Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslandsrentner. Beitragszuschuß
Leitsatz (redaktionell)
Rentner, die sich gewöhnlich im Ausland aufhalten und dort privat gegen Krankheit versichert sind, können auch dann einen Zuschuß zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag erhalten, wenn sich dies nicht aus einer zwischen- oder überstaatlichen Regelung ergibt. Dabei stehen die Vorschriften über die Leistungen der Rentenversicherung bei Auslandsaufenthalt (RVO §§ 1315 ff) diesem Ergebnis nicht entgegen. Das Territorialprinzip hindert nicht die Zahlung von Beitragszuschüssen in das Ausland; die deutsche Sozialversicherung kennt keinen allgemeinen für alle Versicherungszweige gültigen Grundsatz, Leistungen nur an Berechtigte im Inland zu erbringen, während sie bei Auslandsaufenthalt ruhen.
Wenn die für den Rentner bei einem ausländischen Versicherungsunternehmen bestehende Krankenversicherung eine Vollversicherung ist, kommt es auf die Höhe der gezahlten Versicherungsprämien nicht an. Im allgemeinen muß es als ausreichend angesehen werden, daß die Versicherungsprämien der Auslandsrentner in etwa dem Betrag entsprechen, den privatversicherte Inlandsrentner durchschnittlich für ihre Krankenversicherung entrichten.
Normenkette
RVO § 381 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1956-06-12, § 1315 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1960-02-25
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. September 1970 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.
Gründe
I
Die Klägerin, die seit 1938 in den USA lebt und seit August 1966 Witwenrente von der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) bezieht, beansprucht einen Beitragszuschuß zu ihrer privaten Krankenversicherung (§ 381 Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Einen entsprechenden Antrag vom Februar 1969 lehnte die Beklagte wegen ihres Auslandsaufenthalts ab (Bescheid vom 25. Februar 1969).
Klage und Berufung der Klägerin blieben erfolglos (Urteile des Sozialgerichts - SG - Düsseldorf vom 12. Dezember 1969 und des Landessozialgerichts - LSG - Nordrhein-Westfalen vom 24. September 1970). Nach Ansicht des LSG sind die Regelleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, mithin auch Beitragszuschüsse, nach den Zahlungsvorschriften der §§ 1315 ff RVO grundsätzlich nur im deutschen Rechtsanwendungsgebiet zu erbringen. Ausnahmen seien im Gesetz "enumerativ" aufgeführt, Beitragszuschüsse aber nicht genannt; eine ungewollte Gesetzeslücke lasse sich insoweit nicht annehmen. Da es im Verhältnis zu den USA auch an einer besonderen zwischenstaatlichen Regelung über die Zahlung von Beitragszuschüssen fehle, könne sie die Klägerin nicht erhalten. Nicht entschieden zu werden brauche, ob sie seit der Neuregelung der Rentnerkrankenversicherung vom 1. Januar 1968 an nicht überhaupt pflichtversichert sei und schon deshalb keinen Anspruch nach § 381 Abs. 4 RVO habe.
Die Klägerin wendet sich mit der zugelassenen Revision gegen die Rechtsauffassung des LSG und beruft sich dabei auf ein inzwischen ergangenes Urteil des Senats vom 28. August 1970, in dem entschieden worden ist, daß einem in den USA lebenden Rentner der Beitragszuschuß nicht allein wegen seines Auslandsaufenthalts verweigert werden kann. Die Klägerin beantragt, den Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Die Beklagte hält den Klageanspruch nach wie vor für unbegründet; ein Beitragszuschuß könne der Klägerin schon deswegen nicht gezahlt werden, weil sie keine "Vollversicherung" gegen Krankheitskosten abgeschlossen habe; nach den von ihr beigebrachten Unterlagen wende sie für ihre freiwillige Krankenversicherung auch nicht soviel auf, wie dies durchschnittlich bei privatversicherten Inlandsrentnern der Fall sei. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
II
Auf die Revision der Klägerin hat der Senat den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen. Entgegen der Ansicht des LSG ist der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Beitragszuschüssen (§ 381 Abs. 4 RVO) nicht schon deswegen unbegründet, weil die Klägerin ihren ständigen Wohnsitz in den USA hat und das einschlägige zwischenstaatliche Recht, insbesondere der deutsch-amerikanische Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 29. Oktober 1954 (BGBl 1956 II, 487, 763), eine Zahlung von Beitragszuschüssen an Rentner, die in den USA wohnen, nicht vorsieht.
Wie der Senat in den Urteilen vom 28. August 1970 (SozR Nr. 24 zu § 381 RVO) und 27. Mai 1971 (3 RK 64/70) - in Fortführung seiner früheren Rechtsprechung (BSG 27, 129) - entschieden hat, können Rentner, die sich gewöhnlich im Ausland aufhalten und dort privat gegen Krankheit versichert sind, auch dann einen Zuschuß zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag erhalten, wenn sich dies nicht aus einer zwischen - oder überstaatlichen Regelung ergibt; die Vorschriften über die Zahlung von Leistungen der Rentenversicherung bei Auslandsaufenthalt (§§ 1315 ff RVO) stehen dem nicht entgegen: Weder Wortlaut noch Zweck des § 381 Abs. 4 RVO sprechen dafür, die Zahlung von Beitragszuschüssen auf Rentner im Inland zu beschränken; mit der Zielsetzung der genannten Vorschrift, allen nicht pflichtversicherten Rentnern aus Gründen der Gleichbehandlung einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz zu ermöglichen, wäre es vielmehr unvereinbar, wenn der Beitragszuschuß nur den im Inland wohnenden und hier freiwillig versicherten Rentnern zugute käme, den im Ausland lebenden dagegen trotz Bestehens einer privaten Krankenversicherung versagt bliebe. Wie der Senat weiter ausgeführt hat, hindert auch das Territorialprinzip die Zahlung von Beitragszuschüssen in das Ausland nicht. Die deutsche Sozialversicherung kennt ferner keinen allgemeinen, für alle Versicherungszweige gleichermaßen gültigen Grundsatz, daß Leistungen nur an Berechtigte im Inland zu erbringen sind, bei Auslandsaufenthalt also ruhen. Selbst wenn insoweit für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung nach den §§ 1315 ff RVO eine Ausnahme gelten sollte (vgl. BSG 24, 227), wäre dies für die Zahlung von Beitragszuschüssen ohne Bedeutung, da deren Zahlung durch die §§ 1315 ff RVO nicht geregelt wird, wie insbesondere die Entstehungsgeschichte der Vorschriften zeigt. An dieser Rechtsauffassung hält der Senat fest.
Das LSG hat für seine Ansicht keine Gründe angeführt, die nicht schon in der früheren Entscheidung des Senats vom 28. August 1970 berücksichtigt worden sind. Die vom LSG aufgeworfene, aber nicht abschließend beantwortete Frage, ob im Ausland wohnhafte Rentner jedenfalls seit der Neuregelung der Rentnerkrankenversicherung, d.h. vom 1. Januar 1968 an, pflichtversichert sind und schon deshalb, solange keine Befreiung von der Pflichtversicherung erfolgt ist, keinen Anspruch nach § 381 Abs. 4 RVO haben, hat der Senat im Urteil vom 19. Januar 1971 verneint (SozR Nr. 64 zu § 165 RVO). Wie in diesem Urteil ausgeführt ist, erfaßt der staatliche Versicherungszwang und damit die Pflichtkrankenversicherung der Rentner nicht Personen, die sich gewöhnlich im Ausland aufhalten. Auch Auslandsrentner sind hiernach nicht grundsätzlich von der Gewährung eines Beitragszuschusses ausgeschlossen.
Andererseits dürfen sie, wie der Senat in den Urteilen vom 28. August 1970 und 27. Mai 1971 entschieden hat, nicht allein wegen ihres Auslandsaufenthalts besser gestellt werden als im Inland wohnende Rentner, für die bisher stets der Abschluß einer "Vollversicherung" in dem Sinne gefordert worden ist, daß ihnen bei ambulanter und stationärer Behandlung Leistungen zustehen, die in etwa denen der freiwillig Versicherten in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen (BSG 23, 42 und 27, 129, 131; vgl. auch § 173 a RVO idF des FinÄndG 1967). Besteht eine solche Vollversicherung, so kommt es auf die Höhe der gezahlten Versicherungsprämien nicht an. Das kann insbesondere für Rentner in den USA von Bedeutung sein, die, wie es scheint, unter dem dortigen Medicare-System gegen bestimmte Krankheitsrisiken beitragsfrei versichert sind und daher schon mit Hilfe einer oder mehrerer verhältnismäßig "billiger" Zusatzversicherungen vollen Krankenversicherungsschutz erwerben können (vgl. Teich in Mitteilungen der LVA Rheinprovinz 1971, 165, 167 f). Im übrigen hat es der Senat bereits in seinen früheren Entscheidungen mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten, die sich dem Abschluß einer "Vollversicherung" im Ausland häufig entgegenstellen, und auch aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung für ausreichend gehalten, daß die Versicherungsprämien der Auslandsrentner in etwa dem Betrag entsprechen, den privatversicherte Inlandsrentner durchschnittlich für ihre Krankenversicherung aufwenden. Ob die Krankenversicherung der Klägerin den genannten Anforderungen genügt, ist unter den Beteiligten streitig. Da das LSG hierzu von seinem abweichenden rechtlichen Ausgangspunkt keine Feststellungen getroffen hat, ist der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen worden, das auch abschließend über die Prozeßkosten entscheiden wird.
Fundstellen