Reformbedarf im Familienverfahrensgesetz (FamFG)

Das reformierte Familienverfahrensgesetz trat am 1.9.2009 in Kraft, ein Anlass für die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht, es auf weiteren Reformbedarf zu prüfen. Rechtsanwalt und Notar a.D. Wolfgang Schwackenberg aus Oldenburg, Vorsitzender des Ausschusses Familienrecht im DAV, blickte zunächst zurück auf die fünf Reformziele, die der Gesetzgeber damals anstrebte: Ausbau zu einer zusammenhängenden Verfahrensordnung, die rechtsstaatliche Ausgestaltung des Verfahrens, die Koordinierung mit anderen Verfahrensordnungen, der anwenderfreundliche Gesetzesaufbau nebst anwenderfreundlicher Gesetzessprache und schließlich die Stärkung der konfliktvermeidenden und konfliktlösenden Elemente im familiengerichtlichen Verfahren. Eine Kommission, die das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit der Evaluierung der Reform beauftragt hatte, war zu einem insgesamt positiven Ergebnis gekommen. Schwackenberg stellte die Studie und ihre Fragestellungen vor, zum Beispiel: "Der Verfahrensbeistand verbessert das rechtliche Gehör des Kindes", "Der Beteiligtenbegriff hat sich bewährt", "Die Verfahrensfähigkeit von Minderjährigen (14 Jahre) ist richtig festgelegt". Befragt worden waren Praktiker und Praktikerinnen verschiedener Berufsgruppen, vor allem Richter, Rechtsanwälte, Vertreter des Jugendamtes und Rechtspfleger. Neu im Gesetz von 2009 ist der Anwaltszwang in Unterhaltssachen. Wegen der zunehmenden Komplexität auf diesem Gebiet hat sich die Neuerung bewährt, das meinte die überwiegende Mehrheit der befragten Richterinnen und Richter der Amts- und Oberlandesgerichte. Reformbedarf, so resümierte Schwackenberg, gebe es vor allem bei der Nichtzulassungsbeschwerde, die in Familiensachen – anders als in nahezu allen Zivilverfahren – nicht statthaft ist. Denn die Oberlandesgerichte machten von der Möglichkeit, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, nur selten Gebrauch. Und der Vorsitzende des XII. Senats am Bundesgerichtshof Hans-Joachim Dose, der an der Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft teilnahm, bestätigte das zwar, sprach sich dennoch gegen die Nichtzulassungsbeschwerde aus. Sie würde den BGH zu sehr belasten. Die Diskussion darüber wird weitergehen.

Reformbedarf im Kindschaftsrecht

Alle Entscheidungen im Kindschaftsrecht sind ausschließlich unter dem Aspekt des Kindeswohls zu treffen, das hat der BGH in seiner Rechtsprechung unmissverständlich klargemacht. Daraus müssten rechtliche Konsequenzen gezogen werden, erläuterte Rechtsanwalt und Notar a.D. Klaus-Peter Horndasch (Weyhe-Leeste), Mitglied des Ausschusses Familienrecht im DAV, der den zweiten Teil der Veranstaltung bestritt. Vor allem müsste das Kindeswohlprinzip an die erste Stelle im Kindschaftsrecht gesetzt werden. Zum Beispiel sollte das Recht der elterlichen Sorge beiden leiblichen Eltern zustehen, unabhängig von der Eheschließung. Für die Kinder sei es wichtig, nach der Trennung Kontakt sowohl zur Mutter als auch zum Vater zu behalten und nicht einen von ihnen zu verlieren. Einer betreut, einer zahlt – diese Konstellation sei nicht zum Wohle des Kindes. Wie die elterliche Sorge dann aufgeteilt werde, dürfe nicht starr geregelt werden. Es sei notwendig, sich vom "Residenzmodell" und "Wechselmodell" als Gegensatzpaar zu lösen. Denn viele Eltern können und wollen ein exakt hälftig aufgeteiltes Betreuungsmodell aus unterschiedlichen Gründen nicht leben. Sie wollen aber sehr wohl die Betreuungszeiten aufteilen, etwa mit Anteilen von 60 zu 40 oder von 70 zu 30 Prozent der Zeit. Auch die Sprache im Gesetz sollte geändert und an die neuen Herausforderungen angepasst werden. So wie bei der früheren Kindschaftsreform von 1980 aus der elterlichen "Gewalt" die elterliche "Sorge" wurde, plädierte Horndasch dafür, elterliche "Verantwortung" ins Gesetz zu schreiben. Neben weiteren Folgeänderungen müsste ein Kinderverbundverfahren – mit Vorrang und Beschleunigungsgebot – unabhängig und isoliert vom Scheidungsverfahren – geschaffen werden. So könnten in einem einzigen gerichtlichen Verfahren alle Probleme für die Kinder – Unterhalt, Sorge, Betreuung und Umgang – im Einzelfall gelöst werden.

Beschwerde zum Europäischen Gerichthof für Menschrechte im Familienrecht

Im dritten Teil der Veranstaltung referierte Rechtsanwalt Stefan von Raumer aus Berlin über die Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention vor allem im nationalen Recht. Auch in Deutschland gebe es Verstöße gegen die Konvention, wenn auch nicht so offensichtlich wie in anderen europäischen Staaten. Wenn der Gang nach Karlsruhe erfolglos war, könnte eine Individualbeschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg helfen. Davon würde viel zu selten Gebrauch gemacht. Von Raumer gab den Familienanwältinnen und -anwälten zahlreiche Tipps für eine Beschwerde in Straßburg. Er sprach zum Beispiel über die wesentlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen und erklärte, wie eine Beschwerde einzureichen ist. Als Beispiel für Gesetzesänderungen im Familienrech...

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