Leitsatz (amtlich)
Bei einem Schwangerschaftsabbruch hat die Versicherte keinen Anspruch auf Hebammenhilfe nach den Mutterschaftshilfevorschriften der §§ 195, 196 RVO; der Hebamme steht dementsprechend auch kein Gebührenanspruch nach der HebGebV zu.
Normenkette
RVO §§ 195-196, 200f; HebGebV
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 20.06.1984; Aktenzeichen L 11 Kr 26/83) |
SG Duisburg (Entscheidung vom 21.02.1983; Aktenzeichen S 21 Kr 175/82) |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen die Beklagte ein Gebührenanspruch nach der Hebammenhilfe-Gebührenverordnung (HebGebV) zusteht.
Die Klägerin, die als freiberufliche Hebamme tätig ist, fordert von der Beklagten 292,-- DM für Hilfeleistungen, die sie gegenüber zwei Versicherten der Beklagten im April 1982 und im Mai/Juni 1982 anläßlich künstlich eingeleiteter, medizinisch nicht indizierter legaler Schwangerschaftsabbrüche auf ärztliche Anordnung erbracht hatte. Sie ist der Ansicht, daß ihre Leistungen jeweils anläßlich einer "Fehlgeburt" erfolgt seien und sie daher einen Gebührenanspruch gegenüber der Beklagten erworben habe. Die Beklagte hat eine Bezahlung mit der Begründung abgelehnt, bei den Leistungen der Klägerin handele es sich nicht um eine Mutterschaftshilfe iS der §§ 195, 196 der Reichsversicherungsordnung (RVO), die sie - die Beklagte - zu erbringen verpflichtet sei.
Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Zur Begründung hat das Landessozialgericht (LSG) ausgeführt, daß der Gesetzgeber bei nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbrüchen die Gewährung von Hebammenhilfe als gesetzliche Krankenversicherungsleistung ausgeschlossen habe. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt eine Verletzung materiellen Rechts und wiederholt ihren Rechtsstandpunkt.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Juni 1984 sowie das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21. Februar 1983 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 292,-- DM zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Im Zweiten Buch der RVO, nämlich in den Vorschriften zur gesetzlichen Krankenversicherung, ist im Unterabschnitt III ("Mutterschaftshilfe") des 2. Abschnittes ("Gegenstand der Versicherung") durch die §§ 195, 196 der Anspruch des Versicherten auf Hebammenhilfe geregelt. Danach hat die Versicherte während der Schwangerschaft und nach der Entbindung einen Anspruch (neben dem auf ärztliche Betreuung) auch auf Hebammenhilfe (§ 196 Abs 1 Satz 1 RVO); und nach Absatz 2 des § 196 RVO wird Hilfe durch eine Hebamme (und, falls erforderlich, durch einen Arzt) auch bei der Entbindung selbst gewährt. Im 4. Abschnitt ("Verfassung") enthält § 376a Absatz 1 RVO die Ermächtigung zum Erlaß einer HebGebV und Absatz 2 Satz 2 dieser Vorschrift bestimmt, daß die Krankenkassen die Gebühr unmittelbar an die Hebamme zu zahlen haben. Ein Gebührenanspruch der Hebamme nach der HebGebV setzt daher einen Leistungsanspruch der Versicherten auf Hebammenhilfe nach § 196 RVO voraus. Für den Gebührenanspruch der Hebamme gegenüber der Krankenkasse bildet dieser Leistungsanspruch (der Versicherten) die primäre Anspruchsgrundlage. Fehlt es schon an dieser Grundlage, dann kann der genannte Gebührenanspruch nicht erwachsen. Den beiden Versicherten stand ein Anspruch auf Hebammenhilfe nach den §§ 196, 122 Abs 1 Satz 2 RVO aber nicht zu.
Durch § 1 Nr 2 des Gesetzes über ergänzende Maßnahmen zum Fünften Strafrechtsreformgesetz (Strafrechtsreform-Ergänzungsgesetz -StREG-) vom 28. August 1975 - BGBl I 2289 - ist mit Wirkung vom 1. Dezember 1975 ein Unterabschnitt IIIa ("Sonstige Hilfen") mit den Vorschriften der §§ 200e bis g in die RVO eingefügt worden. Nach § 200f Satz 1 haben Versicherte Anspruch auf Leistungen bei einem nicht rechtswidrigen Abbruch der Schwangerschaft durch einen Arzt. Nach Satz 2 der Vorschrift werden ärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei-, Verband- und Heilmitteln sowie Krankenhauspflege gewährt. Ein Anspruch auf Hebammenhilfe nach den Vorschriften der §§ 195, 196 RVO (Unterabschnitt "Mutterschaftshilfe") besteht jedenfalls nicht bei rechtswidrigen Schwangerschaftsabbrüchen. Die Frage aber, ob er bei nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbrüchen besteht, wird durch die genannten Vorschriften des (mit Wirkung vom 1. Dezember 1975 eingefügten) Unterabschnitts IIIa ("Sonstige Hilfen") eindeutig verneint. Wie oben ausgeführt, hat die Versicherte nach § 200f Satz 2 RVO bei einem nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch Anspruch auf ärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei-, Verband- und Heilmitteln sowie Krankenhauspflege. Ein Anspruch auf Hebammenhilfe wird dabei nicht aufgeführt. Allein schon diese Nichterwähnung spricht gegen die Zulässigkeit einer analogen Erstreckung auf Fälle der Hebammenhilfe. Während der Gesetzgeber in Satz 1 des § 200f RVO schlechthin einen Leistungsanspruch bei einem nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch formulierte, hat er diesen Anspruch in Satz 2 der Vorschrift katalogartig konkretisiert und aufgeführt, was dazu gehören soll. Die Nichterwähnung der Hebammenhilfe kann daher schon deswegen im Sinne eines gewollten Ausschlusses verstanden werden. Da aber eine Analogie schon dann auszuscheiden hat, wenn es nur zweifelhaft erscheinen muß, ob der Unterschied zwischen den verglichenen Sachverhalten nicht doch so groß ist, daß durch eine Gleichstellung die gesetzgeberische Wertung in Frage gestellt sein könnte (BSGE 57, 195, 197), ist hier jedenfalls schon unter diesem Gesichtspunkt für eine analoge Erstreckung kein Raum. Zwar umgreift die Hebammenhilfe nach dem Hebammengesetz von 1938 (RGBl I 1893) ausdrücklich auch die Hilfe bei Fehlgeburten, und auch nach dem am 1. Juli 1985 in Kraft getretenen Gesetz über den Beruf der Hebamme und des Entbindungspflegers (Hebammengesetz -HebG-) vom 4. Juni 1985 (BGBl I 902) wird der Begriff der Geburtshilfe (§ 4 Abs 2 HebG) auch die Hilfe bei Fehlgeburten umfassen. Angesichts des Unterschieds zwischen einer natürlichen und einer künstlich eingeleiteten Fehlgeburt kann jedoch eine gesetzgeberische Verschiedenbewertung beider Sachverhalte (im Rahmen des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung) nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden. Diese Frage braucht aber deshalb nicht letztlich entschieden zu werden, weil der Gesetzgeber außer der Nichterwähnung der Hebammenhilfe im Leistungskatalog des § 200f Satz 2 RVO einen weiteren Hinweis dafür gibt, daß er bei nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbrüchen die Hebammenhilfe nach den §§ 195, 196 RVO als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung hat ausschließen wollen. Nach § 200g Satz 1 RVO gelten für die Leistungsgewährung nach den §§ 200e und 200f RVO "die für die Krankenhilfe geltenden Vorschriften" "entsprechend, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist". Damit werden also für die sonstigen Hilfen des Unterabschnitts IIIa zwar die Vorschriften des Unterabschnitts II über die Krankenhilfe, nicht aber die Vorschriften des Unterabschnitts III über die Mutterschaftshilfe (§§ 195 bis 200d RVO) für entsprechend anwendbar erklärt. Die Hebammenhilfe nach den §§ 195, 196 RVO ist somit von der Anwendbarkeitserklärung ausgenommen. Daß diese Ausnahme eine vom Gesetzgeber bewußt und gewollt herbeigeführte Regelung und nicht etwa ein bloßes Versehen darstellt, kann angesichts des Wortlauts mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Vorschriften der Krankenhilfe, wobei ein unmittelbar übersichtlicher Zusammenhang mit den Vorschriften der Mutterschaftshilfe besteht und wegen des Umstandes nicht zweifelhaft sein, daß - wie oben ausgeführt - schon in dem Leistungskatalog des § 200f Satz 2 RVO die Hebammenhilfe nicht erwähnt wurde. Das LSG hat daher zu Recht den streitigen Anspruch verneint. Es hat auch zutreffend ausgeführt, daß das Fehlen eines krankenversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs auf Hebammenhilfe im Falle von rechtmäßigen Schwangerschaftsabbrüchen nicht ausschließt, daß auch in solchen Fällen eine Hebammenhilfe medizinisch zweckmäßig sein mag.
Die Revision war demnach als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen