Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Dezember 2017 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin L., beizuordnen, wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Im Streit ist die Rechtmäßigkeit der Versagung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) wegen fehlender Mitwirkung.
Die 1983 geborene, unter Betreuung stehende Klägerin wohnt seit Januar 2010 mit dem Beigeladenen zusammen. Bis April 2015 zahlte ihr ihre Mutter Unterhalt; zudem erhielt sie Kindergeld. Im Juli 2017 wurde die Klägerin aus der Werkstatt für behinderte Menschen, in der sie seit Mai 2007 gearbeitet und Einkommen erzielt hatte, mangels Werkstattfähigkeit entlassen.
Auf den Antrag ihrer Betreuerin auf Leistungen nach dem SGB XII im März 2015 führte der Beklagte im Oktober 2015 einen Hausbesuch bei der Klägerin und dem Beigeladenen durch und äußerte die Auffassung, beide führten eine eheähnliche Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft. Der Aufforderung zur Vorlage von Kontoauszügen des Beigeladenen, einer Vermögensaufstellung, von Lohnnachweisen und Nachweisen über sonstiges Einkommen, gerichtet an die Betreuerin der Klägerin, kam diese nicht nach. Sie vertrat die Auffassung, Einkommen und Vermögen des Beigeladenen seien wegen § 39 Satz 3 Nr 2 SGB XII für die Leistungsgewährung an die Klägerin nicht von Bedeutung. Den Antrag der Klägerin "lehnte" der Beklagte daraufhin, im Widerspruchsverfahren unter Verweis auf § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) "ab" (Bescheid vom 18.1.2016; Widerspruchsbescheid vom 18.5.2016). Während die Klage beim Sozialgericht (SG) Ulm (Urteil vom 15.2.2017) ohne Erfolg geblieben ist, hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg das angefochtene Urteil und die Bescheide aufgehoben (Urteil vom 14.12.2017). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, die Versagungsentscheidung sei schon deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil die Klägerin ihre Mitwirkungspflichten nicht verletzt habe, in dem sie die vom Beklagten geforderten Unterlagen über das Einkommen und Vermögen des Beigeladenen nicht beigebracht habe. Zwar gehörten zu den Mitwirkungspflichten auch Auskünfte über Umstände, die einen Dritten beträfen, soweit sie dem Antragsteller bekannt seien. Dazu gehörten grundsätzlich auch Angaben über Einkommen und Vermögen eines Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft, hier des Beigeladenen. Doch könne es der Klägerin nicht abverlangt werden, sich Beweismittel - etwa Nachweise über Einkommensverhältnisse des Beigeladenen - erst selbst zu beschaffen. Der Senat neige insoweit der Auffassung zu, zu dem Personenkreis der nach § 117 Abs 1 Sätze 1 bis 3 SGB XII auskunftspflichtigen Personen zähle auch der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, sodass der Beklagte sich die Auskünfte unmittelbar vom Beigeladenen hätte verschaffen können. Aber selbst wenn dem nicht so wäre, käme eine Beweislastentscheidung erst nach Ausschöpfung aller Sachaufklärungsmöglichkeiten in Betracht, wozu auch die Zeugeneinvernahme des Beigeladenen im Verwaltungsverfahren zähle.
Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde und macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Grundsätzlich bedeutsam seien folgende Fragen:
"1. Handelt es sich beim unstreitigen Vorliegen einer eheähnlichen Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft im Sinne von § 43 Abs. 1 SGB XII (vgl. auch § 20 Satz 1 SGB XII) zwischen Antragsteller und einem Dritten bei der Aufforderung der Behörde an den Antragsteller, zum Einkommen und Vermögen dieses Dritten vorzutragen und entsprechende Belege vorzulegen um ein Minus oder ein Aliud im Hinblick auf eine Aufforderung an den Antragsteller, Angaben zumindest nach eigenem Kenntnisstand über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Dritten zu machen?
2. Wie ist auf diesem Hintergrund, d.h. bei unstreitigen Vorliegen einer eheähnlichen Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft zwischen Antragsteller und Dritten, die Mitwirkungspflicht des Antragstellers gem. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 SGB I auszulegen, wenn der Antragsteller rechtsirrig und nachhaltig die Entscheidungserheblichkeit der von ihm geforderten Information zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Dritten bestreitet?
3. Ist auf dem Hintergrund der o.g. Sachlage im Hinblick auf die Auskunftspflicht über für die Leistung erhebliche Auskünfte, die Dritte betreffen auf die Tatsachenkenntnis des Antragstellers selbst oder im Hinblick auf die konkret übertragenen Aufgabenkreise auf die Tatsachenkenntnis des rechtlichen Betreuers des Antragstellers abzustellen?
4. Kann eine Verletzung der dem Antragsteller obliegenden Mitwirkungspflicht angenommen werden, wenn der Antragsteller erklärt, Auskünfte, die einen Dritten betreffen nicht preisgeben zu wollen?
5. Gehört zum Personenkreis der nach § 117 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 SGB XII Auskunftspflichtigen auch der Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft im Sinne von § 43 Abs. 1 SGB XII bzw. im Sinne von § 20 Satz 1 SGB XII?
6. Ist es bei Vorliegen eines Sachverhaltes gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB XII bzw. § 20 Satz 1 SGB XII bei erstmaliger Antragstellung und Verweigerung von leistungsrelevanten Auskünften über den Dritten ausreichend wenn in zahlreichen Hinweisschreiben der Behörde der Gesetzeswortlaut des § 66 Abs. 3 SGB I wiederholt wird?
7. Ist bei Konstellationen, die den Fragen 1 bis 6 zugrunde liegen, im gerichtlichen Verfahren der Dritte notwendig beizuladen oder als Zeuge zu vernehmen?"
Zudem lägen Verfahrensmängel vor, weshalb die Revision (ebenfalls) zuzulassen sei. Denn das LSG habe den Lebensgefährten der Klägerin zum Verfahren beigeladen, anstelle ihn als Zeugen zu vernehmen. Auch habe das LSG das persönliche Erscheinen weder der Klägerin noch des Beigeladenen angeordnet und vielmehr unterstellt, die Klägerin habe keinerlei Tatsachenkenntnis über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beigeladenen. Hätte das LSG die Klägerin und den Beigeladenen befragt, wäre es möglich gewesen, den Sachverhalt weiter aufzuklären.
Die Klägerin hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung von Rechtsanwältin L. beantragt.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Zu Frage 1 legt der Beklagte die Klärungsfähigkeit, also die Entscheidungserheblichkeit der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage nicht dar. Denn nach seinem eigenen Vortrag ist das LSG davon ausgegangen, dass die Klägerin ausschließlich zur Vorlage von Unterlagen betreffend den Beigeladenen aufgefordert worden war, eine solche Verpflichtung aber nicht bestehe. Weshalb die Klägerin die Anfrage im Sinne eines "Minus" hätte verstehen müssen, legt der Beklagte nicht dar und teilt im Übrigen auch nicht mit, welche Informationen sie hätte erteilen können und weshalb auf dieser Grundlage die Versagungsentscheidung rechtmäßig gewesen wäre. Soweit der Beklagte unter Ziffer 2 Fragen zur Auslegung der Regelung des § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 3 SGB I aufwirft, fehlt es bereits an einer konkreten Rechtsfrage. Vielmehr sind die formulierten Fragen so allgemein gehalten, dass deren Beantwortung lehrbuch- oder kommentarähnliche Ausführungen zum Verständnis und zur Reichweite der Norm erfordern würde. Dies ist jedoch nicht Aufgabe des Senats im Nichtzulassungs- oder Revisionsverfahren. Zur Frage 3 (auf wessen Tatsachenkenntnis ist bei rechtlicher Betreuung abzustellen), ist bereits der Klärungsbedarf nicht der Form entsprechend dargelegt, denn der Beklagte setzt sich weder mit hierzu ggf bereits existierender Rechtsprechung noch den maßgeblichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (≪BGB≫; vgl nur §§ 1902, 1903, 166 BGB) auseinander. Außerdem fehlt es an der nachvollziehbaren Darlegung der Klärungsfähigkeit der von ihm formulierten Frage, denn er teilt weder mit, was die Betreuerin gewusst haben könnte noch, weshalb auf dieser Grundlage eine andere Sachentscheidung des LSG ergangen wäre. Auch bei Frage 4 fehlt es an der Darlegung der Klärungsfähigkeit. Für die Entscheidung des LSG war es gerade nicht erheblich, ob sich die Klägerin geweigert hat, entsprechende Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Beigeladenen zu machen. Denn es hat in diesem Verhalten keine Verletzung von Mitwirkungspflichten gesehen. Nichts anderes gilt für Frage 5. Das LSG hat es gerade offen gelassen, ob der Beigeladene zum Personenkreis des § 117 Abs 1 Sätze 1 bis 3 SGB XII zählt und darauf seine Entscheidung auch nicht gestützt. Die Beantwortung der Frage würde außerdem erneut lediglich eine kommentarartige Aufarbeitung einer allgemeinen Rechtsfrage bedeuten, die die Zulassung der Revision jedoch nicht begründen kann. Ob es sich bei Frage 6 überhaupt um eine konkrete, verständliche Rechtsfrage handelt (wofür soll der Hinweis auf § 66 Abs 3 SGB I "ausreichend" sein?) kann dahingestellt bleiben, denn es fehlt jedenfalls an der ordnungsgemäßen Darlegung ihrer Klärungsbedürftigkeit. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als bereits höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl Bundessozialgericht ≪BSG≫ Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung vorliege oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet sei (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN). Daran fehlt es hier gänzlich, denn mit der zu § 66 Abs 3 SGB I ergangenen Rechtsprechung hat sich der Beklagte überhaupt nicht auseinandergesetzt, geschweige denn dargelegt, dass die von ihm formulierte Frage noch nicht geklärt ist. Dass insoweit eine Divergenz des LSG zur Rechtsprechung ua des BSG (nicht eines anderen LSG) bestehe, hat er noch nicht einmal behauptet. Auch die unter 7. gestellte Frage verhilft nicht zur Zulassung der Revision. Zweifelhaft ist auch hier, ob es sich überhaupt um eine konkrete Rechtsfrage handelt ("bei Konstellationen, die den Fragen 1 bis 6 zugrundeliegen"). Denn jedenfalls fehlen jegliche Ausführungen zur Klärungsbedürftig- und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage im vorliegenden Verfahren.
Schließlich fehlt es an einer ordnungsgemäßen Rüge auch des behaupteten Verfahrensmangels. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Wer sich - wie hier - auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss daher ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 mwN). Einen Beweisantrag gestellt zu haben, behauptet der Beklagte aber noch nicht einmal. Soweit er im Übrigen auf die unterbliebene Ladung der Betreuerin und die fehlende Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin und des Beigeladenen abstellt, hat er nicht dargelegt, dass darauf die Entscheidung des LSG beruht, also der behauptete Verfahrensmangel für die Entscheidung erheblich ist.
Auf den PKH-Antrag der Klägerin war zwar wegen ihres Obsiegens in der Berufungsinstanz die Prüfung entbehrlich, ob ihre Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, nicht aber die ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 114 Abs 1 Satz 1, § 119 Abs 1 Satz 2 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫). Da die Klägerin in der ihr gesetzten Frist der Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen zur Prüfung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nicht nachgekommen ist, war der Antrag auf Bewilligung von PKH abzulehnen (§ 202 SGG iVm § 117 Abs 2 und 4, § 118 Abs 2 Satz 4 ZPO); damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 121 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11864788 |