Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionszulassung. grundsätzliche Bedeutung. Klärungsbedürftigkeit. Bestimmtheit von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden. Grundsicherung für Arbeitsuchende
Leitsatz (redaktionell)
Die Rechtsfrage, ob das Bestimmtheitsgebot des § 33 SGB X verletzt ist, wenn mehrere Erstattungsforderungen aus § 50 SGB X, die gegen unterschiedliche Personen bestehen, gegen einzelne dieser Personen oder gegen alle gemeinsam ausdrücklich als “Gesamtforderung” geltend gemacht werden, ist höchstrichterlich geklärt.
Orientierungssatz
Die Rechtsfrage, ob das Bestimmtheitsgebot nach § 33 SGB 10 verletzt ist, wenn mehrere Erstattungsforderungen aus §§ 48, 50 SGB 10 gegen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft als Gesamtforderung gegen einzelne dieser Personen oder gegen alle gemeinsam geltend gemacht werden, ist durch die Entscheidungen des BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R = BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2 und vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R = SozR 4-1300 § 45 Nr 12 geklärt.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1; SGB 10 § 33 Abs. 1, §§ 48, 50; SGB 2 § 40 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 2. August 2012 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Die Kläger wenden sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 20.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.8.2010 über Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und rügen insbesondere, der Bescheid sei unbestimmt. Das Sozialgericht hat ihre Klage abgewiesen (Urteil vom 14.2.2012), das Landessozialgericht (LSG) hat ihre Berufung zurückgewiesen (Beschluss vom 2.8.2012). In ihrer gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG gerichteten Beschwerde rügen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
II. Die gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG gerichtete Beschwerde der Kläger ist als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten Gründen - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz), Verfahrensmangel - zugelassen werden.
Die Voraussetzungen des von den Klägern allein geltend gemachten Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung sind nicht gegeben. Dessen Voraussetzungen sind ua die Formulierung einer klaren Rechtsfrage und deren Klärungsbedürftigkeit.
Die Kläger haben die Rechtsfrage formuliert: "Ist das Bestimmtheitsgebot des § 33 SGB X verletzt, wenn mehrere Erstattungsforderungen aus § 50 SGB X, die gegen unterschiedliche Personen bestehen, gegen einzelne dieser Personen oder gegen alle gemeinsam ausdrücklich als 'Gesamtforderung' geltend gemacht werden?"
Diese Rechtsfrage ist nicht mehr klärungsbedürftig. Die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage ist ua zu verneinen, wenn die Antwort höchstrichterlich bereits geklärt ist (BSG SozR 1300 § 13 Nr 1; BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65). Maßgeblich für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) über die Nichtzulassungsbeschwerde, sodass die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, die zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde gegeben war, durch zwischenzeitliche Entscheidungen des BSG entfallen kann (BSG SozR 1500 § 160 Nr 25, 61; BSG SozR 1500 § 160a Nr 65).
Davon ausgehend ist die von den Klägern formulierte Rechtsfrage zumindest nicht mehr klärungsbedürftig. Denn bei der Prüfung des Bestimmtheitsgebots des § 33 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) kommt es nicht auf einzelne Formulierungen oder die Bezeichnung einer "Gesamtforderung" an, sondern auf eine Auslegung des Bescheids oder der Bescheide insgesamt.
In dem vom LSG angeführten Urteil des Senats vom 7.7.2011 (B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 33) wird ausgeführt: "Entscheidend ist allerdings, dass sich aus dem Bescheid mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass der zurückzuzahlende Gesamtbetrag das Ergebnis einer Addition von insgesamt drei Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidungen ist, die sich jeweils an die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft richten." Bestätigt wird dies durch die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Senats vom 29.11.2012 (B 14 AS 6/12 R), in der ergänzend ausgeführt wird: "Die Aufhebungsverfügungen im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid werden aber mit dem Änderungsbescheid vom selben Tag aus Sicht des Empfängers ausreichend konkretisiert. … Dieser Änderungsbescheid bildet mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid eine rechtliche Einheit für den von der Aufhebung betroffenen Zeitraum (vgl …). … Die Verfügungssätze der beiden Bescheide korrespondieren miteinander. Bei einem Vergleich der sich aus den jeweiligen Berechnungsbögen ergebenden Individualansprüche ergibt sich, dass sowohl die Leistungsbewilligungen der Klägerin als auch die Leistungsbewilligungen ihrer Tochter jeweils zum Teil aufgehoben werden. … Nach alledem ergibt die Auslegung der Bescheide, dass die Aufhebungsverfügungen vom … sowohl an die Klägerin als auch an ihre Tochter - gesetzlich vertreten durch die Klägerin - gerichtet sind."
Mehr könnte im vorliegenden Verfahren hinsichtlich des angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 20.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.8.2010 auch nicht ausgeführt werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG. |
Fundstellen