Leitsatz

Gegenstand des Verfahrens vor dem OLG Brandenburg war die Frage, wann die Vernachlässigung eines Kindes i.S.d. § 1666 Abs. 1 BGB vorliegt und zur Abwendung der Gefahr für das Kind der alleinsorgeberechtigten Mutter die elterliche Sorge zu entziehen ist.

 

Sachverhalt

Die Kindesmutter hatte noch während der Zeit ihrer Minderjährigkeit ein Kind geboren, das aus ihrer nichtehelichen Beziehung hervorgegangen war. Die zunächst bestehende Vormundschaft für das Kind wurde mit Eintritt der Volljährigkeit der Kindesmutter im April 2006 beendet. Am 14.12.2006 leitete das Jugendamt bei dem zuständigen FamG ein Verfahren nach § 1666 BGB ein. Zuvor war das Kind in Obhut genommen und in Bereitschaftspflege untergebracht worden. Mit Bericht vom 14.12.2006 wurde vom Jugendamt mitgeteilt, schon die Familie der Eltern der Kindesmutter habe für verschiedene Kinder Familienhilfe erhalten. Die Kindesmutter sei als Jugendliche mehrfach von zu Hause weggelaufen. Ihre Eltern hätten ein Alkoholproblem, es bestünden schlechte Wohnverhältnisse, Armut und Arbeitslosigkeit, mangelnde Berufsausbildung und chronische Partnerschaftsprobleme. Die Erziehungskompetenz sei eingeschränkt. In der jahrelangen Betreuung der Kindesmutter als Jugendliche sei festgestellt worden, dass sie stimmungsabhängig und ambivalent im Verhalten auftrete. Es habe Alkohol- und Drogenkonsum stattgefunden. Auch der Schulpflicht sei sie nicht regelmäßig nachgegangen. Hilfsangebote habe sie nur beschränkt annehmen können. Ein Vertrauensverhältnis ggü. der Familienhelferin habe es nicht gegeben.

Im November 2006 habe sich herausgestellt, dass das Kind bereits seit Ende April 2006 bei der Großmutter lebe, die dessen Versorgung mit Unterstützung einer Schwester der Kindesmutter übernommen habe. Die Kindesmutter selbst habe den Lebensunterhalt für ihr Kind nicht abgesichert, sondern das Geld für sich ausgegeben. Bedürfnisse und Wünsche des Kindes könne sie nicht wahrnehmen und sich um eine entwicklungsangemessene Betreuung nicht kümmern. Die Beziehung zum Kindesvater sei wechselhaft. Ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren sei anhängig. Die Kindesmutter unterbinde den Kontakt zum Kindesvater. Deshalb sei die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie erforderlich, womit die Kindesmutter nicht einverstanden sei.

Das Jugendamt beantragte die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, der Gesundheitsfürsorge sowie das Recht auf Hilfe zur Erziehung auf den Landkreis.

Mit Beschluss vom 15.12.2006 ordnete das AG im Wege der einstweiligen Anordnung an, dass der Kindesmutter das Recht zur Aufenthaltsbestimmung, der Gesundheitsfürsorge und des Rechtes zur Erziehung entzogen und auf das Jugendamt übertragen werde. Hiergegen wandte sich die Kindesmutter mit ihrem als Beschwerde bezeichneten Antrag, mit dem sie die Aufhebung der einstweiligen Anordnung bzw. deren Überprüfung begehrte.

Zwischenzeitlich war die Vaterschaft des Partners der Kindesmutter durch Urteil festgestellt worden. Der Kindesvater lebte im Haushalt seiner Mutter und befand sich in einer schulischen Ausbildung. Er beantragte, ihm das Sorgerecht für das Kind gemäß § 1680 Abs. 2 BGB zu übertragen.

Mit Beschluss vom 3.12.2007 hat das FamG der Kindesmutter die elterliche Sorge insgesamt entzogen und mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts zum Zwecke der Umgangsgewährung auf den Kindesvater übertragen. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht zum Zwecke der Umgangsgewährung hat das Gericht auf das Jugendamt übertragen. Die Entscheidung wurde mit der weiter fortbestehenden Erziehungsunfähigkeit der Kindesmutter begründet, die nach wie vor unzuverlässig sei. Demgegenüber lebe der Vater in geordneten Verhältnissen.

Gegen diese Entscheidung wandte sich die Kindesmutter mit der Beschwerde, deren Zurückweisung der Kindesvater beantragte.

Im Termin vor dem OLG am 24.4.2008 wurden die Beteiligten angehört.

Die Beschwerde der Kindesmutter erwies sich als begründet.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des OLG lagen keine Tatsachen vor, die eine Entziehung des Sorgerechts der Kindesmutter nach § 1666 BGB rechtfertigten.

Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG garantiere den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Sie könnten grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalteten und damit ihrer Eigenverantwortung gerecht würden. Hierbei sei allerdings das Kindeswohl stets zu berücksichtigen (BVerfGE 60, 79; FamRZ 2008, 492).

Nach § 1666 Abs. 1 BGB könne dem Sorgeberechtigten die elterliche Sorge entzogen werden, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen oder durch einen Dritten gefährdet würde, sofern die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage seien, die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Es komme nicht darauf an, ob die Kindesmutter, gemessen an den Fähigkeiten des Kindes, in der Lage sei, es bestmöglich zu ...

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