Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die gesetzliche Verpflichtung von Arbeitgebern, unter bestimmten Voraussetzungen die Aufwendungen der ehemaligen Bundesanstalt für Arbeit für Leistungen an Beschäftigte zu erstatten, die aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind.
I.
1. § 128 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) verpflichtete unter bestimmten Voraussetzungen den Arbeitgeber zur Erstattung von Aufwendungen für Arbeitslosengeld an ehemalige Mitarbeiter sowie für die bei dieser Leistung anfallenden Beiträge zur Sozialversicherung. Das Bundesverfassungsgericht hat die Erstattungspflicht im Wesentlichen für verfassungsgemäß erachtet, allerdings Teile der von ihm geprüften Regelungen für nichtig erklärt oder einer verfassungskonformen Auslegung zugeführt (vgl. BVerfGE 81, 156). Nachdem § 128 AFG in der Zeit vom 1. Juli 1991 bis zum 31. Dezember 1992 aufgehoben war, wurde der Erstattungstatbestand durch Art. 1 Nr. 36 des Gesetzes zur Änderung von Fördervoraussetzungen im Arbeitsförderungsgesetz und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992 (BGBl I S. 2044) mit Wirkung vom 1. Januar 1993 wieder in das Arbeitsförderungsgesetz eingefügt. Die Vorschrift hatte, soweit hier von Bedeutung, folgenden Wortlaut:
(1) Der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs. 2 die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, erstattet der Bundesanstalt vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage; § 104 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 gilt entsprechend. Die Erstattungspflicht tritt nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres des Arbeitslosen beendet worden ist, der Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt oder der Arbeitgeber darlegt und nachweist, daß
1. bis 3. …
4. er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes findet keine Anwendung, das Arbeitsamt ist an eine rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts über die soziale Rechtfertigung einer Kündigung gebunden,
5. er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen,
6. sich die Zahl der Arbeitnehmer in dem Betrieb, in dem der Arbeitslose zuletzt mindestens zwei Jahre beschäftigt war, um mehr als 3 vom Hundert innerhalb eines Jahres vermindert und unter den in diesem Zeitraum ausscheidenden Arbeitnehmern der Anteil der Arbeitnehmer, die das 56. Lebensjahr vollendet haben, nicht höher ist als es ihrem Anteil an der Gesamtzahl der im Betrieb Beschäftigten zu Beginn des Jahreszeitraumes entspricht. Vermindert sich die Zahl der Beschäftigten im gleichen Zeitraum um mindestens 10 vom Hundert, verdoppelt sich der Anteil der älteren Arbeitnehmer, der bei der Verminderung der Zahl der Arbeitnehmer nicht überschritten werden darf. Rechnerische Bruchteile werden aufgerundet. Wird der gerundete Anteil überschritten, ist in allen Fällen eine Einzelfallentscheidung erforderlich,
7. …
(2) Die Erstattungspflicht entfällt, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, daß
1. …
2. die Erstattung für ihn eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, weil durch die Erstattung der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet wären. Insoweit ist zum Nachweis die Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle erforderlich.
(3) …
(4) Soweit nach Absatz 1 Arbeitslosengeld zu erstatten ist, schließt dies die auf diese Leistung entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung ein.
(5) bis (8) …
Zum 1. April 1997 wurde § 128 AFG wieder aufgehoben, galt jedoch auf Grund einer Übergangsregelung für bestimmte Fälle fort. Seit 1. April 1999 enthält das Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in § 147 a eine Nachfolgeregelung.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die ihrer Rechtsvorgängerin mit Bescheiden der Bundesanstalt vom 30. Juli 1998 auferlegte Verpflichtung, das an ihren ehemaligen Arbeitnehmer A. in der Zeit vom 9. April 1994 bis einschließlich 26. Februar 1996 gezahlte Arbeitslosengeld sowie die von der Bundesanstalt entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und zur sozialen Pflegeversicherung nach § 128 AFG zu erstatten. Die Erstattungsforderung beläuft sich auf insgesamt 66.442,83 DM (jetzt: 33.971,68 EUR). Das Arbeitsverhältnis war durch Aufhebungsvertrag beendet worden. Den Rechtsweg hat die Beschwerdeführerin ohne Erfolg beschritten.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG sowie des Anspruchs auf ein faires Verfahren. Sie macht vor allem eine verfassungswidrige Rechtsanwendung durch die Gerichte im Ausgangsverfahren geltend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen von § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
1. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit dem Urteil vom 23. Januar 1990 (BVerfGE 81, 156) festgestellt, dass die in § 128 AFG normierte Erstattungspflicht der Arbeitgeber grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht begegnet. Zwischenzeitlich eingetretene Umstände, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten, sind nicht erkennbar. Dass die Beschwerdeführerin einen besonderen Verantwortungszusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit älteren, langjährig beschäftigten Mitarbeitern und den sozialen Folgekosten der Beendigung von vornherein verneint, steht im Widerspruch zu dieser Entscheidung (vgl. BVerfGE 81, 156 ≪196 f.≫).
Auch kann die Beschwerdeführerin nicht mit dem Vortrag überzeugen, die Verpflichtung zur Erstattung des Leistungsaufwands der Bundesanstalt auf der Grundlage des § 128 AFG in der ab 1. Januar 1993 geltenden Fassung habe nur mehr eine Finanzierungsfunktion gehabt und sei nicht zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks geeignet gewesen. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Die Regelungsstruktur der Vorschrift hat sich im Vergleich zu deren früheren Fassungen nicht geändert. Der Gesetzgeber hat bewusst an das bis 1991 geltende Recht angeknüpft (vgl. BTDrucks 12/3211, S. 24). Die Beschwerdeführerin hat sich darauf beschränkt, zu behaupten, eine verhaltenssteuernde Wirkung sei der Erstattungspflicht in der Lebenswirklichkeit nicht zugekommen. Auf Grund dieses pauschalen Vortrags ist das Bundesverfassungsgericht nicht gehalten, in Ermittlungen einzutreten, ob und inwieweit Arbeitgeber aufgrund der Erstattungspflicht tatsächlich auf eine Frühverrentung ihrer älteren, langjährig beschäftigten Mitarbeiter verzichtet haben.
2. Der Umstand, dass der frühere Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des § 105 c AFG erhalten hat, lässt die besondere Verantwortung der Beschwerdeführerin für dessen Arbeitslosigkeit nicht entfallen. Die Regelung des § 105 c AFG hat in den Fällen, in denen sie zur Anwendung kam, im Ergebnis keine signifikante Verschlechterung der Vermittlungschancen bewirkt. Denn die Arbeitnehmer, die sie betraf, hatten ohnehin kaum eine Möglichkeit, am Arbeitsmarkt noch einmal zu einer entsprechenden Beschäftigung zu kommen (vgl. auch BVerfGE 81, 156 ≪196≫). § 105 c AFG bewirkte keinen eigenen Grund für die Arbeitslosigkeit älterer Beschäftigter. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Vermittlung auch dann nicht bestand, wenn der ältere Arbeitslose bereit war, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Deshalb wurde der § 128 AFG tragende Zurechnungszusammenhang auch im Falle einer Anwendung § 105 c AFG nicht in einem Maß gelöst, das die Erstattungspflicht unverhältnismäßig erscheinen ließ.
3. a) Soweit die Beschwerdeführerin rügt, das Landessozialgericht hätte im Hinblick auf mögliche Ansprüche des früheren Arbeitnehmers auf andere Sozialleistungen nicht zum Ergebnis gelangen dürfen, er hätte seine bisherige Tätigkeit als Packer wegen einer schweren Herzerkrankung weiterhin verrichten können, wendet sie sich gegen die fachgerichtliche Beweiswürdigung. Die Feststellung des Sachverhalts wie die Würdigung der Beweise ist allerdings Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen (vgl. BVerfGE 4, 294 ≪297≫); es kann lediglich eine Prüfung auf Willkür erfolgen. Für Willkür der fachgerichtlichen Entscheidungen finden sich aber keine Anhaltspunkte.
b) Soweit die Beschwerdeführerin rügt, das Landessozialgericht hätte noch weitere Beweise erheben müssen, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Sie verstößt insoweit gegen den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde. Die Beschwerdeführerin hat nicht alles ihr Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um der geltend gemachten Beschwer bereits im fachgerichtlichen Verfahren abzuhelfen. Weder die Begründung der Verfassungsbeschwerde noch die übermittelten Unterlagen lassen den Schluss zu, dass die Beschwerdeführerin vor dem Landessozialgericht – unbeschadet der Untersuchungsmaxime nach § 103 SGG – entsprechende Beweisanträge gestellt oder zumindest zweckdienliche Beweise angeregt hat. Damit wird der Beschwerdeführerin nichts Unzumutbares abverlangt; immerhin hat sie selbst in der Begründung der Verfassungsbeschwerde näher dargelegt, welche Ermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten.
4. Es verstößt auch nicht gegen Grundrechte der Beschwerdeführerin, dass § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AFG von der Rechtsprechung nicht auf „sozial gerechtfertigte” Aufhebungsverträge zur Anwendung gebracht wird. Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Auslegung dieser Vorschrift durch die Sozialgerichte wird von Erwägungen getragen, die sowohl vor dem Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG als auch dem des Art. 3 Abs. 1 GG bestehen können. Zu Recht stellt das Bundessozialgericht darauf ab, dass sich der Arbeitgeber beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages nicht der Prüfung der die Kündigung sozial rechtfertigenden Gründe aussetze. Dies gelte vor allem dann, wenn eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber tarifvertraglich ausgeschlossen sei und erst der Aufhebungsvertrag eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ermögliche oder zumindest erleichtere. Könne der Arbeitgeber sozial rechtfertigende Gründe anführen und damit darlegen und nachweisen, dass die Verantwortlichkeit für die Arbeitslosigkeit seines früheren Arbeitnehmers nicht ihn treffe, habe er die Möglichkeit, vom Kündigungsrecht Gebrauch zu machen (vgl. BSG, SozR 3-4100 § 128 AFG Nr. 5, S. 41 ≪47 f.≫). Die Beschränkung des § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AFG auf Kündigungen bewirkte zudem, dass nur solche Beendigungsakte geeignet waren, die Erstattungspflicht zu beseitigen, die zumindest dem Grunde nach von den für die Beurteilung der dabei aufgeworfenen arbeitsrechtlichen Fragen zuständigen und kompetenten Gerichten überprüft werden konnten. Der Gesetzgeber durfte insoweit die Bundesanstalt entlasten. Im Falle von Aufhebungsverträgen hätte sie in allen Fällen selbst die soziale Rechtfertigung prüfen müssen.
5. a) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die gesetzliche Regelung zum Ausgleich von Härtefällen sei unzureichend gewesen, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil sie insoweit nicht hinreichend substantiiert ist. Sie geht unzutreffend davon aus, allein § 128 Abs. 2 Nr. 2 AFG habe die Funktion gehabt, Härtefällen gerecht zu werden. Dabei verkennt sie, dass der Gesetzgeber auch darüber hinaus Vorkehrungen gegen ein unzumutbares Erstattungsverlangen getroffen hat (vgl. nur § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und 7 AFG).
b) Auch in Bezug auf die Anwendung von § 128 Abs. 2 Nr. 2 AFG durch die Fachgerichte lassen sich keine Verstöße gegen Verfassungsrecht feststellen. Die Bestimmung des maßgebenden Beurteilungszeitpunkts und die Bewertung der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle durch die Ausgangsgerichte bewegen sich auf der Ebene des einfachen Rechts; Hinweise für eine verfassungsrechtliche Bedeutung dieser Fragen sind nicht erkennbar. Insbesondere sind die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen der Sozialgerichte insoweit nicht willkürlich.
6. Die Rüge, das Landessozialgericht habe das rechtliche Gehör verletzt, ist schon deswegen unzulässig, weil die Beschwerdeführerin es offenbar versäumt hat, die in der Begründung der Verfassungsbeschwerde dargelegten Umstände bereits beim Bundessozialgericht vorzutragen. Das widerspricht dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde. Da die Beweiswürdigung des Landessozialgerichts keine Willkür erkennen lässt, kann die Beschwerdeführerin auch nicht in ihrem Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt sein.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Gaier
Fundstellen