Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragsentlastung. Arbeitseinkommen. Steuervergünstigung. Sonderabschreibung

 

Leitsatz (amtlich)

Sonderabschreibungen nach § 76 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung sind Steuervergünstigungen, die dem Arbeitseinkommen des landwirtschaftlichen Unternehmers bei der Feststellung seiner Entlastungsbedürftigkeit hinzuzurechnen sind.

 

Normenkette

SVBEG § 1; SGB IV § 15; EStG § 7a Abs. 4, § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. k; EStDV § 76

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 23.07.1992; Aktenzeichen L 7 Lw 2/90)

SG Nürnberg (Urteil vom 23.01.1990; Aktenzeichen S 3 Lw 21/87)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. Juli 1992 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Gewährung einer Entlastung von Beiträgen zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung nach § 1 des Gesetzes zur Entlastung landwirtschaftlicher Unternehmer von Beiträgen zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (Sozialversicherungs-Beitragsentlastungsgesetz – SVBEG) vom 21. Juli 1986 (in Kraft getreten mit Wirkung vom 1. Januar 1986 – BGBl I 1070) für das Jahr 1986.

Der 1934 geborene Kläger ist seit 1961 als landwirtschaftlicher Unternehmer nach § 14 Abs 1 Buchst a des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) beitragspflichtiges Mitglied der beklagten Landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK). Im Jahre 1985 haste sein Unternehmen (44,18 ha Landwirtschaft und 8,30 ha Forstwirtschaft) einen Wirtschaftswert von 55.122,00 DM. Der Kläger und seine Ehefrau erzielten kein außerlandwirtschaftliches Einkommen. Der (nach § 162 der Abgabeordnung ≪AO≫ geschätzte) Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft betrug (laut Einkommensteuerbescheid 1985) im Wirtschaftsjahr 1985/86 (1. Juli 1985 bis 30. Juni 1986) 37.806,00 DM. Hierbei war eine Sonderabschreibung nach § 76 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in Höhe von 7.237,00 DM gewinnmindernd angerechnet worden. Unter Berücksichtigung des anteiligen Gewinns (aus dem Wirtschaftsjahr 1984/85: 21.721,00 DM; 1985/86: 18.903,00 DM) betrug der auf das Kalenderjahr 1985 entfallende Gewinn 40.624,00 DM. Die beklagte LAK lehnte mit dem streitigen Bescheid vom 1. Juli 1987 ab, dem Kläger die beantragte Entlastung nach § 1 Abs 1 Nr 3 SVBEG zu gewähren, weil die steuerliche Vergünstigung in Höhe von 7.237,00 DM dem Arbeitseinkommen von 40.624,00 DM hinzuzurechnen sei. Damit habe das Gesamteinkommen von 47.861,00 DM entgegen § 1 Abs 1 Nr 3 Buchst c SVBEG im Kalenderjahr vor der Antragstellung (dh: 1985) das 1,2-fache der Bezugsgröße (im Jahr 1986: 34.440,00 DM × 1,2 = 41.328,00 DM) überschritten.

Das Sozialgericht (SG) Nürnberg hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 31. Dezember 1986 eine Entlastung von Beiträgen zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung zu gewähren (Urteil vom 23 Januar 1990). Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil auf die – vom SG zugelassene – Berufung der beklagten LAK aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 1. Juli 1987 abgewiesen (Urteil vom 23. Juli 1992). Das Berufungsgericht ist folgender Ansicht: Die Sonderabschreibung nach § 76 EStDV sei eine steuerliche Vergünstigung iS von § 15 Satz 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV). Es handle sich um eine Vergünstigung bei der Gewinnermittlung, welche eine degressive Abschreibung bis zur Höhe von insgesamt 50 vH im Wirtschaftsjahr der Anschaffung und in den beiden folgenden Wirtschaftsjahren und damit die Einsparung von Einkommensteuern ermögliche, die auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht nachzuentrichten seien.

Mit der – vom Senat zugelassenen – Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 1 Abs 1 Nr 3 SVBEG iVm § 3c GAL iVm § 15 Satz 2 SGB IV. Die Sonderabschreibung nach § 76 EStDV, die auf der Ermächtigungsnorm des § 51 Abs 1 Nr 2 Buchst k des Einkommensteuergesetzes (EStG) beruhe, sei keine steuerliche Vergünstigung. Das Wirtschaftsgut könne nur einmal und zwar bis auf den Restnutzungswert abgeschrieben werden. Über den gesamten Abschreibungszeitraum gesehen ergebe sich kein unmittelbarer Abschreibungsvorteil. Nach Ablauf des Sonderabschreibungszeitraums sei der Unternehmer an § 7a Abs 9 EStG gebunden. Subventionscharakter komme dieser Sonderabschreibung nicht zu. Falls man § 76 EStDV als steuerliche Vergünstigung bewerte, führe dies zu Nachteilen bei der Gewährung des Beitragszuschusses. Denn in der Zeit nach der Anrechnung der erhöhten Abschreibungsmöglichkeit erfolge kein Abschlag gegenüber der normalen Abschreibung. Das weitere Vorbringen des Klägers ergibt sich aus den Schriftsätzen vom 7. Dezember 1992, 26. Januar 1993 und vom 25. Februar 1993.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. Juli 1992 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23. Januar 1990 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Bei der Gewinnermittlung nach § 4 EStG komme der Bewertung des Betriebsvermögens besondere Bedeutung zu. Nach § 6 EStG seien Abschreibungen bei Wirtschaftsgütern, die zweifelsfrei einer Abnutzung unterliegen, zwingend vorgeschrieben. Deren Höhe werde im Rahmen des § 7 EStG ermittelt. Die allgemeinen Abschreibungsmethoden nach dieser Vorschrift (lineare, degressive, leistungsbezogene Abschreibung) dienten der sachgerechten Ermittlung des Wertverlustes. Dies sei bei Sonderabschreibungen nicht der Fall. Sie könnten nach § 7a Abs 4 EStG zusätzlich zu den nach § 7 EStG vorzunehmenden Abschreibungen in Anspruch genommen werden. § 51 Abs 1 Nr 2 Buchst k EStG, auf dem § 76 EStDV beruhe, ermächtige zur Einführung von “Abschreibungsfreiheiten oder Steuerermäßigungen” durch Rechtsverordnung. Es handle sich um keine allgemeine Gewinnermittlungsvorschrift des Einkommensteuerrechts. Bei der Sonderabschreibung nach § 76 EStDV werde der nach allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelte Gewinn zusätzlich um die Höhe der Sonderabschreibung vermindert. Das ergebe eine niedrigere Steuerbelastung, die Subventionscharakter habe. Denn der Liquiditätsvorteil und der das Eigenkapital verstärkende Effekt führe auch unter Berücksichtigung der in den Folgejahren niedrigeren Abschreibungsmöglichkeiten (§ 7a Abs 9 EStG) und einer dann evtl eintretenden höheren Steuerbelastung insgesamt zu einem finanziellen Vorteil. Auf die vom Kläger angesprochene Gesamtbetrachtung des Abschreibungszeitraums komme es nicht an.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat zutreffend erkannt, daß die beklagte LAK zu Recht abgelehnt hat, die begehrte Beitragsentlastung zu gewähren.

Gemäß § 1 Abs 1 Satz 1 SVBEG (das mit Wirkung vom 1. Januar 1991 durch Art 6 Abs 4 Nr 1 des Gesetzes vom 27. September 1990, BGBl I 2110, aufgehoben worden ist) dürfte dem Kläger eine Entlastung von seinen Beiträgen zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (Entlastung) im Kalenderjahr 1986 nur gewährt werden, wenn sein Einkommen (iS von Nr 3 Buchst c aaO) einschließlich des Arbeitseinkommens aus der Land- und Forstwirtschaft im Kalenderjahr vor der Antragstellung (dh: im Jahr 1985) das 1,2-fache der Bezugsgröße (von 34.440,00 DM gemäß § 2 der Sozialversicherungs-Bezugsgrößenverordnung 1986 vom 20. Dezember 1985, BGBl I 2557), dh 41.328,00 DM, nicht überschritten hat. Keiner Darlegung bedarf, daß der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 1 Nrn 1 oder 2 aaO, nämlich die Voraussetzungen für einen Zuschuß zum Beitrag nach § 3c Abs 1 bis 5 und 7 GAL oder für einen Zuschuß zum Beitrag nach § 1 der GAL-Beitragszuschußverordnung vom 21. Mai 1986 (BGBl I 750), schon deswegen nicht erfüllt, weil der Wirtschaftswert seines Unternehmens mit 55.122,00 DM den hierfür maßgeblichen Grenzwert von 30.000,00 DM bzw 40.000,00 DM überschreitet. Das LSG und die beklagte LAK sind zu dem richtigen Ergebnis gelangt, daß das Einkommen des Klägers iS von § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 3 Buchst c SVBEG im Jahre 1985, dem Kalenderjahr vor der Antragstellung, den Grenzwert, dh das 1,2-fache der im streitigen Zeitraum (Jahr 1986) geltenden Bezugsgröße, also 41.328,00 DM überschritten hat. Die Bezugsgröße für das jeweilige Entlastungsjahr (hier: 1986) ist – was sich aus dem Wortlaut von Buchst c aaO nicht eindeutig erschließt – maßgeblich, weil sie die Obergrenze der Entlastungsbedürftigkeit für das jeweilige Leistungsjahr festlegt.

Nach § 1 Abs 1 Satz 2 Regelung 2 SVBEG ist für das Einkommen nach Satz 1 Nr 3 aaO § 3c Abs 1, 2 und 4 GAL entsprechend anzuwenden. § 3c Abs 2 Buchst a GAL bestimmt, daß Einkommen ua Arbeitseinkommen ist. Darunter ist gemäß § 15 Satz 1 SGB IV, der nach § 1 Abs 1 SGB IV auch für die Altershilfe für Landwirte nach dem GAL gilt, der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit zu verstehen. § 15 Satz 2 SGB IV schreibt hierzu vor, daß bei der Ermittlung des Gewinnes steuerliche Vergünstigungen unberücksichtigt zu lassen sind.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat gebunden ist (§§ 163, 164 Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫), betrug der auf das Kalenderjahr 1985 entfallende, der Einkommensbesteuerung unterliegende Gewinn des Klägers, der kein anderes Einkommen erzielt hat, 40.624,00 DM. Dieser Betrag gibt jedoch den iS von § 15 Satz 1 SGB IV “nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts” ermittelten Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer nur unvollständig wieder. Er ist nämlich um den anteiligen, dh hälftigen Betrag der dem Kläger für das Wirtschaftsjahr 1985/86, das vom 1. Juli 1985 bis zum 30. Juni 1986 gedauert hat (§ 4a Abs 1 Satz 2 Nr 1 Regelung 1 EStG), gewährten Steuervergünstigung, der Sonderabschreibung nach § 76 EStDV von 7.237,00 DM, also um 3.618,50 DM herabgesetzt.

Es kann offen bleiben, wie der Ausdruck “allgemeine Gewinnermittlungsvorschriften” iS von § 15 Satz 1 SGB IV inhaltlich zu bestimmen und abzugrenzen ist (vgl dazu Bundessozialgericht ≪BSG≫ in BSGE 64, 213, 214 f = SozR 2100 § 15 Nr 10 mwN). § 15 Satz 1 SGB IV betont jedenfalls den Vorrang der steuerrechtlichen Gewinnermittlung und schließt – abgesehen von der Sonderregelung des Satzes 2 aaO – eigene sozialversicherungsrechtliche Vorschriften über die Gewinnermittlung aus (BSG aaO, mwN). Hierauf ist nicht näher einzugehen, weil die Sonderabschreibung nach § 76 EStDV (idF seit der Bekanntmachung der Neufassung der EStDV vom 23. Juni 1982, BGBl I 700) eine “steuerliche Vergünstigung” iS von § 15 Satz 2 SGB IV und deshalb bei der Feststellung des sozialrechtlich relevanten Gewinns unberücksichtigt zu lassen, also dem zu versteuernden Gewinn anteilig hinzuzurechnen ist.

Mit “steuerlicher Vergünstigung” (ein Ausdruck, der dem EStG und der EStDV fremd ist) sind solche Vergünstigungen bei der steuerrechtlichen Gewinnermittlung gemeint, die in Abweichung von den üblichen Regelungen der Gewinnermittlung besondere Vorteile bei der Bewertung oder bei der Absetzung von Wirtschaftsgütern einräumen, die im wesentlichen nicht der möglichst wirklichkeitsnahen Erfassung eines Wertverlustes, sondern der Förderung bestimmter Sozialzwecke dienen, mithin Subventionscharakter haben (BSG aaO; BSGE 58, 277, 280 = SozR 2100 § 15 Nr 8; BSGE 53, 138, 141 ff = SozR 2100 § 15 Nr 5; Merten GK-SGB VII, § 15 Rz 35 f). Hierunter fallen grundsätzlich alle steuerrechtlichen “Sonderabschreibungen” (BR-Drucks 300/75 S 32 zu § 15), es sei denn, daß (und soweit) diese nach der Art ihrer Ausgestaltung bei der steuerrechtlichen Gewinnermittlung an die Stelle einer Norm treten, die ihrerseits den wirklichen Wertverlust erfassen soll.

§ 76 EStDV, der auf der in § 51 Abs 1 Nr 2 Buchst k EStG erteilten Ermächtigung beruht, “Abschreibungsfreiheit oder Steuerermäßigungen” für bestimmte Wirtschaftsgüter bei ua Landwirten einzuführen, enthält eine Steuervergünstigung. Die Vorschrift bezweckt nicht, den im jeweiligen Wirtschaftsjahr wirklich eingetretenen Wertverlust zu erfassen. Es handelt sich vielmehr – wie die Beklagte zutreffend meint – um eine wirtschaftslenkende Steuervergünstigung, die deswegen auch im Subventionsbericht der Bundesregierung aufgeführt ist (vgl Zwölfter Subventionsbericht – BT-Drucks 11/5116 S 146). Nach § 76 EStDV können ua Landwirte von Aufwendungen für den Erwerb, die Anschaffung oder den Um- und Ausbau bestimmter Wirtschaftsgüter im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung und in den beiden folgenden Wirtschaftsjahren Sonderabschreibungen vornehmen, und zwar bei beweglichen Wirtschaftsgütern bis zur Höhe von insgesamt 50 vH, bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern und bei Um- und Ausbauten an diesen bis zur Höhe von insgesamt 30 vH der Anschaffungs- oder Herstellungskosten (Abs 1 aaO mit Ergänzungen in den Abs 2 bis 4). Der Bundesfinanzhof (BFH in BFHE 167, 140, 142 f, mwN) hat geklärt, daß es Zweck von § 51 Abs 1 Nr 2 Buchst k EStG und § 76 EStDV ist, Steuervergünstigungen zur Förderung der inländischen Land- und Forstwirtschaft einzuräumen und die Land- und Forstwirte als Berufsgruppe steuerlich zu fördern. § 76 EStDV ist vor allem als besondere Liquiditätshilfe für Land- und Forstwirte ausgestaltet. Er ermöglicht es dem Begünstigten, zu Lasten des Prinzips der periodengerechten Gewinnermittlung und der Klärung der Vermögenslage des Unternehmens durch den sog Vorzieheffekt einen Spielraum bei der Steuerplanung zu nutzen, der es ihm erlaubt, im Wege der nominellen Kapitalerhaltung, also infolge der Gewinnminderung, flüssige Mittel im Unternehmen anzusammeln, die nicht der Besteuerung unterliegen (Blümich/Brandis, § 7 EStG Rz 42 ff; Tipke/Lang, Steuerrecht, 13. Aufl 1991, S 307, 644 ff; Blümich/Stuhrmann, § 51 EStG Rz 7; jew mwN). Eine derartige Liquiditätshilfe verfälscht alle Bemessungsgrundlagen in Sozialgesetzen, die an den steuerlichen Gewinn anknüpfen (Tipke/Lang, aaO, S 649).

Die Sonderabschreibung nach § 76 EStDV erfaßt keinen während dieser Zeit eingetretenen realen Wertverlust. Gemäß § 7a Abs 4 EStG sind nämlich die Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Abs 1 oder 4 EStG bei Wirtschaftsgütern, bei denen Sonderabschreibungen in Anspruch genommen werden, (gleichwohl und vorab) vorzunehmen. Diese Grundregel, nach der die der Ermittlung des realen Wertverlustes dienende Absetzung für Abnutzung zwingend auch dann vorzunehmen ist, wenn zusätzlich eine Sonderabschreibung in Anspruch genommen wird, ist weder in § 76 EStDV noch in einer anderen Vorschrift ausgeschlossen worden (vgl Schmidt/Drenseck, § 7a Rz 5, § 13 EStG Rz 48; Tipke/Lang, aaO S 647; Blümich/Brandis, aaO, § 7a EStG Rz 20 ff; jew mwN). Demgemäß ist auch der reale Wertverlust der Wirtschaftsgüter, für welche der Kläger die Sonderabschreibung nach § 76 EStDV in Anspruch genommen hat, bei der Ermittlung seines Gewinns bereits vorab berücksichtigt worden. Deswegen ist der auf das Kalenderjahr 1985 entfallende Anteil der Steuervergünstigung, dh die Hälfte von 7.237,00 DM, also 3.618,50 DM, dem für das Kalenderjahr 1985 steuerrechtlich festgesetzten Gewinn von 40.624,00 DM hinzuzurechnen. Mit einem sozialrechtlich relevanten Gewinn von 44.242,50 DM ist der für den streitigen Zeitraum, das Kalenderjahr 1986, maßgebliche Grenzwert (das 1,2-fache der Bezugsgröße von 34.440,00 DM) von 41.328,00 DM überschritten.

Entgegen der Auffassung des Klägers führt die Nichtberücksichtigung der steuerlichen Vergünstigung des § 76 EStDV zu keinen sachlich ungerechtfertigten und für ihn unvermeidbaren Nachteilen bei der Gewährung der Beitragsentlastung. Diese soll, wie der Senat in seinem Urteil vom 4. Oktober 1988 (4/11a RLw 5/87) bereits ausgeführt hat, landwirtschaftliche Unternehmer entlasten, welche die Beiträge zu den Zweigen der landwirtschaftlichen Sozialversicherung – wegen der begrenzten Wirtschaftskraft ihres Unternehmens und ihres Einkommens – im jeweiligen Beitragsjahr nur mit Mühe tragen können. Schon deswegen liegt es fern, die von einzelnen Landwirten genutzten steuerrechtlichen Liquiditätshilfen, die auch wirtschaftlich besser gestellte Unternehmer gewinnmindernd in Anspruch nehmen können, im Sozialrecht zusätzlich beitragsentlastend zu berücksichtigen. Für die Entlastungsbedürfigkeit, die von dem im jeweiligen Jahr real zur Verfügung stehenden Einkommen abhängt, ist vielmehr möglichst wirklichkeitsnah auf das tatsächlich erzielte Arbeitseinkommen abzustellen. Hierbei wird – wie ausgeführt – der im jeweiligen Kalenderjahr eingetretene reale Wertverlust auch der Wirtschaftsgüter berücksichtigt, die zusätzlich der Sonderabschreibung nach § 76 EStDV unterfallen können.

Soweit der Kläger meint, bei einer Gesamtbetrachtung des steuerrechtlichen Abschreibungszeitraums werde seine Aussicht gemindert, nach Verbrauch des sog Vorzieheffektes der erhöhten Sonderabschreibung während des nachfolgenden Abschreibungszeitraums eine Beitragsentlastung nach dem SVBEG zu erhalten, verkennt er – wie die Beklagte zutreffend vorträgt – nicht nur, daß die Entlastung nach dem SVBEG eine jährliche Feststellung der Entlastungsbedürftigkeit (nach den Kriterien der realen Wirtschaftskraft des Unternehmens und des Einkommens des landwirtschaftlichen Unternehmers) verlangt. Er beachtet auch nicht hinreichend, daß diese von ihm befürchtete, im übrigen von vielen anderen unwägbaren Umständen abhängige Auswirkung der Inanspruchnahme der Sonderabschreibung Folge seiner eigenen Steuerplanung wäre. Nutzt er nämlich den ihm steuerrechtlich eingeräumten Gestaltungsspielraum dafür, durch Sonderabschreibungen in den ersten Jahren flüssige Mittel im Betrieb anzusammeln, die der Besteuerung nicht unterliegen, muß er dabei in Rechnung stellen, daß diese Form der Kapitalerhaltung und -vermehrung im Rest des Abschreibungszeitraums – technisch in der Form verminderter Abschreibungen – wie eine dann noch fortdauernde Gewinnerhöhung behandelt wird. Auch insoweit knüpft das SVBEG folgerichtig an die allgemeine steuerrechtliche Wertung an.

Da der Kläger somit für das Jahr 1986 eine Entlastung schon deswegen nicht beanspruchen kann, weil er die Voraussetzungen von § 1 Abs 1 SVBEG nicht erfüllt, ist nicht darauf einzugehen, daß dieses Gesetz eine nach Art 92 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) unzulässige und deswegen nicht beanspruchbare Beihilfe vorsehen dürfte, wie der Senat im og Urteil vom 4. Oktober 1988 aufgezeigt hat. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art 177 Abs 1 Buchst a und b EWGV ist daher nicht geboten.

Nach alledem war entgegen der Revision das im Ergebnis zutreffende Urteil des Berufungsgerichts zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Breith. 1994, 309

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