Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratstätigkeit. Behinderung. Vergütungsfortzahlung während der Dauer des Zustimmungsersetzungsverfahrens. Einstweilige Verfügung
Leitsatz (redaktionell)
Die rechtswidrige Vorenthaltung der Vergütung an ein Betriebsratsmitglied ist als Unterlassungs- oder Handlungsanspruch des Betriebsrats auslösender Verstoß gegen § 78 S. 1 BetrVG geeignet.
Normenkette
BetrVG § 78 S. 1, § 103; ZPO § 940
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 14.03.2007; Aktenzeichen 7 BVGa 91/07) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. März 2007 – 7 BVGa 91/07 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Betriebsrat verlangt vom Arbeitgeber im Eilbeschlussverfahren die Fortzahlung der Vergütung an eines seiner Mitglieder für die Dauer des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 BetrVG.
Antragsteller und Beteiligter zu 1) ist der im Betrieb der Beteiligten zu 2) (Arbeitgeberin) gewählte Betriebsrat. Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Werbebranche. Ihr Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 1) zur außerordentlichen Kündigung der Mitarbeiterin A war erstinstanzlich erfolgreich (Beschluss des ArbG Frankfurt am Main vom 14. Febr. 2007 – 7 BV 190/06 –). Beim Hessischen Landesarbeitsgericht ist insoweit ein Beschwerdeverfahren anhängig (5 TaBV 76/07). Die Arbeitgeberin stützt die beabsichtigte Kündigung darauf, dass die Mitarbeiterin A zwei Mitarbeiterinnen eines Dienstleisters aufgefordert hat, eine an die Beteiligte zu 2) gerichtete Rechnung über EUR 418,50 für ein Kolleginnengeschenk auf den Hauptauftraggeber der Beteiligten zu 2) umzuschreiben. Die Beteiligte zu 2) stellte Frau A seit dem Zustimmungsantrag zur Kündigung unter Fortzahlung der Vergütung frei. Betriebsratsarbeit durfte sie ausüben. Seit der erstinstanzlichen Stattgabe des Zustimmungsersetzungsantrages suspendierte sie Frau A ohne Vergütungszahlung. Der Betriebsrat ist der Auffassung gewesen, die Einstellung der Vergütungszahlung stelle eine Ungleichbehandlung des Betriebsratsmitglieds A und eine Behinderung der Tätigkeit des Betriebsrates dar.
Der Betriebsrat hat beantragt:
- der Beteiligten zu 2) aufzugeben, dem Betriebsratsmitglied A über den 1. Febr. 2007 hinaus ihre monatliche Bruttovergütung in Höhe von EUR 4.000 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschlussverfahrens 7 BV 190/06 zu zahlen,
- hilfsweise der Beteiligten zu 2) aufzugeben, es bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschlussverfahrens 7 BV 190/06 zu unterlassen, die Bruttomonatsvergütung des Betriebsratsmitglieds A von monatlich EUR 4.000 ab dem 1. Febr. 2007 einzustellen,
- für jeden Fall der Zuwiderhandlung der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld / Zwangsgeld in Höhe von EUR 10.000 anzudrohen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin hat eine ordnungsgemäße Beschlussfassung zur Einleitung des Verfahrens bestritten. Sie ist der Auffassung gewesen, der Betriebsrat mache individualrechtliche Ansprüche für die Mitarbeiterin A geltend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Anträge durch Beschluss vom 14. März 2007 – 7 BVGa 91/07 – zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, mit der vergütungsfreien Suspendierung von Frau A würde diese nicht in der Ausübung ihrer Betriebsratstätigkeit gestört oder behindert. Der Betriebsrat beachte nicht die Trennung zwischen der individualrechtlichen und betriebsverfassungsrechtlichen Ebene. Im Übrigen bestünde kein Verfügungsgrund. Mit der Stattgabe der Anträge würde die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen, was nur in Ausnahmefällen zulässig sei. Ein solcher könne hier nicht festgestellt werden. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Beschlussgründe Bezug genommen.
Der Betriebsrat hat gegen diesen Beschluss, der ihm am 25. März 2007 zugestellt worden ist, am 2. April 2007 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Der Betriebsrat verfolgt mit der Beschwerde seine erstinstanzlichen Anträge weiter und trägt hierzu vor, Frau A werde in ihrer Funktion als Betriebsratsmitglied gesetzeswidrig behandelt, indem sie, weil man ihr nicht kündigen könne, ohne Vergütung suspendiert worden sei. Damit werde sie im Sinne des § 78 BetrVG benachteiligt und in ihrer Betriebsratstätigkeit behindert. Dies bedeute nichts anderes als das faktische Hinausdrängen von Frau A aus dem Betriebsrat. Ohne Vergütung müsse jedes Betriebsratsmitglied über kurz oder lang die Ausübung der Betriebsratstätigkeit einstellen, weil es gezwungen werde, eine andere Tätigkeit aufzunehmen.
Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und verteidigt den angefochtenen Beschluss. Sie trägt vor, das Betriebsratsmitglied habe bereits keinen Vergütungsanspruch, da die...