3. Die Sache ist spruchreif. Die Vorentscheidung ist von anderen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Zinsbescheide und die Einspruchsentscheidung verletzen die Kläger aus den dargelegten Gründen in ihren Rechten und sind deshalb ebenfalls aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419201

BFH/NV 1994, 2

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