Verfahrensgang

Thüringer LSG (Urteil vom 12.10.1994)

SG Gotha (Urteil vom 11.02.1994)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 12. Oktober 1994 aufgehoben. Das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 11. Februar 1994 wird abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Höhe der Altersversorgung des Klägers. Insbesondere ist umstritten, ob seine Rente aus der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVI) zu dynamisieren ist.

Der am 16. September 1922 geborene Kläger war als Hauptbuchhalter und zuletzt als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Betriebsdirektors beim Kombinat MLW Labortechnik I. … beschäftigt. Im letzten Jahr vor dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis am 31. August 1987 erzielte er ein durchschnittliches monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.833,52 M.

Zum 1. März 1971 trat der Kläger der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bei. Während der Zeit seiner Zugehörigkeit zur FZR entrichtete er unter Zugrundelegung seines 600,– M monatlich übersteigenden Einkommens für 198 Monate Beiträge nach einem Gesamteinkommen von 111.358,19 M.

Seit 1. April 1987 war der Kläger außerdem in die AVI in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (Verordnung vom 17. August 1950 ≪GBl I 839≫) einbezogen. In einem mit dem VEB Kombinat Medizin- und Labortechnik L. … am 30. März 1987 geschlossenen Einzelvertrag wurde dem Kläger Versorgung aus der AVI in Höhe von 60 vH des im letzten Jahre vor Eintritt des Versicherungsfalles bezogenen Bruttogehaltes, im Höchstfalle 800,– M zugesichert. Von der Staatlichen Versicherung der DDR wurde ihm am 11. April 1987 ein entsprechender Versicherungsschein ausgestellt.

Der FDGB-Kreisvorstand Ilmenau – Verwaltung der Sozialversicherung – bewilligte dem Kläger ab 1. September 1987 Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung (SV) in monatlicher Höhe von 300,– M (Bescheid vom 25. Juli 1987). Ebenfalls ab 1. September 1987 wurde dem Kläger Alterszusatzrente nach den Grundsätzen der §§ 28 und 29 der Verordnung über die freiwillige Zusatzrentenversicherung der Sozialversicherung vom 17. November 1977 (FZR-VO, GBl I 395) in Höhe von 800,– M bewilligt „Anlage zum Rentenbescheid” vom 12. Oktober 1987). Die Altersrente des Klägers wurde sodann von FDGB-Kreisvorstand Ilmenau ab 1. Dezember 1989 auf monatlich 370,– M erhöht. Die gesamte Altersversorgung in Höhe von 1.170,– M wurde zum 1. Juli 1990 im Verhältnis 1:1 auf DM umgestellt.

Der Gemeinsame Träger der Sozialversicherung setzte mit einer undatierten und ohne Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Mitteilung über die Rentenanpassung gemäß der 1. Rentenanpassungsverordnung (1. RAV) vom 14. Dezember 1990 (BGBl I 2867) die Altersrente auf 510,– DM fest, erhöhte die Altersrente im Zuge der Nachholung der Rentenangleichung um 128,– DM auf 638,– DM und paßte sie ab 1. Januar 1991 um 96,– DM auf 734,– DM an. Gleichzeitig verminderte er die Zusatzrente um die gleichen Beträge, so daß der Gesamtauszahlbetrag ab 1. Januar 1991 unverändert 1.170,– DM betrug.

Ab 1. Juli 1991 erhöhte der Träger der Rentenversicherung (Überleitungsanstalt Sozialversicherung) mit einer undatierten und ohne Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Mitteilung über die Rentenanpassung gemäß der 2. RAV vom 19. Juni 1991 (BGBl I 1300) die Altersrente um 111,– DM auf 845,– DM und bewilligte einen Gesamtzahlbetrag von 1.281,– DM (845,– DM Altersrente und 436,– DM Zusatzrente).

Mit Bescheid vom 28. November 1991 über die „Umwertung und Anpassung der Rente aufgrund des ab 01.01.1992 geltenden neuen Rentenrechts” wertete die Beklagte die bisher gezahlten Renten des Klägers (Altersrente der SV und Zusatzrente) mit Wirkung vom 1. Januar 1992 in eine einheitliche Regelaltersrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) um. Dabei erfolgte die Rentenberechnung im maschinellen Verfahren gemäß § 307b Abs 5 SGB VI. Da der so berechnete Betrag von 1.194,06 DM den der um 6,84 % erhöhten überführten Leistung (1.368,62 DM) unterschritt, setzte die Beklagte den monatlichen Zahlbetrag (nach Abzug des Beitragsanteils zur Krankenversicherung der Rentner von 87,59 DM) auf 1.281,03 DM fest.

Nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 20. September 1993) erhob der Kläger beim Sozialgericht (SG) Suhl Klage, die an das örtlich zuständige SG Gotha verwiesen wurde. Durch Urteil vom 11. Februar 1994 hat dieses Gericht die Beklagte unter Abänderung der undatierten Mitteilungen nach der 1. und 2. RAV und des Bescheides der Beklagten vom 28. November 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 1993 verurteilt, dem Grunde nach die gesamte Altersversorgung des Klägers seit dem 1. Juli 1990 aus der SV und der FZR nach § 2 des Rentenangleichungsgesetzes (RAnglG-DDR), §§ 1 und 2 der 1. RAV sowie §§ 3 und 4 der 2. RAV anzugleichen und anzupassen und ab 1. Januar 1992 bis zur endgültigen Berechnung nach § 307b SGB VI den für den 31. Dezember 1991 ermittelten Zahlbetrag weiterzuzahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen, soweit der Kläger eine sofortige Neuberechnung seiner nach § 307b SGB VI pauschal umgewerteten Rente unter Berücksichtigung der in der FZR versicherten Entgelte gefordert hatte.

Das Thüringer Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Das Urteil vom 12. Oktober 1994 ist im wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt: Für die Zeit ab dem 1. Juli 1990 bestehe ein Anspruch auf eine nach Maßgabe der Vorschriften für die Renten aus der Rentenversicherung angepaßte Gesamtleistung ohne teilweise Abschmelzung. Der sich ergebende Zahlbetrag sei ab Januar 1992 als Besitzschutzbetrag zu zahlen. Bei der Zusatzrente des Klägers habe es sich um eine FZR-Rente und nicht um eine AVI-Versorgung gehandelt. Der Wortlaut des § 28 Abs 1 FZR-VO „anstelle der Altersversorgung der Intelligenz” zeige, daß durch die Einbeziehung in die AVI die Zugehörigkeit zur FZR nicht beendet worden sei. Die Auslegung nach dem Wortlaut werde durch Sinn und Zweck der Vorschrift bestätigt. Abzustellen sei dabei nicht auf das Rechtsverständnis des bundesrepublikanischen Gesetzgebers, sondern auf die Kriterien des DDR-Gesetzgebers. Danach habe die Zusatzrente nach § 28 FZR-VO uneingeschränkt als Leistung aus der SV gegolten. Es sei beabsichtigt gewesen, mit der Einführung der sog FZR (AVI) das Beitragsaufkommen des FDGB als Träger der SV zu verbessern. Für die Zukunft sei geplant gewesen, die gesamte Zusatzversorgung in die FZR zu überführen. Daß es sich bei der Zusatzrente des Klägers um eine Leistung aus der SV und nicht aus der AVI gehandelt habe, ergebe sich schon aus der Bezeichnung im Bescheid vom 12. Oktober 1987 als „freiwillige Zusatzrente” in Höhe der AVI. Die Zusatzrente sei vom FDGB und nicht von der Staatlichen Versicherung der DDR, dem für die Zusatzversorgungen zuständigen Träger, gewährt und geleistet worden. Für den Kläger habe auch mehr als 16 Jahre lang die Pflicht zur Beitragszahlung in die FZR bestanden.

Sinn und Zweck der Vorschriften des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S 1606, 1677) könnten nicht zur Auslegung des § 28 FZR-VO herangezogen werden, denn das AAÜG habe keine Rückwirkungsabsicht gehabt. Es könne nicht zur Interpretation von auf den Vorstellungen des DDR-Gesetzgebers beruhenden Vorschriften herangezogen werden.

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 28 FZR-VO. Für die Qualifizierung der dem Kläger neben der SV-Rente gewährten Leistung komme es nicht auf die Bezeichnung als Zusatzrente, sondern auf die in § 28 Abs 2 FZR-VO angeordnete Rechtsfolge an, wonach eine Gleichstellung mit den Zusatzversorgungsleistungen aus der AVI erfolgt sei. Die FZR-VO gelte auch über den 30. Juni 1990 hinaus fort. Aus den §§ 2 Abs 3 und 10 Abs 3 AAÜG ergebe sich, daß der Gesetzgeber von einer bis zum 31. Dezember 1991 bestehenden Gleichstellung der „Zusatzrente” nach § 28 FZR-VO mit den Zusatzversorgungsleistungen ausgegangen sei.

Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,

das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 12. Oktober 1994 aufzuheben, das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 11. Februar 1994 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger hat sich im Revisionsverfahren nicht zur Sache geäußert.

Die Beklagte hat während des anhängigen Revisionsverfahrens mit Bescheid vom 20. März 1995 die bisherige Regelaltersrente des Klägers ab 1. Juli 1990 neu festgestellt. Die Zahlbeträge belaufen sich danach ab 1. Juli 1990 auf 1.170,– DM, ab 1. Januar 1991 auf 1.322,01 DM, ab 1. Juli 1991 auf 1.520,54 DM, ab 1. Januar 1992 auf 1.697,64 DM, ab 1. Juli 1992 auf 1.914,74 DM, ab 1. Januar 1993 auf 2.031,49 DM, ab 1. Juli 1993 auf 2.320,77 DM ab 1. Januar 1994 auf 2.405,19 DM, ab 1. Juli 1994 auf 2.481,51 DM und ab 1. Januar 1995 2.536,94 DM. Für die Zeit vom 1. Juli 1990 bis zum 30. April 1995 sind 32.527,24 DM (31.053,26 DM Rente zuzüglich 1.473,98 DM Zinsen) nachgezahlt worden.

Auf Anfrage hat die Beklagte mitgeteilt (Schreiben vom 7. Mai 1996), die aufgrund der zur FZR erfolgten Beitragszahlung und Zugehörigkeit zur FZR nach § 20 FZR-VO errechnete Zusatzrente hätte monatlich 247,– DM betragen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.

Zu prüfen ist die Höhe des Gesamtanspruchs des Klägers auf Altersversorgung ab 1. Juli 1990, soweit sie durch die Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheide übergangsrechtlich geregelt worden ist. Dies sind die undatierten Anpassungsmitteilungen nach der 1. und 2. RAV, bei denen es sich um Verwaltungsakte handelt (vgl BSGE 75, 291, 295 = SozR 3-1300 § 50 Nr 17 mwN), sowie der Umwertungsbescheid vom 28. November 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 1993. Der während des Revisionsverfahrens ergangene Bescheid vom 20. März 1995 unterliegt hingegen nicht der revisionsgerichtlichen Überprüfung, weil weder der Kläger durch diesen neuen Verwaltungsakt klaglos gestellt noch dem Klagebegehren durch die Entscheidung des erkennenden Senats in vollem Umfang genügt wird; er gilt als mit der Klage bei dem SG angefochten (§ 171 Abs 2 SGG).

Der Kläger hat gegen die Beklagte für die Zeit ab 1. Juli 1990 keinen Anspruch auf eine höhere Altersversorgung, als ihm in den streitigen Bescheiden zuerkannt worden ist. Insbesondere kann er nicht die Dynamisierung des Gesamtzahlbetrages verlangen. Denn hierfür gibt es keine Anspruchsgrundlage. Ein solcher Anspruch ist dem Kläger nicht durch bindenden Bescheid zuerkannt worden. Die vor Wirksamwerden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland ergangenen Bewilligungsbescheide der DDR-Behörden sind zwar gemäß Art 19 Satz 1 des Einigungsvertrages (EinigVtr) wirksam geblieben, erkennen dem Kläger jedoch keine höhere Rente zu.

Die Bescheide nach der 1. und 2. RAV, mit denen die Altersversorgung des Klägers für die Zeit vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1991 festgesetzt worden ist, haben diese Leistungen als Gesamtzahlbetrag fortgeschrieben. Diese beiden Bescheide und der zum 1. Januar 1992 ergangene Umwertungsbescheid sind rechtmäßig. Die Beklagte bzw ihre Rechtsvorgängerinnen haben insoweit zutreffend das für Zusatzversorgungsberechtigte maßgebliche Übergangsrecht (§ 6 1. RAV, § 8 2. RAV und § 307b Abs 5 SGB VI) angewandt. Es kann hier offenbleiben, ob für Bescheide, welche SV-Rente und die Zusatzrente nach § 28 FZR-VO betreffen, ab 1. Januar 1991 § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch direkt oder entsprechend Anwendung findet; das Inkrafttreten der 1. RAV und der weiteren Anpassungsvorschriften stellte jedenfalls eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse dar, die zur entsprechenden Aufhebung bzw Abänderung der vorliegenden Rentenbescheide berechtigte (vgl Senatsurteil SozR 3-8560 § 25 Nr 2).

Der Bescheid nach der 1. RAV entspricht § 6 dieser Rechtsverordnung. Danach werden Renten, die wegen Bezuges einer Zusatzversorgung nach § 23 Abs 1 RAnglG-DDR nicht anzugleichen waren, nach den für Arbeitnehmer ohne Zusatzversorgung geltenden Bestimmungen der Rentenverordnung (RentenVO) festgesetzt und nach den Bestimmungen des ersten und zweiten Abschnitts des RAnglG-DDR angeglichen. Ein sich aufgrund der Angleichung ergebender Erhöhungsbetrag für Bezugszeiten vor dem 1. Januar 1991 wird nur insoweit nachgezahlt, als er den Betrag einer gleichartigen zusätzlichen Versorgung übersteigt (Abs 2 aaO). Nach Abs 3 aaO werden ab 1. Januar 1991 gleichartige zusätzliche Versorgungen nur insoweit gezahlt, als sie die sich nach Angleichung (Abs 1 aaO) und nach Anpassung der SV-Rente (§ 2 1. RAV) ergebenden Erhöhungsbeträge übersteigen.

Diese Vorschrift (und nicht lediglich die sonst zu einem höheren Gesamtbetrag führenden §§ 1, 2 1. RAV) ist hier zu Recht angewandt worden. Insbesondere bezog der Kläger neben der SV-Rente eine Zusatzversorgung iS des § 23 Abs 1 RAnglG-DDR. Denn seine FZR (AVI)-Rente stellt jedenfalls nach dem hier maßgeblichen Bundesrecht eine aus der Zusatzversorgung abgeleitete Rechtsposition dar und ist damit selbst als Zusatzversorgung iS des § 6 1. RAV zu qualifizieren. Deshalb kommt es auch nicht auf die Bezeichnung als Zusatzrente in den Vorschriften des DDR-Rechts, insbesondere § 28 FZR-VO, oder in den die Leistung gewährenden Bescheiden an (ebenso Estelmann, DAngVers 1993, 278, 281). In § 23 Abs 1 RAnglG-DDR, auf den § 6 1. RAV Bezug nimmt, wird der Begriff der „Zusatzversorgung” allerdings nicht verwandt. Es wird von „zusätzlichen Versorgungen” gesprochen, denen „Renten” (aus der SV und FZR) gegenübergestellt werden. Aus dem systematischen Zusammenhang der einschlägigen Vorschriften des RAnglG-DDR ist indes zu entnehmen, welche neben der SV-Rente gewährten weiteren gleichartigen „zusätzlichen Versorgungen” (dh Alters-, Invaliden- oder Hinterbliebenenversorgungen) hier erfaßt werden sollten. Denn § 23 Abs 1 RAnglG-DDR sollte die Behandlung der bereits festgesetzten Ansprüche auf zusätzliche Versorgungen für die Zeit bis zu der gemäß § 22 Abs 3 RAnglG-DDR angeordneten Überführung in die Rentenversicherung regeln, die nach § 24 Abs 1 Satz 1 RAnglG-DDR im zweiten Halbjahr 1990 erfolgen sollte.

Nach dem ursprünglichen Überführungsprogramm des RAnglG-DDR (§§ 24, 25) sollten auf der Grundlage des der Beitragszahlung zur FZR oder zu einem zusätzlichen Versorgungssystem zugrundeliegenden Einkommens anstelle der bisherigen Zusatzversorgungen Zusatzrenten nach der FZR-VO festgesetzt werden. Bei einem Anspruch auf zusätzliche Versorgung ohne Verpflichtung zur Beitragszahlung in das Versorgungssystem sollte eine dem Einkommen entsprechende Beitragszahlung fingiert werden. Die Ansprüche, deren Umfang nicht ausschließlich von der Dauer und der Höhe der in die FZR entrichteten Beiträge abhing, sondern einer besonderen Versorgungszusage entsprechend an dem in einem bestimmten Zeitraum erzielten Durchschnittslohn orientiert waren, wurden als zu überführende zusätzliche Versorgungen angesehen (vgl Estelmann, DAngVers 1993, 278, 281). Ausschließlich beitragsbezogene, gemäß § 20 FZR-VO festgesetzte FZR-Renten waren danach hingegen nicht zu überführen.

Bei dem Anspruch nach § 28 FZR-VO auf Zusatzrente in Höhe der zugesicherten AVI handelt es sich um eine zusätzliche Versorgung iS des § 23 Abs 1 RAnglG-DDR und damit auch um eine Zusatzversorgung iS des § 6 der 1. RAV, weil der Umfang des Anspruchs auf eine Zusatzrente in Höhe der zugesicherten AVI nach § 28 FZR-VO von der Höhe und der Dauer der tatsächlich in die FZR entrichteten Beiträge unabhängig ist. Dieser bestimmt sich vielmehr allein nach der Versorgungszusage sowie den maßgeblichen leistungsrechtlichen Vorschriften des Versorgungssystems der AVI und ist am durchschnittlichen monatlichen Bruttogehalt im letzten Jahr vor Eintritt des Versorgungsfalls orientiert, wobei es unerheblich ist, wie lange die Mitgliedschaft in der FZR bestand.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der dem – durch das Gesetz zum EinigVtr in Bundesrecht transformierten – EinigVtr zu entnehmenden Unterscheidung von Zusatzversorgungen und Renten aus der SV und FZR der ehemaligen DDR. Nach Art 9 Abs 2 EinigVtr iVm der Anl II Kap VIII F III Nr 8 galt das RAnglG-DDR grundsätzlich über das Wirksamwerden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 hinaus mit bestimmten – hier nicht einschlägigen – Maßgaben fort und ist nach Art 41 iVm Art 42 des Renten-Überleitungsgesetzes erst zum 31. Dezember 1991 außer Kraft getreten. Die Anordnung der Fortgeltung des RAnglG-DDR findet als allgemeine Regel dann partiell keine Anwendung, wenn sich im EinigVtr eine spezielle, abweichende Regelung findet. Eine solche Regelung geht der allgemeinen Regelung vor und verdrängt die zu ihr im Widerspruch stehenden Normen (so zur Frage der Verdrängung des § 26 RAnglG-DDR der 4. Senat im Urteil vom 15. Dezember 1994 ≪BSGE 75, 262, 272 = SozR 3-8560 § 26 Nr 2≫, Senatsurteile vom 9. August 1995 ≪SozR 3-1300 § 24 Nr 11≫ und vom 8. Februar 1996 ≪SozR 3-8560 § 25 Nr 2≫).

Die rentenrechtlichen Regelungen des EinigVtr finden darüber hinaus auch rückwirkend für die Zeit ab 1. Juli 1990, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des RAnglG-DDR, Anwendung. Denn es ist der DDR in der kurzen Zeitspanne zwischen dem Inkrafttreten des RAnglG-DDR und dem Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 nicht mehr gelungen, das von ihr aufgestellte Programm zur Schaffung eines dem westdeutschen Rentenversicherungsrecht im wesentlichen gleichartigen Rentenrechts durchzusetzen (BSGE 76, 257, 262 = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 3; SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 2). Die insoweit maßgebliche Regelung in der Anl II Kap VIII H III Nr 9 (EinigVtr Nr 9) Buchst b hält an dem bereits dem RAnglG-DDR zu entnehmenden Grundsatz fest, Ansprüche dann als Zusatzversorgungen zu behandeln und zu überführen, wenn maßgeblich für deren Höhe die Versorgungszusage ist und sich der Anspruchsumfang nicht ausschließlich aus individuellen Beiträgen zur SV und zur FZR ergibt. Insofern bleibt der Regelungsinhalt des § 23 Abs 1 RAnglG-DDR unverändert, wenn auch im übrigen das Überführungskonzept des RAnglG-DDR für die Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatzversorgungssystemen durch EinigVtr Nr 9 eine entscheidende Abänderung erfahren hat, durch die eine Anwendbarkeit der §§ 24, 25 RAnglG-DDR als Überführungsregeln endgültig ausgeschlossen ist (vgl BSG SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 2; Senatsurteil vom 8. Februar 1996 ≪SozR 3-8560 § 25 Nr 2≫). Damit sind diese Normen als Anspruchsgrundlage für die Festsetzung eines höheren Gesamtzahlbetrages ausgeschlossen.

Bedenken gegen die rechnerische Umsetzung der in § 6 der 1. RAV enthaltenen Regelungen hat der Kläger nicht vorgetragen. Fehler zum Nachteil des Klägers sind auch nicht ersichtlich.

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist der angefochtene Bescheid nach der 2. RAV. Die SV-Rente des Klägers ist, wie in § 4 2. RAV vorgesehen, zum 1. Juli 1991 um 15 % erhöht worden. Unter nach obigen Ausführungen zur Qualifizierung der FZR (AVI)-Rente zutreffender Anwendung des für Renten mit Zusatzversorgung geltenden § 8 2. RAV ist der Erhöhungsbetrag wegen Unterschreitung des Grenzbetrages von 1.500,– DM monatlich (Abs 1 iVm 2 aaO) auch nicht auf die Zusatzrente angerechnet worden (1.281,– DM).

Die Anwendung der Regelungen der 1. und 2. RAV für den Zeitraum vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1991 begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl Urteil des 4. Senats vom 14. Juni 1995 ≪BSGE 76, 136 = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 1≫, Senatsurteil vom 8. Februar 1996 ≪SozR 3-8560 § 25 Nr 2≫). Die beiden Rechtsverordnungen beruhen auf einer Ermächtigungsgrundlage (EinigVtr Anl II Kap VIII F III Nr 8 Buchst d), deren Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt iS des Art 80 des Grundgesetzes (GG) sind.

Die hier einschlägigen Regelungen (§ 6 1. RAV und § 8 2. RAV) verstoßen insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung ist nicht darin zu sehen, daß die Erhöhung der SV-Rente bei Beziehern einer Zusatzrente in Höhe der zugesicherten AVI zu einer entsprechenden Kürzung der Rente aus der Zusatzversorgung führt, wobei der geschützte Zahlbetrag unverändert bleibt (§ 6 1. RAV und § 8 2. RAV), während bei Beziehern einer beitragsbezogenen „reinen”) Rente aus der FZR sowohl diese als auch die SV-Rente angepaßt werden (§§ 1, 2 der 1. und §§ 1, 4 der 2. RAV). Diese Ungleichbehandlung gilt nur für eine Übergangszeit bis zur endgültigen Berechnung der Rente nach dem SGB VI und beruht auf sachgerechten Differenzierungskriterien (vgl BSGE 76, 257, 266 = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 3; SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 2). Während nämlich bei der beitragsbezogenen FZR-Rente immer auf Daten über die erzielten Arbeitsentgelte und Beitragszahlungen zurückgegriffen werden konnte, wurden bei FZR-Versicherten, denen eine Versorgungszusage aus der AVI erteilt worden war, in vielen Fällen keine entsprechenden Konten bei der Verwaltung der SV geführt. Dies rechtfertigt zumindest in der Übergangszeit eine unterschiedliche Behandlung der Fälle nach typisierenden Merkmalen, dh der Zubilligung einer Zusatzrente in Höhe der zugesagten AVI einerseits und der Gewährung einer „reinen” FZR-Rente andererseits.

Der vor allem in der Literatur (zB Kärcher, DAngVers 1993, 97, 103) vertretenen Auffassung, die Bezieher einer Zusatzrente nach § 28 FZR-VO seien – auch aus verfassungsrechtlichen Gründen – im Rahmen einer Vergleichsberechnung von Anfang an fiktiv so zu behandeln, als hätten sie ausschließlich der SV und der FZR, niemals aber dem Sonderversorgungssystem der AVI angehört, kann nicht gefolgt werden. Danach müßte für die fiktive Berechnung zunächst die SV-Rente neu berechnet werden; denn bei Bestehen eines Anspruchs auf eine Zusatzrente nach § 28 FZR-VO wurde die SV-Rente gemäß § 28 Abs 2 FZR-VO wie bei den Empfängern einer zusätzlichen AVI berechnet. Dies bedeutet, daß die SV-Rente nur in Höhe des Steigerungsbetrages (§ 52 RentenVO) bzw ab 1. Dezember 1989 mit einem niedrigeren Festbetrag neben dem Steigerungsbetrag (vgl §§ 19, 20 der 4. RentenVO) gezahlt würde. Es wäre somit der Festbetrag für die Rentenbezieher ohne Zusatzrente in Ansatz zu bringen. Weiter wäre eine nach den Grundsätzen des § 20 FZR-VO berechnete, beitragsabhängige FZR-Rente zu ermitteln und dann nach den Vorschriften des RAnglG-DDR für die SV- und FZR-Renten anzugleichen sowie den entsprechenden Bestimmungen der Rentenanpassungsverordnungen anzupassen. Die so ermittelte Vergleichsrente wäre nach dieser Auffassung als SV- und FZR-Rente zu zahlen, wenn sie höher wäre als die Zusatzrente nach § 28 FZR-VO zuzüglich der SV-Rente ohne Festbetrag.

Es erscheint bereits zweifelhaft, ob eine solche Verfahrensweise im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung aus den Normen des DDR-Rechts (§ 28 FZR-VO, § 23 RAnglG-DDR) abgeleitet werden könnte (vgl Estelmann, DAngVers 1993, 278, 284). Jedenfalls ist eine derartige Vergleichsberechnung für den Zeitraum der rentenrechtlichen Übergangsperiode verfassungsrechtlich nicht geboten. Abgesehen von den Schwierigkeiten bei der Datenermittlung und vom Umfang der notwendigen Vergleichsberechnung, die der praktischen Umsetzung dieser Auffassung bei den in dieser Zeit ohnehin stark belasteten Rentenversicherungsträgern entgegenstehen, spricht gegen einen „automatischen Günstigkeitsvergleich” in der Überführungsphase auch der Umstand, daß sich hier noch nicht übersehen läßt, welche rentenrechtlichen Faktoren und Rentenberechnungsarten sich bei der endgültigen Rentenberechnung schließlich für den Versicherten als günstiger erweisen. Außerdem stellt sich bei der Vergleichsberechnung das Problem, ob und in welcher Form die bei den Zeiten der Zusatzversorgung vorgesehenen Verdienstbegrenzungen (zB § 6 Abs 1 AAÜG) zu berücksichtigen sind.

Verfassungsrechtliche Bedenken könnten allerdings dann begründet sein, wenn sich bei der endgültigen Rentenberechnung ergäbe, daß der Kläger als Bezieher einer FZR (AVI)-Rente erheblich schlechter gestellt wäre als ein Rentner, der in gleichem Umfange Beiträge zur FZR gezahlt, aber nicht der AVI angehört hat. Die sich aus der Überlagerung der FZR durch die AVI-Zusage im Einzelfall ergebenden rentenrechtlichen Nachteile von FZR (AVI)-Rentnern gegenüber FZR-Rentnern ohne AVI-Zusage können nur für die Phase der „vorläufigen” Rentenberechnung ohne weiteres verfassungsrechtlich hingenommen werden. Im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung im wesentlichen gleich gelagerter Sachverhalte (Art 3 Abs 1 GG) erscheint es jedoch bedenklich, die aus einer „reinen” FZR-Mitgliedschaft folgenden rentenrechtlichen Vorteile den Beziehern von FZR (AVI)-Renten bei gleicher monatlicher Beitragsleistung und gleich langer Mitgliedschaft in der FZR auf Dauer vollständig vorzuenthalten. Dies wäre insbesondere im Hinblick auf die für Rentenneuzugänge ab 1. Januar 1992 in § 319b SGB VI vorgesehene Vergleichsberechnung kaum zu rechtfertigen.

Der Umwertungs- und Anpassungsbescheid vom 28. November 1991 ist ebenfalls nicht zu beanstanden. SV-Rente und FZR (AVI)-Rente des Klägers sind damit zum 1. Januar 1992 gemäß § 307b Abs 5 SGB VI in eine einheitliche Regelaltersrente nach dem SGB VI umgewertet und angepaßt worden. Diese Neuberechnung war gemäß § 307b Abs 1 SGB VI vorzunehmen, weil der Kläger am 31. Dezember 1991 Anspruch auf eine nach dem AAÜG überführte Rente des Beitrittsgebiets, nämlich die FZR (AVI)-Rente (§ 2 Abs 3 AAÜG iVm Anl AAÜG 1 Nr 1), hatte, die gemäß § 4 Abs 1 Nr 2 iVm § 2 Abs 2 Satz 2 AAÜG zum 31. Dezember 1991 in die Rentenversicherung zu überführen war. Die Umwertung und Anpassung erfolgte in einem „maschinellen Verfahren”, bei dem die Rentenhöhe anhand der verfügbaren Daten pauschalierend nach gesetzlich vorgegebenen Werten vorläufig ermittelt wurde. Hierzu war die Beklagte gemäß § 307b Abs 5 SGB VI berechtigt. Bei der Festsetzung der einheitlichen Regelaltersrente ist insbesondere die Zahlbetragsgarantie des § 307b Abs 3 Satz 2 SGB VI eingehalten worden, indem anstelle der aufgrund der Umwertung errechneten Rente von 1.194,06 DM der bisherige, um 6,84 % erhöhte Zahlbetrag weitergewährt wurde.

Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen im übrigen auch gegen die Regelung des § 307b Abs 5 SGB VI nicht (vgl BSGE 76, 257 = SozR 3-8120 Kap VIII H III Nr 9 Nr 3; Urteil des erkennenden Senats vom 8. Februar 1996 – 13/4 RA 8/94).

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173063

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