Verfahrensgang
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 22.10.1992) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 22. Oktober 1992 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Der Kläger macht den Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) geltend. Als grundsätzlich bedeutsam bezeichnet er die Frage, „daß § 44 Abs 2 des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) der Beklagten nicht gestatte, durch Satzung einerseits zwar für einen Zeitraum von vier Monaten ab Beitritt zur Versicherungsklasse 516 für freiwillig Versicherte Beiträge zu erheben, andererseits aber für den gleichen Zeitraum Krankengeld nicht zu gewähren”. Fraglich ist bereits, ob der Kläger hinreichend dargelegt hat, daß die angestrebte Entscheidung über den Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Denn entgegen der Ansicht des Landessozialgerichts (LSG) und des Klägers betrifft der Rechtsstreit das vor 1989 geltende und damit ausgelaufene Recht. Eine außer Kraft getretene Rechtsvorschrift kann aber in aller Regel keine grundsätzliche Rechtsfrage aufwerfen, es sei denn, daß noch eine erhebliche Anzahl von Fällen zu entscheiden ist und darin die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage liegt (Bundessozialgericht ≪BSG≫ SozR 1500 § 160a Nr 19), oder daß sich das spätere Recht an das frühere anschließt und dieses inhaltlich übernimmt (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 58). Dies ist, um die Beschwerde statthaft zu machen, im einzelnen darzulegen (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 19, 58).
Aber auch wenn die Beschwerde trotz alledem zulässig ist, kommt der aufgezeigten Frage keine grundsätzliche Bedeutung zu. Denn jedenfalls nach altem Recht waren die Krankenkassen befugt, durch die Satzung den Anspruch auf KrG an eine Wartezeitregelung zu knüpfen. Dieses bedarf keiner näheren Klärung in einem Revisionsverfahren. § 215 Abs 1 und 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO), der bis 31. Dezember 1988 anzuwenden war und auch für Ersatzkassen galt (Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 18. Auflage, Stand 58. Nachtrag, Anm 2 zu § 215 RVO), eröffnete den Kassen das Recht, für freiwillige Mitglieder Versicherungsklassen mit oder ohne Krankengeldanspruch vorzusehen. Dann aber waren die Kassen auch befugt, einen freigestellten Versicherungsklassenwechsel zur Verhütung etwaiger Mißbräuche an eine angemessene Wartezeit von vier Monaten zu knüpfen. Die vom Kläger gerügte Ungleichbehandlung mit pflichtversicherten Arbeitnehmern ist nicht sachfremd. Bei ihnen hat das Krankengeld stets Lohnersatzfunktion, weil es nur gewährt wird, soweit Arbeitsentgelt tatsächlich ausfällt (vgl früher § 189 RVO; jetzt § 49 Abs 1 Nr 1 SGB V). Dagegen ist ein Ausfall von Arbeitseinkommen bei Gewährung von Krankengeld an Selbständige nicht zwangsläufig; so kann bei Arbeitsunfähigkeit der Umsatz erhalten bleiben oder aber anderweitig Vorsorge getroffen sein, etwa durch Abschluß einer Krankentagegeldversicherung. Wenn aber ein freiwillig versicherter Selbständiger für den Fall der Arbeitsunfähigkeit Einkommenseinbußen befürchtet, kann er rechtzeitig eine freiwillige Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld begründen, um bei einer Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf der Wartefrist einem Pflichtversicherten gleichzustehen. Ist dies aber nicht rechtzeitig geschehen und fällt der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Wartezeit, kann der Betroffene mangels Krankengeldanspruchs nicht in den Genuß einer beitragsfreien Krankenversicherung kommen. Der Grundsatz der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung (Äquivalenzprinzip) ist nicht berührt, weil dieser typisierende Regelungen zur sachgerechten Risikoverteilung und zur Mißbrauchsabwehr gestattet. Um eine solche handelt es sich bei der hier einschlägigen Wartezeitbestimmung.
Hiernach war die unbegründete Beschwerde zurückzuweisen und über die Kosten in entsprechender Anwendung des § 193 SGG zu entscheiden.
Fundstellen