Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. September 1989 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) Kurzarbeitergeld (Kug) und Zuschüsse zu den Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG).
Die Klägerin, ein Bauunternehmen, vereinbarte Kurzarbeit ab dem 8. März 1984 für die Dauer von sechs Monaten mit ihrem Betriebsrat, der weiterhin besteht, aber bisher am Verfahren nicht beteiligt wurde. Sie beantragte im Juli 1984 Kug für sieben Arbeitnehmer und Zuschuß zur Kranken- und Rentenversicherung für die Zeit vom 1. bis zum 30. Juni 1984. In dieser Zeit waren im Betrieb 50 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Anspruch auf Kug setzt ua voraus, daß in einem zusammenhängenden Zeitraum von mindestens vier Wochen für mindestens ein Drittel der in dem Betrieb tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer jeweils mehr als 10 vH der betriebsüblichen Arbeitszeit (§ 69 AFG) ausfällt (§ 64 Abs 1 Nr 3 AFG). Die hiernach erforderliche Mindestzahl von 17 Arbeitnehmern wird für den genannten Zeitraum nur erreicht, wenn diejenigen Arbeitnehmer, die an zwei Tagen wegen des Arbeitsmangels Urlaub genommen hatten, mit dem Arbeitsausfall von (2 × 8 =) 16 Stunden den geforderten Mindestarbeitsausfall hatten. Das ist der Fall, wenn ihre betriebsübliche Arbeitszeit im Juni 1984 weniger als 160 Stunden betrug. Diese Arbeitnehmer wurden mit einer tariflichen Arbeitszeit von wöchentlich 40 Stunden, gleichmäßig verteilt auf fünf Arbeitstage je Woche, beschäftigt. In den Monat Juni 1984 fielen fünf Sonnabende, vier Sonntage und zwei Wochenfeiertage (Pfingstmontag am 11. Juni und Fronleichnam am 21. Juni). Die Klägerin errechnet hieraus eine „Soll-Arbeitszeit” von (30 – 11 =) 19 Tagen zu je acht Stunden, insgesamt 152 Stunden, so daß der Mindestarbeitsausfall erreicht war. Sind die beiden Wochenfeiertage bei Ermittlung der regelmäßigen betriebsüblichen Arbeitszeit nicht zu berücksichtigen, wie die Beklagte meint, so betrug diese für (30 – 9 =) 21 Tage zu je acht Stunden insgesamt 168 Stunden.
Die Beklagte lehnte die Gewährung von Kug für Juni 1984 ab (Bescheid vom 3. September 1984; Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 1985).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, Kug und Beitragszuschüsse zur Kranken- und Rentenversicherung für den Abrechnungszeitraum (1. bis 30. Juni 1984) in gesetzlichem Umfang zu bewilligen (Urteil vom 25. August 1987). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 69 und 64 Abs 1 Nr 3 AFG. Betriebsübliche Arbeitszeit sei die im Kug-Zeitraum zu leistende „Soll-Arbeitszeit”.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 27. September 1989 aufzuheben und die Beklagte gemäß der erstinstanzlichen Entscheidung zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin hatte Erfolg iS der Zurückverweisung.
Die Klägerin erstrebt mit der Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, das die Beklagte zur Zahlung von Kug und Beitragszuschüssen verurteilt hat. Die Revision ist zulässig. Insbesondere genügt ihre Begründung den Anforderungen des § 164 Abs 2 SGG. Der 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat allerdings in zwei Entscheidungen eine ähnlich begründete Revision hinsichtlich des Anspruchs auf Beitragszuschüsse wegen fehlender Begründung als unzulässig verworfen. Die Revisionsbegründung zur Abweisung des Anspruchs auf Kug reiche hinsichtlich des Anspruchs auf Gewährung von Beitragszuschüssen als Revisionsbegründung nicht aus (BSGE 61, 39, 40 und 64, 42 = SozR 4100 § 65 Nrn 4 und 5), obgleich das LSG die Abweisung der Zuschußansprüche nicht eigens begründet, sondern als Konsequenz der Abweisung des Kug-Anspruchs angesehen hatte (insoweit in BSGE nicht abgedruckt). Die nach § 164 Abs 2 SGG erforderliche Revisionsbegründung muß nach der Ordnungsfunktion dieser Vorschrift klar erkennen lassen, in welchen einzelnen Punkten und aus jeweils welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufgehoben werden soll. Sie müssen ergeben, daß der Prozeßbevollmächtigte das angefochtene Urteil hinsichtlich der Aussichten einer Revision überprüft und die Rechtslage genau durchdacht hat, was ua auch der Entlastung des Revisionsgerichtes dient, wie dies in den angeführten Entscheidungen ausgeführt wird. Dem stimmt der Senat zu. Im vorliegenden Fall ist das angefochtene Berufungsurteil dahin auszulegen, daß der Anspruch auf die Beitragszuschüsse allein wegen des fehlenden Kug-Anspruchs verneint wurde, und die Revisionsbegründung dahin, daß das Berufungsurteil den Zuschußanspruch mit dieser Begründung unter Verletzung der zum Kug-Anspruch genannten Rechtsnormen abgewiesen habe. Die damit vorgenommene Auslegung des Berufungsurteils und der Revisionsbegründung liegt vornehmlich auf dem Gebiet der Tatsachenfeststellung, die insoweit ausnahmsweise dem Revisionsgericht obliegt. Eine Abweichung in der Tatsachenwürdigung kann, auch soweit sie dem Revisionsgericht obliegt, die Anrufung des Großen Senats nach § 42 SGG weder erfordern noch rechtfertigen. Es kann daher dahinstehen, ob in den angeführten Urteilen ein vergleichbarer Sachverhalt abweichend gewürdigt wird, und ob es einen Unterschied macht, daß die Revisionsbegründung hier – anders als in den angeführten Fällen – ausdrücklich auf das bisherige Vorbringen der Klägerin Bezug nimmt.
Hinsichtlich des Kug-Anspruchs ist die Revision schon deswegen iS der Zurückverweisung begründet, weil das LSG die nach der Rechtsprechung des BSG notwendige Beiladung der Betriebsvertretung unterlassen hat (BSGE 38, 94 = SozR 1500 § 75 Nr 4). Da die unterbliebene Beiladung nach geltendem Recht im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden kann (§ 168 SGG), muß das Urteil des LSG zum Kug-Anspruch aufgehoben und der Rechtsstreit gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG an dieses Gericht zurückverwiesen werden, damit dieses die Beiladung der Betriebsvertretung nunmehr nachholt. Die von der Rechtsprechung anerkannte Ausnahme, daß eine unterbliebene notwendige Beiladung keine Zurückverweisung nach sich zieht, wenn sich im Revisionsverfahren ergibt, daß die Klage in jedem Fall abgewiesen werden muß (BVerwGE 74, 19, 21 ff; 80, 228, 230; BSG Urteil vom 18. Januar 1990 – 4 RA 4/89), kann nur eingreifen, wenn sich die Klageabweisung zugunsten des Beizuladenden auswirkt, wie dies bei den angeführten Entscheidungen der Fall war. Haben indes Kläger und notwendig Beizuladender gleichgerichtete Interessen, wie dies bei dem klagenden Arbeitgeber und der notwendig beizuladenden Betriebsvertretung hinsichtlich des Anspruchs auf Kug der Fall ist, so läßt auch eine eindeutig gebotene Klageabweisung das Erfordernis der notwendigen Beiladung nicht entfallen.
Dabei kann der Senat offenlassen, ob bei einer solchen Interessenlage eine eindeutig gebotene und den Interessen des Beigeladenen entsprechende Verurteilung der Beklagten eine Rückverweisung erübrigen kann. Die Frage nach der Berücksichtigung der beiden Wochenfeiertage ist nicht schon nach dem Gesetzeswortlaut von vornherein eindeutig iS der Klägerin zu beantworten. Nach § 69 AFG ist Arbeitszeit iS der Vorschriften über das Kug die „regelmäßige” betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit, soweit sie die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit oder, wenn eine solche nicht besteht, die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit gleicher oder ähnlicher Betriebe nicht überschreitet. Der Begriff der Regelmäßigkeit spricht zwar eher gegen die Auffassung der Klägerin, daß die beiden Wochenfeiertage und damit die Besonderheiten der kalendermäßigen Lage der streitigen Bezugszeit von mindestens vier Wochen zu berücksichtigen ist, insbesondere wenn man ihn iS von „durchschnittlich” versteht. Jedoch sieht auch die Beklagte nicht gänzlich von solchen kalendermäßigen Zufälligkeiten ab, da sie den Arbeitsausfall an vier Sonntagen und fünf Sonnabenden im Juni 1984 berücksichtigen will. Ihre Auffassung, es komme auf die im Gewährungszeitraum planmäßig zu leistende Arbeitszeit an (vgl RdErl Dienstblatt der BA 109/90 S 3 zur Gleitzeit), scheint sogar für die Berechnungsweise der Klägerin zu sprechen. Sieht man die in der Bezugszeit durchschnittlich zu erbringende Arbeitszeit als maßgebend an, so ergibt sich folgende Berechnung: Bei einer Umrechnung nach der Maßgabe 13 Wochen = drei Monate ergeben sich für 13 Wochen (zu je fünf Arbeitstagen) 65 Arbeitstage, dh für drei Monate ebenfalls 65 Arbeitstage, also monatlich 21,66 Arbeitstage, was beim 8-Stunden-Tag 173,28 Stunden monatlich entspricht. Für die Bezugszeit von einem Monat kommen als regelmäßige Arbeitszeit somit drei Lösungen (152, 168 oder 173,28 Stunden) in Betracht. Da sich die Rechtsfrage damit nicht schon nach dem Gesetzeswortlaut von vornherein eindeutig beantworten läßt, sieht der Senat mangels Beteiligung aller vom Rechtsstreit Betroffenen davon ab, auf die materiell-rechtlichen Fragen näher einzugehen (dazu BSG SozR 1500 § 75 Nrn 29 und 34).
Auch hinsichtlich der Ansprüche auf Beitragszuschüsse zur Krankenversicherung nach § 163 Abs 2 Satz 2 AFG idF des Fünften AFGÄndG vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189), dessen Aufhebung durch Gesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) mit Wirkung vom 1. Januar 1989 den Anspruchszeitraum nicht betrifft, und zur Rentenversicherung nach § 166 Abs 3 Satz 2 AFG ist der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen. Hinsichtlich dieser Ansprüche, die dem Arbeitgeber selbst zustehen, hat die Betriebsvertretung zwar – anders als beim Kug, das der Arbeitgeber nur als Prozeßstandschafter einzelner Arbeitnehmer geltend macht – kein materielles Antragsrecht und ist deshalb nicht notwendig beizuladen (BSGE 50, 116, 117 = SozR 4100 § 64 Nr 4; BSG SozR 4100 § 163 Nr 3 und § 166 Nr 5). Gleichwohl war es dem Senat verwehrt, über den Zuschußanspruch abschließend zu entscheiden. Der Beitragszuschuß ist nach den genannten Vorschriften für Zeiten zu zahlen, für die Kurzarbeiter- oder Schlechtwettergeld gewährt wird. Für diese Anspruchsvoraussetzung kommt es vorrangig darauf an, wie über den streitigen Kug-Anspruch letztlich entschieden wird. Auf die abschließende Entscheidung über den Kug-Anspruch käme es für die Entscheidung über den Anspruch auf Beitragszuschüsse nur dann nicht an, wenn über die Beitragszuschüsse aus prozessualen Gründen zu entscheiden wäre, etwa bei Unzulässigkeit der Berufung oder der Revision hinsichtlich der Beitragszuschüsse, oder wenn der Zuschußanspruch aus anderen Gründen als dem Fehlen des Kug-Anspruchs, etwa weil es an einem Antrag auf Beitragszuschuß fehlt, zu verneinen wäre. Im vorliegenden Fall hängt die Entscheidung über den Zuschußanspruch allein vom Bestand des Kug-Anspruchs ab, so daß der Rechtsstreit auch wegen der Ansprüche auf Beitragszuschüsse zurückzuverweisen war. Das Berufungsgericht wird in seiner abschließenden Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen